The Club of Rome – Kritiker des Wachstumswahns

Politiker und Ökonomen scheinen in einen Wahn zu verfallen, wenn es um Wachstum geht. Ohne Wachstum kein Wohlstand, so die Devise. Der Think Tank «The Club of Rome» hat dazu andere Ansichten.

Wachstum ist der Treiber des Kapitalismus. Das scheint eine Tatsache zu sein, die dem Durchschnittsbürger bekannt ist. Wachstum vergrössert das BIP, was sich wiederum positiv auf unseren Wohlstand auswirkt. Dozierende und Gastreferenten an unserer Universität verweisen in ihren Vorlesungen früher oder später auf die Wachstumsrate, egal ob in ökonomischem oder betriebswirtschaftlichem Zusammenhang.

Doch dreht sich unser Wohlergehen wirklich nur um das Wachstum? Der «Club of Rome» veröffentlichte schon 1972 den berühmten Bericht «The Limits of Growth», in welchem er die Grenzen des Wachstums auf unserem Planeten anhand von zwölf möglichen Szenarien aufzeigte. Es wurde vorausgesagt, dass innerhalb des 21. Jahrhunderts die Wachstumsgrenze erreicht wird, wenn die fünf Variablen Zunahme der Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung, Ausbeutung natürlicher Ressourcen sowie die Nahrungsmittelproduktion unverändert bleiben.

Nun, 40 Jahre später, ist von den zwölf vorgestellten Szenarien das mittlere eingetreten. Die Menschheit ist weitergewachsen und unser Konsum hat sich nochmals deutlich erhöht. Obwohl der durchschnittliche Wohlstand gestiegen ist, sieht sich die Erdbevölkerung mit grossen Problemen konfrontiert. Klimawandel, eine immer grösser werdende Schere zwischen den Reichsten und den Ärmsten und die Nahrungsmittelknappheit in bestimmten Regionen sind nur einige davon. Zum Jubiläum des Berichts «The Limits of Growth» veröffentlichte der Co-Autor Jorgen Randers das Buch «2052 — A Global Forecast for the next Forty Years». In diesem Buch erörtert er, auf welchem Weg sich die Menschheit befindet, und versucht eine Voraussage zu treffen, wie 2052 die Welt aussehen wird.

Eine Hauptaussage des Buches ist, dass die Menschheit sehr kurzfristig zu denken scheint und von nachhaltigem Handeln vielerorts noch weit entfernt ist. Jorgen Randers sieht die Problematik des kurzfristigen Denkens vor allem in den dominanten Systemen unserer Zeit, im Kapitalismus und der Demokratie. Beide Systeme lassen es nicht zu, dass man langfristig denkt: Im Kapitalismus sind Zinssätze und Ertragsraten für die nächsten fünf Jahre relevant und bei demokratischen Wahlen und Entscheidungen steht auch die nahe Zukunft im Vordergrund.

Jorgen Randers geht sogar so weit zu sagen, dass man sich von der Demokratie lösen müsse, um wahre, nachhaltige Entscheide treffen zu können. Im Gegensatz zu Jorgen Randers sieht Ian Johnson, Generalsekretär des Club of Rome, die Lösung aber nicht darin, vom demokratischen System wegzukommen, sondern es zu verbessern. Inspiriert wurde Ian Johnson durch einen kanadischen Indianerstamm. Dieser hatte neben gewählten Vertretern des Stammes immer eine fixe Zahl von Stammesältesten, welche explizit dafür verantwortlich waren, dass die gefällten Entscheide auch langfristig von Bedeutung sind. Ähnlich könnten auch die demokratischen Systeme in der westlichen Welt verbessert werden: Denn wenn beispielsweise 20 Prozent der gewählten Parlamentarier bloss für die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit von Entscheiden verantwortlich wären, würde auch der Rest des Parlaments drastisch beeinflusst und viele kurzgedachte politische Entscheide wären nicht mehr möglich.

Für das kurzfristige Denken des Kapitalismus hat Ian Johnson ebenfalls eine Lösung bereit. Man soll den öffentlichen Sektor und den privaten Sektor zusammenziehen, wie es noch nie getan wurde. In diesem System, das weder Sozialismus noch Kommunismus ist, soll man den Wert von öffentlichen und privaten Gütern gleichermassen hochhalten und diese schliesslich zusammenbringen. Beispielsweise sollen die Unternehmen die Möglichkeit haben, durch langfristige Kredite vom Staat ihre Entscheide nachhaltiger zu gestalten. Häufig liegen nämlich den kurzfristigen Entscheidungen von Unternehmungen auch kurzfristige Kredite aus dem privaten Sektor zugrunde.

