Hypocracy oder Schnaps

Big Daddy wird sterben – und das wissen alle, ausser ihm. Für ihn ist es ein krampfgeplagter Darm, für die anderen Krebs. Und so sammeln sie sich wie die Geier um aufzuteilen, was es zu teilen gibt: Cooper und Mae, Brick und Maggie.Tennesse Williams “Die Katze auf dem heissen Blechdach” zeigt die Abgründe einer Kleinfamilie – die Herrschsucht des Vaters, den Neid zwischen den Brüdern, die Konkurrenz unter den Schwiegertöchtern. Das Stück läuft zurzeit im Schauspielhaus Zürich.

Sie haben sich zusammengefunden, um sich ihr Erbe zu sichern, obwohl ihr Vater nicht weiss, dass er sterben wird. Niemand, nicht einmal die Ärzte und der Pfarrer, hatten den Mut, ihm die Botschaft zu überbringen. Und so feiert er unwissend seinen Geburtstag, reisst Sprüche und düpiert die Anwesenden. Wie er dem Tod von der Schippe gesprungen ist, ein ewiger Sermon, ein ewiger Monolog. Seine Zuhörer mimen ihr Interesse und führen nebenher ihre kleinen Kriege. Brick, der nicht mehr mit seiner Frau Maggie schlafen will und mit dem Verlust seines besten Freundes kämpft, gibt sich ganz dem Alkohol und seinem Trübsinn hin. Maggie hingegen ist erpicht darauf, die Misere ihres Ehelebens zu überdecken und endlich schwanger zu werden – damit sie der “fertilen Kuh” Mae, ihrer Schwägerin, in nichts mehr nachsteht. Maes fünf Kinder tänzeln dann auch um Big Daddy herum, singen Lieder und bezirzen, doch die “halslosen Monster” haben keinen Erfolg. Ihr Vater, Cooper, war immer das ungeliebte Kind und weniger Wert als Brick.

Und so schwehlen Hass, Abneigung, Unsicherheit und Verzweiflung in jeder Szene mit. Unter der Regie von Stefan Pucher laufen die Darsteller zur Höchstform auf. Das einem als Zuschauer das Gezicke zwischen Maggie und Mae irgendwann nur noch auf die Nerven geht, liegt auch daran, dass Julia Jentsch und Tabea Bettin ihre Rolle mehr als nur verkörpern – sie sind die ernüchterte Maggie und die Übermutter Mae. Markus Scheumann gibt den versoffenen Brick perfekt und bietet damit nicht nur seiner Frau, sondern auch seinem Vater überzeugend Paroli. Die zweieinhalbstündige Inszenierung wird durch musikalische Einlagen von Evelinn Trouble und Videoeinspieler aufgelockert und ermüdet somit, trotz der Länge, nicht.

Ein wunderbares Stück über die Verlogenheit einer Familie, den Schein aufrechtzuerhalten – life is the only thing we can hold on to.

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