Es gibt sehr viele sinnvolle und fordernde Games. Brillante Rollenspiele, knifflige Adventures und Geschicklichkeitsspiele oder komplexe Strategiespiele sind nicht nur gute Unterhaltung, sondern verbessern auch, je nach Spiel, Reflexions-, Koordinations- oder Entscheidungsfähigkeit des Spielers. Solche Spiele zu kreieren ist Kunst: Es gehört mindestens ebenso viel Recherchearbeit und Kreativität dazu wie bei der Schaffung anderer Kulturmedien. Games spiegeln Stimmungen und Trends unserer Gesellschaft wider. Auch hinter ihnen sitzen letzten Endes einer oder mehrere Autoren, die uns etwas mitteilen wollen. Natürlich gibt es auch Karaoke-, Musik- oder Tanzspiele, deren Unterhaltungswert klar den intellektuellen Wert übersteigt, aber auch ihnen gehört meiner Ansicht nach das Prädikat «Kulturgut» verliehen. Wer den Abschnitt zum neuen Singspiel «Lips» liest, wird verstehen, was ich meine.
Wie sehen die Videogames von übermorgen aus? Wo liegen die Trends? Was geht in den Köpfen der Entwickler vor? Die fünfte Game Hotel Show in Zürich gab Antwort auf genau diese Fragen. Ein abendfüllendes Programm mit internationalen Gästen und bester Unterhaltung erwartete mich. Checking in at Game Hotel: Jennifer Kahn.
«Liebe Zockerinnen und Zocker, Gelegenheits-Spieler und Anfänger …» Mit diesen Worten wurde das Game Hotel Publikum am Abend des 25. Oktobers in der futuristischen Filmarena in Sihl City begrüsst. Von der ersten Sekunde an war klar: Das ist keine Nischenversammlung für neardige Geeks, sondern beste Samstagabend-Unterhaltung für jedermann und jede Frau.
«Lips» heisst das neue Karaoke-Game, das exklusiv für die Xbox 360 erscheint. Anders als in den bereits bekannten Singstar-Spielen für die Playstation kann Lips zwischen Pfeifen, Summen oder Singen differenzieren. Schummeln wird zwar so bemerkt, aber auch wer kein Pop-Stimmchen hat, beendet das Spiel nicht mit null Punkten auf dem Konto: Auch durch das Schütteln des Mikrofons im richtigen Takt erhält man Punkte und in manchen Stücken ist sogar Pfeifen gefordert. Jeder kann mitmachen – Spass, Wettkampf und Party – darum geht es in Lips. Keiichi Yano, der Entwickler des Spiels, zeigt dem Game Hotel Publikum live, wie’s gemacht wird. Bei «Take on me» von a-ha lässt der karaokeerprobte Japaner seine Konkurrenz ziemlich alt aussehen. Musik ist Kulturgut, «a social thing», das Menschen zusammenbringt, und genau das will Keiichi mit seinem Game: «Music is coming back to the people. You know it much better by singing it. It does not really exist just on a disc», argumentiert er.
Ruu Weerasuriya, in der Schweiz aufgewachsener Spielentwickler mit Wurzeln in Sri Lanka, ist der nächste Star auf der Bühne. Dank ihm gibt es das Action-Adventure «Okami» auch auf Nintendos Wii zu spielen (zuvor nur auf Playstation 2). «Okami» ist ein überaus beeindruckendes und erfrischendes Spiel: In Gestalt eines Wolfes streift man auf epischer Mission durch das alte Japan und schlägt Dämonen und andere Widersacher mit Hilfe von physischen Attacken und Pinselstrichtechniken in die Flucht. Das ganze Spiel ist in einem einzigartigen kalligrafieähnlichen Stil gehalten; dank diesem wirken die Streifzüge durch das Japan der Vergangenheit nicht nur authentisch, sondern sind für den Spieler zudem eine ästhetische Augenweide. Jedoch längst nicht alle japanischen Spiele schaffen es wie «Okami» in die europäischen Wohnzimmer. Storys und Charakter Design aus dem Land der aufgehenden Sonne haben oft einen ganz eigenen Stil und wirken hierzulande etwas befremdend. Viele Spieleperlen, insbesondere RPGs (Role Play Games), erscheinen nur in Japan selbst und in den USA. Richtige Fans (mit viel Zeit und dem nötigen Kleingeld) lassen sich davon aber nicht unterkriegen, sondern bauen entweder ihre Konsole um oder kaufen sie sich nochmals – als US-Version. Wer weder Zeit noch Geld hat, aber trotzdem ein wahrer Fan mit langfristiger Perspektive ist, besucht den Japanisch-Kurs an der HSG. Den kann ich übrigens wärmstens empfehlen.
