„Entgleist die Hochgeschwindigkeitsökonomie – Will less be more?“ Ein Best-of des HSG TALENTS Opening Panels 2013

Was verstehen Oswald Grübel (Ex-CEO der UBS und CS), Christian Casal (CEO McKinsey  & Company Schweiz), Monika Bütler (Mitglied Bankrat SNB, Direktorin SEW-HSG), David Bosshart (Autor „The Age of Less“, CEO Gottlieb Duttweiler Institut) und Paul Rechsteiner (Ständerat SP, Präsident SGB) unter einer Hochgewschindigkeitsökonmie? Mit dieser Einstiegsfrage brachte Michael Brunner, der kurzfristig eingesprungene Moderator des HSG TALENTS Conference Opening Panels 2013, die wohl grösste Frage der Zuschauer auf den Punkt. Die Antwort der Panelisten konnte unterschiedlicher nicht ausfallen…

Leben wir in einer Hochgeschwindigkeitsökonomie?

Oswald Grübel wunderte sich zuerst über den unbekannten Begriff, doch ist ihm klar, dass jedem, der mit Turbo unterwegs ist, auch einmal ein Unfall passieren kann. Auf diese Aussage reagierte Paul Rechsteiner entrüstet; die Vorfälle der letzten Jahre von den (“Höllenmaschinen”) Banken können nicht als Unfälle deklariert werden. Es sei nun endlich an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wofür die Ökonomie da ist, da die Stressbelastung und Überforderung durch die ständige Erreichbarkeit zunimmt. Christian Casal gab zu, dass er den Begriff vor der Einladung auch noch nie gelesen hatte, betonte jedoch im gleichen Zug die Bedeutung der Agilität, mit der die heutige Zeit gemeistert werden muss. Er hat aber erkannt, dass glücklicherweise diese Agilität bei den heutigen Absolventen meistens stärker ausgeprägt ist, als bei früheren Generationen. David Bosshart erklärte, dass eine Differenzierung der Geschwindigkeit vorgenommen werden muss. Wir würden heute in einer Situation leben, die eine Desynchronisation der Lebensgeschwindigkeiten vorweist, denn Politik, Gesellschaft, Technologie und Wirtschaft entwickeln sich nicht mit derselben Geschwindigkeit. Monika Bütler hingegen empfindet die Beschleunigung der Lebensgeschwindigkeit als eine natürliche Implikation des Fortschritts und sieht eigentlich kein Bedarf, diese zu bremsen. Mit Lehr-Beispielen aus der Geschichte, wie zum Beispiel dem Einzug der Dampfmaschine in Europa, wollte sie aufzeigen, dass Umbrüche zur Fortentwicklung einer Zivilisation dazugehören. Jeder Zuhörer erkannte so schon zu Beginn, wie unterschiedlich die Weltbilder der Diskussionsteilnehmer sind.

Brauchen Menschen also Wachstum?

Für Christian Casal ist klar, dass die Bewältigung der Staatsschulden und die Funktionsfähigkeit unserer Sozialsysteme von einem kontinuierlichen Wachstum abhängen, jedoch eine Regelung der Geschwindigkeiten hergestellt werden muss. Wie dies geschehen soll, hat er nicht konkretisiert. Daraufhin warf Monika Bütler ein, dass niemand Wachstum per se will. Diesem Votum stellte Casal entgegen, dass dies eine zu theoretische Betrachtung sei, in Realität provoziere dass Quartalsdenken der Analysten ein Druck, wenn immer möglich, Wachstum auszuweisen. Aus einer anderen Perspektive argumentierte Oswald Grübel, dass der Mensch risikofroh nach der kontinuierlichen persönlichen Weiterentwicklung strebt und dieses Streben schliesslich in einer kollektiven Wachstumsaffinität endet. Eine Regulation der Höllenmaschine Staat würde den Wohlstand der Menschen behindern. Daraufhin gab David Bosshart zu bedenken, dass keine klare Antwort bekannt sei, ob zu viel oder zu wenig Innovation betrieben wird. Doch wie geht die junge Generation mit Wachstum um? Gemäss Casal ist das soziale Gewissen der jungen Generation intakt, McKinsey & Company hatte aus diesem Grund sogar seine Arbeitsstrukturen angepasst: Ihre Mitarbeiter dürfen sich für (soziale) Projekte drei Monate unbezahlt frei nehmen. Diese Aussage wollte Rechsteiner in Bezug auf die Intensität des sozialen Gewissens bei der Jungen Generation nicht generalisieren, es gäbe “Junge und Junge“. Für Rechsteiner steht ausser Frage, dass sich der Zyklus der neoliberalen Ära dem Ende zuneigt. Ganz so weit will David Bosshart nicht gehen, jedoch soll ein vernünftiges Wachstum angestrebt werden. Monika Bütler reagierte darauf mit dem Einwurf, wer denn überhaupt definieren kann, was eigentlich als vernünftig gelten darf? Diese Überlegung liess die anderen Panel-Teilnehmer kurz verstummen, worauf Michael Brunner die Gelegenheit ergriff, die Frage der Zuständigkeit aufzugreifen:

Welche Verantwortung tragen Banken für eine „bessere“ Welt?

Der Ethik weist Grübel eine zeitliche Flexibilität zu: So sei die Immobilienkrise in den USA regierungsgetrieben gewesen. Politiker verlangten, dass sich jeder ein eigenes Haus leisten könne. Die Schweiz könnte ebenfalls in eine Immobilienkrise rutschen, wenn die Hypothekarzinsen so tief bleiben. Es seien nicht die Banken, die die Vorfälle von sich aus provozieren, nein, sie spiegeln lediglich das Verhalten der Menschen wider. Casal pflichtete dem insofern bei, dass oft zu schnell Rückschlüsse gezogen werden. Dies mit einer fatalen Wirkung, denn eine falsche Diagnose gibt auch eine falsche Medizin. Die Boni seien nicht schuld an der Entwicklung. Auch längerfristig angelegte Vergütungssysteme können kurz vor ihrem Einlöse-Datum kurzfristig geprägtes Verhalten auslösen, weil die Börse schlichtweg nicht langfristig denkt. Diese Argumentation quittierte Paul Rechsteiner mit einem Kopfschütteln.

Eine solche Meinungskonstellation konnte auch in den vorherigen Fragen beobachtet werden. Ein Konsens konnte in dieser Diskussion nicht gefunden werden. Mit solch unterschiedlichen Weltbildern war dies wohl kaum möglich und auch nicht das Ziel. Jedenfalls garantierte diese Perspektivenvielfalt einen angeregten Diskurs mit, unter bejahendem Applaus der Zuschauer, einigen Seitenhieben zwischen den ideologischen Weltanschauungen.  Bei der anschliessenden Fragerunde liess es sich ein Student nicht nehmen, den Herren Grübel und Casal  das Sympathieprinzip von Kant als Lektüre zu empfehlen, welches der liberalen Wirtschaftsstruktur zu Grunde läge. Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Karrieretipp von Oswald Grübel: Man soll nur den Beruf ergreifen, den man wirklich gerne macht, um sich aus der Masse herausheben zu können. Die Zuschauer bedankten sich für den interessanten Abend mit einem tosenden Applaus, der den Panel-Teilnehmern, aber genauso auch dem Organisations-Team der HSG TALENTS Conference 2013, galt.

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