«Ein Häuschen in Marathon wäre schön.»

Miriam Meckel arbeitet seit 2005 an der Universität St. Gallen und ist Direktorin am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement (MCM-HSG). Zuvor sammelte sie jahrelang Erfahrungen in Journalismus und Politik. prisma trifft sie in ihrer Wohnung am Rosenberg und spricht mit ihr über Berufliches, Möbel und Träume von einem Häuschen im Südwesten von Texas.

Ende Februar – die winterlichen Temperaturen und der Schnee weichen den ersten Vorboten des Frühlings – besuchen wir Miriam Meckel in ihrer Wohnung am Rosenberg, nicht einmal fünf Minuten von der Uni entfernt. Im zweiten Stock werden wir von der Professorin für Corporate Communication empfangen und in die gute Stube gebeten.

Die geräumige Wohnung strahlt sofort einen ungemeinen Charme aus, der nicht zuletzt von den speziellen Möbeln ausgeht. Viele davon lassen sich mit den Worten rustikal oder antik nur ansatzweise beschreiben. Ein Buffet aus Holz mit marmorner Einlegeplatte, die – wie Miriam Meckel uns später versichern wird – schon vor ihrem Erwerb im Trödelladen einen Sprung hatte, ein Grammofon mitsamt Schallplatten, die sie Gästen aber kaum je zumuten wolle, oder aber zwei hellbraune Ledersessel, in denen man schlicht zu versinken droht, was aber mehr als nur gemütlich ist. In diesen Sesseln lassen wir uns nieder und bitten die Dozentin zum Interview.

Wissenschaft – Politik – Journalismus

Ihre Hochschulausbildung durchlief Miriam Meckel in einer – wie sie selbst sagt – «wilden» Fächerkombination. «Ich studierte Kommunikationswissenschaften, Sinologie, Politikwissenschaften und Jura, wobei ich immer Journalistin werden wollte.» Ihr damaliger Traumjob sei Auslandskorrespondentin in China gewesen, was dann aber nicht geklappt hat. Erste internationale Erfahrungen sammelte sie in Taiwan, wo sie studierte und als freie Journalistin sowie in der Unternehmenskommunikation eines Grosskonzerns tätig war. 1994 promovierte sie schliesslich in Deutschland, bevor sie sich den Medien – insbesondere dem Fernsehen – verschrieb.

Mehrere Jahre lang arbeitete sie bei diversen öffentlich-rechtlichen, aber auch kommerziellen Sendern im grossen Nordkanton. Parallel dazu hatte sie eine Vertretungsprofessur in Münster inne, wohin sie schliesslich auch als ordentliche Professorin berufen wurde. Ab dem Jahr 2000 war Miriam Meckel eine Legislaturperiode lang Regierungssprecherin und Staatssekretärin für Medien, Europapolitik und Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese Zeit sei für sie eine Spannende gewesen, aber ein solches Amt sei auch ein 24/7- Job, in dem man eine gewisse politische Linie zu vertreten habe. Nach Ablauf der Legislaturperiode wandte sie sich wieder der Wissenschaft zu und kam 2005 ans Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen.

«Hingezogen zur Wissenschaft hat mich vor allem das tiefgründigere und längere Arbeiten an Fragen, welche die Gesellschaft, aber auch mich persönlich interessieren, und die damit einhergehende Freiheit», begründet die Professorin ihren neuerlichen Wechsel. Insbesondere der Tagesjournalismus habe aber auch seine Vorteile gehabt. Am Abend einfach den ganzen Papierstapel zu nehmen und in den Papierkorb zu werfen, das habe auch seine schönen Seiten. «Schauen Sie sich jetzt meinen Schreibtisch an: Es gibt Projekte, die jahrelang da liegen und immer griffbereit sein müssen.»

Das Buffet muss mit

Trotz der vielen Reisen, die berufsbedingt notwendig sind, ist St. Gallen zum Lebensmittelpunkt von Miriam Meckel geworden. Ihre Wohnung am Rosenberg, aber auch die Stadt sind für die Dozentin ein echtes Refugium. Nach einem längeren Auslandaufenthalt freue sie sich denn auch immer, in die eigenen vier Wände zurückzukehren. «Trotz dem momentanen Karnevalslärm ist St. Gallen im Vergleich zu vielen anderen Orten, an denen ich arbeite, sehr ruhig», schildert sie die Vorzüge. Ein solcher ist auch die Möglichkeit, die Treppe hinunterzugehen und in zwei Minuten bei der Arbeit zu sein oder in der Stadt schnell etwas einkaufen zu können.