In der Sektion «Independent Games» stellen junge Spiele-Entwickler, die unabhängig von den grossen Entwicklungsfirmen arbeiten, ihre Werke vor. Von ihnen wird gesagt, dass sie das Potenzial haben, die zukünftigen Stars der Szene zu werden. Der 26 Jahre junge Derek Yu aus den USA stellt sein Game «Aquaria» vor, mit dem er bereits 2007 beim «Independent Games Festival» den ersten Platz belegte. Seit seiner Kindheit wollte Yu ein Abenteuer in einer faszinierenden Unterwasserwelt kreieren. Während er an den Grafiken bastelte, übernahm auf der anderen Seite des Ozeans ein Kollege Programmierung und Kreation des Soundtracks – obwohl die beiden sich nie gesehen hatten. Auf www.bit-blot.com/aquaria/demo.html kann man sich die Demoversion des Spiels herunterladen – vielleicht die willkommene Abwechslung während der nächsten Lernpause?
Ein Kreativitätsfeuerwerk kann man das nennen, was Petri Purho aus Finnland seinem Publikum präsentierte. In «Crayon Physics deluxe» muss der Spieler mittels selbstgezeichneter Konstruktionen wie Katapulten, Gewichten u. a. versuchen, einen Gegenstand möglichst kreativ von A nach B zu bewegen – ein simples Konzept, das einen hohen Suchtfaktor verspricht. Auch die Mini-Games von Purho, die seinen schrägen Humor zur Geltung kommen lassen, sorgen für Begeisterung: In «Pluto strikes back» darf man sich als Ex-Planet mittels Flipper-Tool an den anderen Planeten im Sonnensystem rächen oder in «Barbecue Party in hell» Hello Kitties rösten. Noch viel mehr makabre Spiele auf ansprechendem intellektuellem Niveau gibt es auf http://www.kloonigames.com
Zum Schluss der Game Hotel Show gehört die Bühne wieder den Grossen: Georg Backer, Produzent von den Lionhead Studios, und Chris Hecker, Entwickler bei Electronic Arts, gehören beide grossen kommerziellen Spieleschmieden an und haben ihre Independent-Zeit längst hinter sich. Auf den ersten Blick stellen die beiden zwei recht unterschiedliche Spiele vor: Georg zeigt das brandneue «Fable II», ein Rollenspiel exklusiv für die Xbox 360 (es erübrigt sich zu erwähnen, dass Microsoft der Hauptsponsor des Abends war, oder?), und Chris präsentiert «Spore», eine Simulation für den PC. Die beiden Spiele haben jedoch etwas gemeinsam: eine schier unbegrenzte Zahl an Entscheidungsmöglichkeiten für den Spieler.
In «Fable II» ist es dem Spieler beispielsweise selbst überlassen, wie er seinen Charakter gestaltet und ob er diesen gut oder böse handeln lässt. Das Faszinierende daran: Die Umwelt reagiert darauf. Jeder NPC (computergesteuerter Charakter) entwickelt je nach Verhalten und äusserem Erscheinungsbild des Helden eine andere Meinung über ihn. Es liegt an einem selbst, ob man wahllos Leute abschlachtet (mit der Konsequenz, dass oft relativ schnell die Ordnungshüter auf den Plan gerufen werden und man Bussen fürs Morden bezahlt) oder seinen Mit-«Menschen» mit Freundlichkeit begegnet.
