Der «zu Guttenberg» in uns

Seit der Affäre rund um den deutschen Ex-Verteidigungsminister steht die Plagiarismus-Debatte wieder hoch im Kurs. Passend dazu: die Ergebnisse aus unserer prisma-Umfrage

Es ist schon beeindruckend: Wer sich durch die derzeit wie Pilze aus dem Boden schiessenden Plagiatjäger-Blogs und -Wikis klickt, ist erstaunt, mit welcher Akribie die «Mitarbeiter» dieser Seiten die Arbeiten prominenter Träger des Doktor-Titels durchforsten. Man kann dieses beinahe schon genüssliche Zerpflücken einer Dissertation als ehrenwerten Beitrag zur Aufdeckung eines Betrugsfalls sehen. Man kann die Art und Weise des Vorgehens und der Darstellung unter halbironischen Titeln («VroniPlag-Wiki») und mässig kreativen Decknamen («PlagDoc», «Dr. Martin Klicken») als unseriös empfinden. Eines kann man jedoch in keinem Fall: als Studierender und Jungwissenschaftler über dieses Thema grosszügig hinwegsehen. Natürlich gab es auch schon früher Plagiate, doch mit dem Internet hat sich das Problem des systematischen Abkupferns potenziert. Mittlerweile spricht manch einer von einer «Verluderung der Wissenschaften» – und das sollte allen, die Teil des Wissenschaftsbetriebs sind, zu denken geben.

Erfolgsmodell LWA?

Dass auch die HSG in dieser Hinsicht keine Insel der Seligen ist, wird kaum einen überraschen. Interessant ist da schon eher, wie gross das Ausmass der unwissenschaftlichen Arbeitsweise gemäss der freiwilligen Umfrage unter Studierender an unserer Universität nun wirklich ist – obwohl die Universitätsleitung mit aufwändigen Überprüfungen und rigorosen Gegenmassnahmen entschieden gegensteuert. Dieses Gegensteuern beginnt bekanntlich bereits auf der Assessment-Stufe: Der Hinweis auf die elektronische Kontrolle der ersten Seminararbeiten in LWA und die Thematisierung der Unredlichkeit des Gedankenklaus scheint zu wirken. So geben immerhin 90.9 Prozent der befragten Studierenden auf der Assessment-Stufe an, bislang weder plagiiert noch falsch oder nicht zitiert oder gar einen Ghostwriter beschäftigt zu haben.

Allerdings könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass dieses Verhalten nur auf die erste Einschüchterung im ersten Semester zurückzuführen ist. Zwar liegt der Anteil derer, die sich keines Betrugsversuchs der drei abgefragten Kategorien bewusst sind, auch auf Ebene aller Befragten in allen Fächern und Stadien des Studiums noch bei 86.3 Prozent, doch die Ergebnisse innerhalb einzelner Programme lassen aufhorchen: Innerhalb der Masterprogramme Law and Economics und Volkswirtschaftslehre verzichteten zumindest 26.2 Prozent beziehungsweise 25.0 Prozent der Befragten darauf, das Häkchen bei «Keiner der drei genannten Betrugsversuche» zu setzen – womit wir uns hier schon in ganz anderen Dimensionen bewegen. Deutlich ehrlicher (oder beim Ankreuzen unehrlicher?) sind da die Master-Studierenden im MiQE/F und MLS: Hier bekannte sich kein einziger Studierender zu einem der drei möglichen Betrugsversuche.

Plagiat als Ausnahmefall

Beruhigend vielleicht, dass auf gesamtuniversitärer Ebene sowohl Ghostwriting als auch Plagiarismus Randerscheinungen darstellen. Lediglich (oder müsste man doch schon sagen «immerhin»?) 1.3 Prozent der Befragten bekannten sich jeweils dazu, in der Vergangenheit schon einmal auf einen Ghostwriter gesetzt beziehungsweise plagiiert zu haben. Der Verzicht auf die korrekte Zitation hingegen kommt bei knapp über einem Zehntel der Studierenden vor.

Faule Deutsche?

Ganz besonders interessiert natürlich die Frage nach dem «zu-Guttenberg-Virus». Ist es wirklich so, dass dieses vermehrt unter den deutschen Studierenden grassiert? Tatsächlich gehen laut der deutschen Tageszeitung «Die Welt» manche Schätzungen von bis zu 30 Prozent plagiierten Arbeiten im grossen Nordkanton aus. Ganz so schlimm sieht es unter den deutschen HSG-Studierenden wohl nicht aus: 2.3 Prozent der Befragten deutscher Nationalität gaben zu, schon einmal der Verlockung des Copy&Paste erlegen zu sein, immerhin 82.0 Prozent setzen bei «Keiner der drei genannten Betrugsversuche» ihr Kreuz. Dennoch stehen die Deutschen damit an der Spitze der Plagiatoren. Von den Schweizer Studierenden fischten demnach nur 1.2 Prozent im Netz nach passenden Textpassagen, von den Studierenden aus Österreich und Liechtenstein jeweils angeblich überhaupt niemand.

Frage von Integrität und Glaubwürdigkeit

Was also nehmen wir aus den Ergebnissen dieser Umfrage mit? Eine eindeutige Interpretation bleibt angesichts der sozialen Erwünschtheit im Rahmen der Datenerhebung und des Mangels an Vergleichswerten in der Bewertung schwierig. Doch egal ob die Zahlen nun überraschend hoch, angemessen tief, realistisch oder unrealistisch erscheinen: Letztlich ist jeder einzelne Betrugsversuch ein kleiner Mosaikstein, der zum Gesamtbild der «verluderten» Wissenschaften beiträgt. Deshalb geht es im Kern selbst bei der Plagiatjagd im Internet nicht um Rufschädigung – auch wenn die Form der Präsentation der Untersuchungsergebnisse durchaus fragwürdig ist und teilweise ins Unseriöse abgleitet. Hier geht es um Kritik an einer mangelhaften, weil unwissenschaftlichen Arbeitsweise. Insofern geht die HSG einen konsequenten und absolut richtigen Weg, wenn sie uns von Beginn an vermittelt, wie seriöses wissenschaftliches Arbeiten auszusehen hat, anschliessend penibel prüft und gegebenenfalls strikt durchgreift. Wenn jedoch uns als Studierenden unser Abschluss – und es muss gar nicht zwangsweise der Doktortitel sein – noch etwas wert ist und wir uns als Teil eines seriösen wissenschaftlichen Betriebs begreifen, sollten wir unser Verhalten auch immer wieder selbst kontrollieren. Letztlich handelt es sich um eine Frage wissenschaftlicher Integrität und Glaubwürdigkeit – und integer und glaubwürdig sein, das wollen wir doch alle. Da passt das «Gutteln» einfach nicht ins Bild.


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