Studententheater: ein bunter Haufen

Es ist einer jener grauen Apriltage, die wir alle so hassen. Nebel liegt über St. Gallen. Deshalb ist es wie der Eintritt in eine neue Welt, als ich die Grabenhalle betrete und mir die farbig beleuchteten Gesichter des Studententheaters aus der Dunkelheit entgegenstrahlen.

Euphorie und Nervenkitzel liegen in der Luft, dazu jede Menge Zigarettenrauch. Die erste Hauptprobe steht kurz bevor und es dauert nur noch 20 Tage, bis das Studententheater seine Tore öffnet und den kulturell interessierten Zeitgenossen während drei Tagen einen Spiegelblick in die eigene Geschichte zumutet.

Seit Februar wurde ein 115-seitiges Skript zur „Komödie der Eitelkeit“ von Elias Canetti verinnerlicht und auswendig gelernt. Jeweils Dienstagabends traf sich die kleine, eingeschweisste Gruppe, um Text, Betonung, Mimik und Gestik zu üben. Doch ein guter Teil der Arbeit liegt noch vor ihnen: das Spiel perfektionieren und die einzelnen Szenen aufeinander abstimmen.

Die Tage sind lang, sie beginnen am frühen Morgen mit Maske und Kostümanprobe, danach Aufwärmen, Konzentrationsübungen und dem letzten Briefing und enden für viele erst spät in der Nacht. „Theaterspielen ist für mich so erfüllend, dass ich auch um 3 Uhr nachts ins Bett gehen und um 7 wieder aufstehen kann und trotzdem nicht müde werde“, sagt Annabelle Sersch, die zum dritten Mal mit dabei ist und sich für die künstlerische Leitung verantwortlich zeichnet.

„Es ist toll, mit den unterschiedlichsten Charakteren, neuen und altbekannten, in unserer kleinen Gruppe zu arbeiten und gemeinsam etwas zu entwickeln. Das ist mein Ding!“, schwärmt sie. Tatsächlich ist das Studententheater, anders als die Uni selbst, sehr heterogen. Erwartungsgemäss studieren viele am Rosenberg, aber Marica Tamburic zum Beispiel arbeitet in der Verwaltung der Uni, Jürg Bühler holt seine Matura nach und Susi Kraftschenko kennen die meisten von uns, weil sie uns in der Pause mit Schoggigipfel und Kaffee versorgt. Annabelle ihrerseits möchte nach ihrem BWL-Abschluss die lukrativen Angebote von Banken und Beratungsgesellschaften in den Wind schlagen und sich vollkommen der brotlosen Kunst widmen. Alle gemeinsam haben sie die Leidenschaft dafür, einzeln und als Ganzes mit vollem Körpereinsatz darzustellen, was passieren könnte, wenn ein wesentliches Element unserer eitlen Gesellschaft entfallen würde: das eigene Bild. Ein lohnenswertes Gedankenspiel.

Mit viel Freude und Durchhaltewillen ist die eingespielte Theatergruppe hier am Werk und gibt, auch wenn sie selbst die Spiegel und Fotos abschaffen, ein starkes Bild ab. Die Stimmung ist angespannt aber gut, obwohl sie sich gegenseitig oft kritisieren und hin und wieder der eigenen Eitelkeit fröhnen. In puncto Organisation hat sich die HSG im Studententheater schon vollkommen eingenistet: Das Theater wird sehr professionell gemanagt, ohne dabei die Freiheiten des Laientheaters zu verlieren. Wir dürfen gespannt sein auf eine „Komödie der Eitelkeit“.

Teil 2 der Serie zum Studententheater mit einem Blick hinter die Kulissen wird am 1. Mai erscheinen. Mehr Infos zu den Aufführungen (vom 13. bis 15. Mai) und dem Vorverkauf auf www.studententheater.ch.

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