In «Spore» kann man wiederum nach seinen ganz eigenen Vorstellungen eine Kreatur erschaffen. Mit einem leblosen Rumpf fängt alles an, dann dürfen nach Lust und Laune Beine, Krallen, Augen, Hörner und weitere Körperteile in allen möglichen Formen und Farben hinzugebastelt werden – der Kreativität sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Kreatur macht man sich anschliessend auf, die Welt zu erkunden: Erst die Ursuppe, dann stufenweise den eigenen Planeten und zum Schluss die Galaxie.
Nach dem Release im September war «Spore» drei Wochen lang auf Platz 1 der PC-Verkaufscharts, nun, Mitte November, dümpelt es noch auf Platz 13 herum. Was ist mit dem Hype passiert? Zumindest Spieler, die gefordert werden wollen, werden mit «Spore» selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad nur begrenzt Freude haben: Linearer Verlauf, keine Neben-Quests, zu simple Aufgaben. Zum Abschalten nach einem anstrengenden Tag vielleicht genau das Richtige. Das ist genau das, was der «Casual Gamer» von heute will – «Spore» ist Mainstream. Ob gestresster Geschäftsmann, der abends kurz für eine Stunde den PC einschaltet, oder Neueinsteigerin, die den Trend mitmachen will – jeder und jede kann «Spore» spielen.
Gehört die Zukunft also simplen Casual Games mit hoher Kreativität, aber tiefem Schwierigkeitsgrad? Nein, ich denke nicht nur. Einerseits gibt es immer noch eine grosse Fan-Gemeinde für komplexere Spiele, wie viele Strategie- und Rollenspiele es sind, andererseits glaube ich, dass solche Mainstream-Games vielen Menschen den Zugang zu einer neuen Welt erst ermöglichen. Kennen sich diese Neueinsteiger erst einmal ein wenig aus, werde manche auch mehr wollen als einfach nur relaxen. Es gilt wie so häufig: Der Markt wird’s richten – it’s your decision.
Um 18 Uhr geht an der Uni nix mehr, und so kann sich der Austauschstudierende beruhigt auf die bevorstehenden nächtlichen Aktivitäten vorbereiten. Entgegen der standardmässigen Vorbereitung unserer russischen männlichen Mitbürger geht’s frisch geduscht, deodoriert und mehr als ausreichend parfümiert raus aus dem Studentenwohnheim.
Mit einem «black taxi» fahren wir ins Stadtzentrum. Dieses zeichnet sich durch folgende äusserst begrüssenswerte Eigenschaften aus: hohe Verfügbarkeit, 24h mit klarem Angebotsüberhang sowie fehlende staatliche Marktkontrolle, die eine flexible individuelle Preisgestaltung erlaubt. Entgegen der monopolähnlichen Hochpreispolitik in St. Gallen wird hier der Streckenpreis noch in alter Manier durch Verhandlungsgeschick festgelegt. Als Faustregel gilt: nicht mehr als 100 RUR für eine 15-minütige Fahrt zum Nevskij Prospekt. Für umgerechnet unschlagbare 5 CHF sinkt die Risikoaversion ins Bodenlose, wobei unser «Lada» (Russischer Volkswagen) dem Schweizer Strassenverkehrsamt die Tränen in die Augen treiben würde.
Um 19 Uhr nehmen wir das lang ersehnte Abendessen in einem der vielen Restaurants im Zentrum ein. Besonders beliebt unter den jungen Russen ist internationale Kost. Spitzenreiter ist ganz klar Sushi, gefolgt von italienischer Kost und dem Einheitsfutter von McDonalds & Co. Ich bevorzuge die einheimische Küche. Exzellente Suppen wie Borschtsch und Soljanka Moskauer Art sowie feine Blini (russische Pfannkuchen) mit Schinken und Käse oder Kaviar und Pelemeni (russische Tortellini) sind ein echter Gaumenschmaus und wichtiger Energiespender für die bevorstehende Nacht.
