Die Rohstoffbranche in der Schweiz

Rohstoffe werden für die Gesellschaft immer wichtiger, speziell auch für die Schweiz, da sie für Rohstofffirmen ein begehrter Standort ist. Urs Rybi von der Erklärung von Bern sprach mit prisma über dieses Thema.

Die Erklärung von Bern wurde 1968 gegründet und setzt sich für eine gerechte Globalisierung ein. Im Fokus stehen dabei die Schweizer Politik, Schweizer Unternehmen und die Schweizer Konsumenten. Die Organisation wird von 23’000 Mitgliedern über Spendengelder finanziert und ist deshalb vollständig unabhängig.

Urs Rybi, Sie sind für die Erklärung von Bern im Bereich «Rohstoffe» tätig. Wie sind Sie zu der EvB gekommen?

Mein Berufsleben hat im Bereich Solarenergie bei Greenpeace begonnen, da mich speziell Umweltthemen und besonders die Verkehrs- und Energiepolitik interessierten. Danach habe ich Politologie, Sozialpsychologie und Soziologie an der Universität Zürich studiert. Nachdem ich eine Zeit lang für die Schweizerische Flüchtlingshilfe und Amnesty International gearbeitet habe, kam ich dann zur Erklärung von Bern. Die EvB setzt sich besonders für die Menschenrechte im Bereich der Wirtschaft ein.

In den Statuten der EvB steht, dass sie sich für eine gerechte Globalisierung einsetzt. Was heisst das?

Wir setzen uns dafür ein, dass nicht nur die Nachteile, sondern auch die Vorteile globalisiert werden. Zurzeit profitiert nur eine kleine Gruppe, nicht nur finanziell, sondern auch allgemein, von einer besseren Lebensqualität. Aber viele werden durch die Globalisierung mehr eingeschränkt, als dass sie die Vorteile nutzen könnten. Deutlich wird dies vor allem bei den so genannten «governance gaps» – die Unternehmen haben sich schneller globalisiert als die Staaten. Ein Problem tritt insbesondere dann auf, wenn Unternehmen sich nicht freiwillig an gewisse menschenrechtliche Mindeststandards halten. In «high risk zones» brauchen Unternehmen, wenn sie sich dort ansiedeln wollen, ein besonders gutes Risikomanagement, um potenzielle Menscherechtsverletzungen erkennen zu können.

Im September 2011 veröffentlichte die EvB das Buch «Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz», an welchem auch Sie mitschrieben. Warum haben Sie sich gerade für das Thema Rohstoffe und Rohstoffhandel entschieden?

Über die Jahre wurde immer deutlicher, dass die Schweiz für Rohstofffirmen ein wichtiger Standort ist. Aus langjähriger Erfahrung ist leider auch bekannt, dass der Rohstoffbereich einer der heikelsten Bereiche ist, wenn es um Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden geht. Unser Augenmerk lag dabei auf der Frage, wie der grosse Unterschied zwischen den märchenhaften Einnahmen der Firmen und ihres Managements selbst und den schlechten Bedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie die gesamte Bevölkerung vor Ort zu erklären ist.

Der Rohstoffhandel hat sich aber auch stark verändert. Früher waren exklusive Informationen der entscheidende Vorsprung, den man gegenüber der Konkurrenz und auch gegenüber der Öffentlichkeit hatte. Er ermöglichte ein ungestörtes Arbeiten. Traditionell war es ein reines Handelsgeschäft, doch mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten haben die Informationen an Exklusivität verloren. Die Händler mussten sich neu orientieren, dabei war vertikale Integration das Zauberwort. Es ist lukrativer geworden, einen grösseren Teil der Wertschöpfungskette selber abzudecken, so hat zum Beispiel Glencore mittlerweile viele eigene Minen. Das heisst aber auch, dass die Branche sich noch mehr Risiken aussetzt. Seien es die offensichtlichen Risiken für die Menschen vor Ort oder aber Korruption und Steuerhinterziehung.

Warum ist die Schweiz für die Rohstofffirmen als Standort derart interessant?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen sind hierzulande die Regulierungen relativ locker; unternehmerische Freiheit wird grossgeschrieben. Da die Schweiz früher neutral war, sind einige Dinge gelaufen, die so in anderen Ländern sicherlich nicht toleriert worden wären. Zum Beispiel handelten Schweizer Rohstoffhändler mit dem Apartheidregime in Südafrika und auch mit dem Iran, zu einer Zeit wo dieses Vorgehen im Rest der Welt als nicht opportun angesehen wurde. Dazu kommt, dass die Schweiz bei der Aussprache von Sanktionen immer relativ zögerlich vorgeht. Weiter braucht die Rohstoffbranche Geld und Schweizer Banken haben schon sehr früh das perfekte Instrument für diesen Handel geschaffen, den sogenannten Akkreditiv. Ein nicht zu vernachlässigender Punkt sind zudem die Steuern. So werden Unternehmen, die mindestens 80 Prozent ihres Geschäfts im Ausland generieren, in vielen Kantonen mit einer tieferen Steuerlast belegt. Diese Einschränkung passt natürlich perfekt zum Geschäftsmodell der Rohstoffhändler, da sie ja nur Transitgeschäfte betreiben und die Ware selbst praktisch nie in die Schweiz einführen.

Welche Vorgänge finden in der Politik statt, um dieses «schmutzige» Geschäft sicherer zu machen?

Die internationale Politik beschäftigt sich gerade sehr stark mit der Transparenz der Zahlungsflüsse von Rohstoffunternehmen. Alle Zahlungen, die an staatliche Stellen geleistet werden, sollen pro Projekt ausgewiesen werden. Dies ermöglicht der Bevölkerung vor Ort zu sehen, welcher Teil der gesamten Erträge wirklich bei ihnen ankommt. Die USA haben diesen August eine solche «project by project»-Offenlegung verabschiedet. Eine weitere Bestimmung, die ebenfalls diesen August verabschiedet wurde, legt der US-amerikanischen Industrie die Pflicht auf, sorgfältig abzuklären, ob sogenannte «Konfliktmineralien» verwendet werden. Auch die EU ist gerade daran, solche Regulierungen zu erlassen. Diese Entwicklungen bedeuten aber auch, dass sich die Schweiz mit der Frage konfrontiert sieht: «Was machen wir?»

Und, was machen wir?

Es gibt einen Vorstoss im Parlament, der eine solche Transparenzregelung auch für die Schweiz fordert. Wir sind gespannt auf die bundesrätliche Antwort. Ich bin optimistisch gestimmt, aber natürlich ist es alles andere als fix.

Öffentliche Panel Diskussion
Am 15.11.2012 findet von 18.15 Uhr bis 19.45 Uhr die öffentliche Panel Diskussion der oikos Konferenz in der Aula statt. Bei diesem Anlass diskutiert Urs Rybi unter anderem mit Martin Fasser von der Zug Commodity Association und Stefan Grotefeld, Ethikprofessor aus Zürich, zum Thema «Rohstoffhandel, mögliche Chancen und Gefahren und die Zukunft dieser Branche in der Schweiz». Moderiert wird der Anlass von Daniel Ammann, dem Verfasser der Biografie «The King of Oil» über den Glencore-Gründer Marc Rich.
Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz
434 Seiten
Salis Verlag (2012)


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