Was die Einrichtung angeht, bezeichnet sich Miriam Meckel selbst als «unglaublich traditionalistisch». Praktisch alles in ihrer Wohnung sei alt. Besonders hängt sie an dem Buffet mit Marmorplatte, das schon etliche Umzüge mit ihr mitgemacht hat, ebenso wie an den rissigen Ledersesseln. Neueinkäufe sucht man bei ihr vergebens. Schliesslich fällt ihr doch noch etwas ein. Im Nebenraum zeigt sie uns zwei Repro-Abzüge aus dem Fundus der New York Times. «Das eine Foto zeigt Alexander Graham Bell beim ersten Telefongespräch zwischen New York und San Francisco, das andere Albert Einstein beim Erläutern seiner Relativitätstheorie im Kreise verdattert blickender Wissenschaftler», erklärt uns Miriam Meckel die Bilder. Sie selbst ist auch leidenschaftliche Fotografin. Von einfachen Schnappschüssen mit dem iPhone über Experimente mit Polaroid- Modulen bis hin zu Ablichtungen mit der Spiegelreflexkamera kann sie sich für alles begeistern. So versucht sie denn auch auf Geschäftsreisen immer wieder, sich einen Moment für sich und ein paar Fotografien zu nehmen.

Als wir uns zurück ins Wohnzimmer begeben, meint die 44-Jährige mit einem Lächeln: «Ansonsten sind die einzigen regelmässigen Neuanschaffungen bei Möbeln Bücherregale», weil der Lesestoff in den eigenen vier Wänden stetig zunimmt. Dabei handelt es sich aber nicht nur um wissenschaftliche Publikationen, sondern auch um Romane zur Entspannung. Abends nach der Uni entspannt sich Miriam Meckel oft in ihrer Wohnung bei einer Tasse Kräutertee und einem guten Buch. «Manchmal gehe ich aber auch ins Kino oder treffe mich nochmals mit Freunden. Nur zum Laufen bin ich abends meist zu faul.»

In einer anderen Ecke der Wohnung steht ein Grammofon, das auch tatsächlich noch funktioniere. Die dazugehörigen Freddy-Quinn-Platten mit den Titeln «Heimweh» und «Sie hiess Mary Ann» ertönen in der Wohnung aber eher selten, vor allem, weil die meisten Besucher nicht wahnsinnig Lust hätten, sich diese anzuhören. Früher machte Miriam Meckel auch selbst Musik und spielte Posaune. Dazu fehlt heute aber die nötige Zeit: «Musikmachen liegt momentan wegen der Arbeitsbelastung etwas brach.» Gerne schaut sie sich aber zwischendurch auch Filme an. So interessieren sie vor allem Streifen, die sich der Beziehung Mensch–Maschine widmen. Für einen Kurs hat sie sich kürzlich wieder Filme wie «Odyssee im Weltraum », «eXistenZ», «Minority Report» oder «Matrix» angesehen. Gleichzeitig bekennt sie sich aber auch zu Fernsehserien: «Das Erste, was ich mache, wenn ich in den Staaten ankomme, ist herauszufinden, wo und wann ‹Criminal Minds› läuft.» So spielt sie auch mit dem Gedanken, sich Digital-Fernsehen anzuschaffen, um in die globalen News- Programme oder ihr Lieblingsgenre – Krimis – reinschauen zu können.

Häuschen in Marathon

Manchmal nach einem langen Arbeitstag habe sie einfach das Gefühl, ausgeredet zu haben. Dieses Bedürfnis nach absoluter Ruhe werde dann auch durch die Wohnung verkörpert. Wenn sie gezwungen wäre, umzuziehen, stünden auf Miriam Meckels Liste alternativer Wohnorte Zürich, das vor allem eine lebhafte kulturelle Szene besitzt, oder Luzern mit seinen einzigartigen Postkartensujets. Bis vor ein, zwei Jahren habe sie immer die Möglichkeit gesehen, in den Vereinigten Staaten zu leben. Heute fühle sie sich stärker als Europäerin und glaubt, hierher zu gehören. «Was ich aber gerne hätte, wäre ein kleines, simples Häuschen in Marathon, Texas, um dort ab und an ein paar Wochen zu verbringen, ein Buch zu schreiben und meine Gedanken in der wunderbar bergigen Wüstenlandschaft zu ordnen.» Auf die Frage, was sie mit einem beliebig hohen Geldbetrag machen würde, meint sie denn auch: «Gäben Sie mir 100’000 US-Dollar, würde ich mir dieses Häuschen kaufen, mit 100 Franken ginge ich ins Rösslitor.»

Wir fragen die Professorin auch nach ihren eigenen Stärken und Schwächen. Manchmal sei sie etwas undiszipliniert, schlafe beim Lesen einfach ein oder widme sich zu ausgiebig ihrer Leidenschaft: den Erdnüssen. «Eine weitere Schwäche ist, dass ich ungeduldig sein kann – gelegentlich auch im Team, wo jedoch jeder nach seinem Tempo arbeiten sollte, um gute Resultate zu erzielen», erläutert uns Miriam Meckel selbstkritisch. Als Stärke sieht sie ihre kommunikative Art, ihr Organisationstalent und die Möglichkeit, einfach abschalten zu können. So habe sie gelernt, sich nach einer stressigen Vorlesung einfach mal ein paar Minuten hinzulegen und sich zu erholen.

Beim abschliessenden Blick in die Kristallkugel sieht sich Miriam Meckel übrigens auf einer kleinen Holzterrasse ihres Häuschens in Marathon, das sie bis dann gefunden haben wird, mit einer Margarita in der Hand und an ihrem Buffet lehnend beim Geniessen der Abendsonne über den Wüstenbergen.


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