Es ist nun 22 Uhr. An der Dumskaya Strasse, dem Ausgangsmekka von St. Petersburg schlechthin, trifft sich nachts alles, was Rang und Namen hat. Im Allgemeinen gibt es zwei Typen von Clubs: die für die Reichen und die für die, die eben (noch) nicht dazu zählen. Der Eintritt in die Ersteren schwankt zwischen umgerechnet 15 und 100 CHF (2’000 RUR sind zirka die Hälfte eines durchschnittlichen lokalen Monatslohns!). Letztere Clubs und Bars sind gratis, deswegen aber keineswegs schlechter zu bewerten. Als Austauschstudierende und somit rare und begehrte Spezies auf dem russischen Partymarkt wollen wir natürlich keinen Eintritt entrichten und schon gar nicht horrende 100 CHF. Für einmal gilt es, sich im Rahmen dieser Strategie mit schlechtestem Russisch klar als Ausländer zu positionieren. «Face control» sei Dank.
Ab 23 Uhr biegen sich in allen Clubs die Balken. Zwei wollen wir uns näher anschauen: Arena, teuerster Club; hier gibt sich die Petersburger Oberschicht ihr Stelldichein. Bemerkenswert elegant gekleidete Damen lassen sich gerne von leicht dekadent anmutenden Russen einladen. Man lasse wie folgt die Kreativität walten: Ein kleines Wasser kostet 250 RUR (13 CHF); wie viel ist da wohl für die verspritzte Champagnerflasche über den Tresen gewandert? Kein Zweifel – nicht unsere Liga. Dennoch geniessen wir die ausgelassene, heisse Atmosphäre und mischen uns gekonnt auffällig unter das Partypublikum. Wir haben uns schnell assimiliert.
Es ist 4 Uhr. Der zweite Club: Fidel, die Legende. Klein, aber oho. Der leicht schmuddelige Undergroundclub besticht durch unschlagbare Partys während sieben Tagen die Woche, durch laute Musik, günstige Getränke und ein durchmischtes Publikum. Der Club ist für Austauschstudenten von existenzieller Bedeutung: Erstens schliesst das Studentenwohnheim unerfreulicherweise seine Pforten von ein bis sechs Uhr morgens – die Security will ja auch mal schlafen –, und zweitens werden während der Nacht die Brücken über der Neva für den Schiffsverkehr geöffnet. Man hat also keine Chance, vor sechs Uhr morgens wieder auf die andere Seite des Flusses ins Studentenwohnheim zu kommen. Wer sich entscheidet, nicht vor ein Uhr den Heimweg anzutreten – was an Wochenenden auf der Hand liegt –, der braucht spätestens nach 4 Uhr, wenn die meisten Clubs dichtmachen, einen warmen Unterschlupf zum Schutz vor dem rauen russischen Klima.
Für alle, die jetzt noch auf die Geschichte vom Vodka warten – hier kommt sie in subjektiver Kurzform: Vodka, zweifelsohne das bekannteste russische Getränk. Viele Geschichten darüber entpuppen sich als Mythen oder gar als falsch. Klar ist, dass die 40%ige legale Partydroge regelmässig konsumiert wird. Egal ob Mann oder Frau, der hier unter dem Namen «50 Gramm» (gut gefülltes 4cl-Glas) zu ordernde Stimmungsmacher ist Bestandteil der lokalen Kultur. Nicht zu leugnen ist, dass der/die eine oder andere den Hals nicht voll genug kriegen kann. Folglich also kaum ein Unterschied zur Schweizer Trinkkultur. Zu erwähnen bleibt, dass die Franzosen unter den Austauschstudis am regelmässigsten Ausfälle erleiden. Es ist 6 Uhr: Zeit, um nach Hause zu gehen. Spätestens jetzt weiss der pflichtbewusste Austauschstudent um die Strapazen der Doppelbelastung durch Studium und Erkundung einer anderen Kultur.