Weiter meint Ian Johnson, dass der Staat klare Rahmenvorgaben für die Wirtschaft machen sollte, in denen die Unternehmungen frei handeln könnten. So könnte zum Beispiel der Emissionsproblematik entgegengewirkt werden: Der Staat könnte festlegen, wie viel CO₂ die Wirtschaft im Ganzen ausstossen darf. Unter diesem Dach würden dann ebenfalls die Mechanismen des freien Marktes zum Zuge kommen und man könnte mit den Emissionen handeln.
Was es auf jeden Fall braucht, ist ein Wechsel in der Art und Weise, wie wir die Dinge betrachten. Auch sollte der Staat nicht mit der Regierung gleichgesetzt werden, sondern mit der Bevölkerung. Schliesslich sind die implementierten Lösungsansätze auch zum Wohle der Bevölkerung unseres Planeten und nicht zum Wohle einer Regierung. Man muss auch wegkommen von reinen Staatseingriffen und vermehrt die Verantwortung Semi-Regierungs-Organisationen übertragen. Schon heute existieren solche, so zum Beispiel die Nationalbanken. Sie sind in der breiten Bevölkerung viel akzeptierter. Der Vorteil ist, dass sie klar Verantwortung übernehmen müssen, zugleich jedoch eine unabhängige Institution darstellen. Ian Johnson sieht in dieser Verbindung des öffentlichen und privaten Sektors die Zukunft und rät deshalb, in dieser Richtung zu experimentieren.

Durch solche Institutionen soll auch den externen Effekten entgegengewirkt werden, die in der jetzigen Privatwirtschaft durch rein betriebswirtschaftliche Entscheidungen entstehen können. Es gilt zu verhindern, dass ein Unternehmen zugunsten kurzfristiger Gewinne Massenentlassungen durchführt. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen solcher Massnahmen sind immens, wenn man daran denkt, dass diese Entlassungen die Sozialwerke belasten und moralisch problematisch sind. Hätte sich das Unternehmen in einer Form für diesen externen Schaden zu verantworten, würde es diese Massnahme sicherlich überdenken.

Die Thematik mit den externen Effekten hat auch mit der Hauptproblematik des Wachstums zu tun: nämlich das Wachstum des BIP nicht mit einem Wachstum des Wohlstandes gleichzusetzen. Beispielsweise werden pro Tag vier Trillionen Dollar an Devisen gehandelt, was die Wachstumsziffer drastisch verfälschen kann, da kein eigentlicher Mehrwert entstanden ist. Ebenso ist es trügerisch, wenn ein Entwicklungsland hohe Wachstumszahlen schreibt, weil grosse Waldflächen gerodet wurden und das Holz teuer exportiert werden konnte. Was nicht Einzug in die Buchhaltung findet, sind die vielen externen Effekte, wie zum Beispiel die Beschädigung des gerodeten Landes. Langfristig gesehen sinkt so der Wohlstand des Landes, obwohl die kurzfristige Wachstumsziffer anderes vermuten lässt.

Oftmals muss man deshalb die ursprünglichen Wachstumsziffern bei Ländern nach unten korrigieren, weil durch die wirtschaftliche Tätigkeit gesellschaftlicher oder ökologischer Schaden entstanden ist. Für den Wohlstand ist schliesslich nicht bloss das Wirtschaftsjahr verantwortlich, sondern auch Gesundheit oder eine intakte Umwelt. Der «Club of Rome» rät deshalb den Nationen mit kleineren Wachstumszahlen zu wachsen, ohne jedoch ihr Wachstum durch negative externe Effekte zu verfälschen. Doch bevor die Bevölkerung überhaupt für solche Fragen bereit ist, muss die globale Politik mehr Jobs schaffen. Denn Ian Johnson ist sich sicher, dass man erst über langfristige Fragen wie die Wachstumsproblematik oder den Klimawandel diskutieren kann, wenn die gesamte Bevölkerung die Möglichkeit hat, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.


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