Wahlversprechen 2.0

An jeder Ortseinfahrt, an jeder Strassenlampe und an den Plakatwänden am Bahnhof hängen sie wieder – die freundlich und teilweise schelmisch grinsenden Politiker. Doch die häufig abschreckenden Standbilder reichen den Kandidaten schon lange nicht mehr. Heute muss man multimedial sein – und weil Wahlkampf durch Fernsehwerbung nicht erlaubt ist, publiziert man die Botschaft halt im Internet. Wir haben uns einen Ausschnitt aus dem teils äusserst skurrilen Angebot an Wahlspots angeschaut.

Man kann ja bekanntlich nur für sich selbst sprechen. Ich zumindest schaue die Plakate im öffentlichen Raum schon gar nicht mehr an. Schliesslich wollen meine Augen, mein Gehirn und mein Nervenkostüm geschützt werden. Tatsächlich berichtete das Nachrichtenmagazin 10vor10 letzte Woche, dass bei einer Überland-Testfahrt über gut 16 Kilometer rund 400 Plakate gefunden wurden. Das heisst, bei 80 Stundenkilometer sieht man alle 1.8 Sekunden eines! So etwas kann einem doch nur zu viel werden …

Kaum besser sind da die zahlreichen Werbespots, die man sich – wohlgemerkt nur als Politikfreak, Masochist oder aus Schadenfreude – im Internet ansehen kann. Eine kleine Auswahl präsentieren wir hier.

Mit beinahe 300’000 Aufrufen gehört der Badenixen- und Adonis-Clip der SVP zu den beliebtesten unter den Wahlvideos, auch wenn die politische Botschaft einen Informationsgehalt von nahezu Null aufweist und die Durchsage am Schluss irgendwie an eine Werbung für regionale Produktion erinnert. “Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage!” könnte man auch sagen und würde den Inhalt damit wohl gut zusammenfassen. Zumindest aber ist der Film mit Humor inszeniert und technisch kann man nichts gegen ihn einwenden.

Bedeutend weniger oft aufgerufen wird indessen der Spot der SP, was wahrscheinlich an dessen Dauer liegt. Geschlagene neuneinhalb Minuten versuchen – mehr oder weniger bekannte – Parteimitglieder und Sympathisanten die Werte der SP zu vermitteln. Hoch anzurechnen ist zumindest, dass die Aussagen immer für Deutsch- und Französischsprachige zugänglich gemacht werden. Dass der Clip bei irgendjemandem ankommt, kann ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen. Ich meine, wer lässt sich schon zehn Minuten lang irgendwelche Ideale vorbeten, die einem unter Umständen so fremd sind, dass man sich sowieso nicht davon überzeugen lässt? Das Video taugt deshalb höchstens als Gedankenstütze für die eigene Wählerschaft!

Viel besser gefällt mir da die Low-Budget-Produktion der SP Zürich unter dem Titel “Mach das Zebra nicht hässig!”. Die Schauspieler glänzen durch destruktive Verwirrtheit und die Audioeinspielungen sorgen für den nötigen Adrenalinkick. Man achte darauf, in dem Moment als das Zebra wie aus dem Nichts ins Bild springt, sollte aber dabei den Schatten, der von Anfang an zu sehen ist, ignorieren, ansonsten ist das Momentum dahin…

Man sollte sich auch nicht zu lange den Kopf darüber zerbrechen, was der Sinn des Videos ist, allzu tiefsinnig ist “Wähl SP nicht Grün” nämlich nicht. Den Spot gibt’s auch noch mit anderen Gegenparteien, besser werden sie aber nicht.

Wiederum mehr Geld investiert hat offensichtlich die FDP mit ihrem Velo fahrenden Präsidenten. Wenigstens kommt hier das Tessin wieder einmal zum Zug, sodass die ewigen Benachteiligungsklagen nicht fruchten …

Bestreiten kann man wohl kaum die vorgestellte Idealpolitik, wie sie auch schon im SP-Spot angetönt wurde. Ein bisschen weniger Hickhack, dafür mehr Inhalt würde wohl nicht schaden. Inhaltlich weiss man aber über die FDP nachher genauso viel wie zuvor. Man schaffe Arbeitsplätze und sei geprägt von echtem Unternehmertum, so die Kernbotschaft. Meiner Meinung nach kann die gute Machart aber nicht über die fehlenden Lösungsansätze hinwegtäuschen. Bürokratiestopp und “angemessene” Sozialwerke werden proklamiert (wie schon seit Jahren), aber passende Lösungen dazu kaum vorgestellt.

Spassiger ist da schon die Werbung des Baslers Peter Malama, selbst Kandidat der FDP, der für gut 4’000 Franken pro Video die SVP aufs Korn nimmt.

Selbstverständlich können in diesem Rahmen nicht alle verfügbaren Spots vorgestellt werden, das Angebot ist aber auf jeden Fall abendfüllend. Die häufig skurrilen, schlecht inszenierten und unprofessionellen Billigproduktionen haben meiner Meinung nach zumindest das Potenzial, angesehen zu werden und in Erinnerung zu bleiben, während die teuren Aufmachungen der Parteien einfach nur bebilderte Schlagwort-Steubomben sind. Generell finde ich aber, dass diese Onlinefilmchen – so spassig sie auch sein mögen – kaum die Möglichkeit haben, die Wahlen auch nur annähernd zu beeinflussen. Wer geht denn schon ins Internet und schaut sich diese Videos an? Ich meine, all jene, die sich schon für die zahlreichen Plakate nicht interessieren, wohl kaum. Wenn sich jemand die Spots wirklich aus politischen Gründen anschauen will, dann sind dass doch sowieso die eigenen Sympathisanten, die ohnehin schon für die Partei stimmen würden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich damit irgendwelche Neuwähler anlocken liessen. Aber vielleicht begnügen sich die Parteien ja damit, dass ihre Stammwähler mobilisiert werden. Das Geld scheint es ja wert zu sein …

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