Die Seminarleitung von Uniseminar möchte sich bei allen Teilnehmenden für die unkonkrete Ausformulierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschuldigen und damit Bezug auf den im letzten prisma erschienenen Artikel nehmen. Denn gerade bei Uniseminar werden die Daten der Teilnehmer sehr vertraulich behandelt. Die erhobenen Daten können ausschliesslich zu HR und Beratungszwecken durch unseren exklusiven Partner genutzt werden. Dadurch soll zum einen den Studenten ein besserer Zugang zur Arbeitswelt ermöglicht und zum anderen auf spezielle HR-Veranstaltungen hingewiesen werden. Weiter haben wir von unserem Partner die erfreuliche Rückmeldung erhalten, dass viele der kontaktierten Studierenden grosses Interesse an der kostenlosen Finanzberatung bekundet haben.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist bei uns seit drei Jahren lediglich eine einzige Beschwerde aufgrund einer Unklarheit eingegangen. Dennoch sehen wir es als unsere Pflicht an, in Zukunft über solche Angebote und Partnerschaften transparent zu informieren und den Seminarteilnehmern die Möglichkeit zu geben, über die Verwendung ihrer Daten selbst zu entscheiden. Für weitere Fragen zu diesem Thema stehen wir allen Studierenden natürlich jederzeit unter info@uniseminar.ch zur Verfügung.
Die Seminarleitung von Uniseminar
Die prisma-Redaktion schätzt die Stellungnahme von Uniseminar. In einem offenen Gespräch ist klar geworden, dass sich Uniseminar nie einer Stellungnahme entziehen wollte und dass der Artikelrückzug vom Autor selbst vorgeschlagen wurde. Die Redaktion will nochmals darauf hinweisen, dass sie solche Seminare grundsätzlich als wertvolle und lohnenswerte Ergänzung befürwortet.
Besonders lobenswert an dieser Konferenz ist, dass die Ausarbeitung und Umsetzung konkreter Ideen und nicht lediglich das Reden über mögliche Lösungen im Mittelpunkt stand. Die Workshops wurden von Exponenten der Uni initiiert, welche die Ergebnisse nun in ihrem jeweiligen Bereich umsetzen wollen. Der erste Tag war von verschiedenen «Keynote Speeches» und «Input Statements» geprägt, die alle Teilnehmer auf den gleichen Stand bringen und die Basis für die Workshops am zweiten Tag legen sollten.
Die Keynote-Speeches von Robert Artavia, Rektor von INCAE, und Rich Leimsider, Direktor des Center for Business Education am Aspen Institute, ergaben schon mal guten Denkstoff. Eine erste Einsicht war, dass man sich gut überlegen muss, ob man soziale Verantwortung überhaupt lernen kann. Und falls man es kann, reicht es, nur die Führungskräfte der Zukunft (also uns) dafür zu sensibilisieren? Was nützt es, wenn zwar der kleine Kreis der Bestausgebildeten weiss, dass wir unserer Umwelt schaden, der grosse Rest der Welt sich aber weiterhin wie im Selbstbedienungsladen verhält? Ebenfalls ungeklärt bleibt die Frage, ob man sich aus reinem Altruismus verantwortungsbewusst verhält, oder einfach nur, weil es langfristig auch finanziell lohnenswert sein kann.
Im Laufe der Konferenz stellte sich dann heraus, dass gerade der Grund für sozialverträgliches Verhalten keineswegs klar ist. Normale Studenten der HSG sind meistens der Ansicht, dass ein Verhalten, das von der Öffentlichkeit als richtig angesehen wird, die langfristigen Geschäftsaussichten steigert. Beim World Café kamen dann aber auch Forderungen nach einem Paradigmenwechsel – weg von der Gewinnorientierung, hin zum Wohl der Gesellschaft – auf den Tisch. Gut, dass diese Form von Workshop ein gemütliches Kaffeekränzchen imitiert, sonst hätte es zwischen den geistigen Erben von Jack Welch und Muhammad Yunus womöglich böses Blut gegeben. Zum Glück blieben aber alle konstruktiv und das World Café nahm ein friedliches Ende. Aus den verschiedenen Diskussionsrunden wurden zudem einige gute Ideen präsentiert, wie man soziale Verantwortung fördern könnte.
Abgerundet wurde der erste Tag dann mit einem Vortrag über Leadership von Thomas Zweifel. Abgesehen von einigen guten Witzen und einer ganz neuen Form der Visualisierung (er hat die verschiedenen Aspekte der Führungskompetenz in eine Pyramide gepackt) gab es jedoch nicht viel Neues zu hören. Immerhin wurde den Teilnehmern auch noch sein Buch «Communicate or Die» geschenkt. So können wir jetzt auch zuhause nachlesen, wie wir the «Matterhorn of Masterful Listening™» erklimmen können.
Nachdem Prorektor Thomas Dyllick noch eine Keynote Speech gehalten hatte (vor allem Werbung für die HSG), wurden die Teilnehmer auf verschiedene Workshops aufgeteilt. Wie schon gesagt, sollten die Workshops zur Konkretisierung verschiedener Projekte dienen. Dieser Ansatz zeigt, dass die Organisatoren wirklich einen Prozess an der Uni in Gang setzen wollen. Leider war dann aber der Workshop zur Assessment-Stufe, an dem ich teilnahm, nicht gerade produktiv. Stundenlanges Brainstorming brachte uns auf zwei mögliche Themen für eine Startwoche (von denen eines unbrauchbar war). Zwar lässt sich die generierte Idee umsetzen, allerdings genügt es nicht, soziale Verantwortung in eine Startwoche zu integrieren, um einen breiten Effekt auf die Studenten zu haben. Dazu müsste man vermutlich bei den Kernfächern ansetzen und über mehrere Jahre daran arbeiten.
Bei der Präsentation der Workshops am Nachmittag zeigte sich dann ein durchzogenes Bild. Viele der Ideen werden wohl nicht sehr lange weiterverfolgt werden. Man kann aber hoffen, dass sich manche zu guten Projekten entwickeln. Besonders aussichtsreich scheint die Initiative von Marcel Feurer, selber Student, der einen Kurs in «Non-Profit Management» initiieren möchte. Bleibt nur zu hoffen, dass er nicht über die administrativen Hürden der Universität stolpert. Alle Workshops haben ein Ziel formuliert, das in hundert Tagen zu erreichen ist. Für Interessierte empfiehlt es sich also, sich nach den Prüfungen mal umzuhören, ob sich was getan hat.
Nur ein Magenknurren von der Uni entfernt, an der Gatterstrasse 10, habe ich unlängst ein kleines Paradies entdeckt: Nicht nur mein Bauch freut sich über die Köstlichkeiten aus dem Restaurant Tiebreak, sondern auch mein Portemonnaie: Für 12 Franken kann ich hier mittags so viel essen, bis meine Waage streikt.
Wie die Sache funktioniert? Ganz einfach: Beim Betreten des Restaurants zahlt der hungrige Gast die erwähnten 12 Stutz und sucht sich einen Platz. Am Buffet reihen sich dann frisches Gemüse, Salatvariationen, Suppe und zwei leckere Hauptmenus – eines mit Fleisch, eines vegetarisch. Zu gut, um wahr zu sein? Aber die Getränke, die bezahlt man extra, oder? Falsch, die stehen bereits auf dem Tisch; fertig zum Selber-Einschenken. – Aber dann ist vielleicht die Qualität nicht so das Wahre? Nein, auch da gibt es keinen Haken – das Essen ist schlicht ein Genuss, der Abräum-Service 1A und die Speisekarte sehr abwechslungsreich: Trutengeschnetzeltes mit Pilzen und Feigen, Tiroler Spätzlipfanne oder Gemüserisotto mit Waldpilzen sind nur einige Beispiele auf der täglich variierenden Speisekarte.
Das Tiebreak hat sich schnell vom Geheimtipp zur echten Mensa-Alternative gemausert: Kaum hat das Restaurant Anfang November seine Tore geöffnet, strömen die HSGler in grosser Zahl herbei; häufig mehr, als es im Tiebreak Stühle gibt, sprich 72. Martin Enz, einer der Chefs des Restaurants, erzählt mir, dass in der Rushhour zwischen 12.20 und 12.30 Uhr auch schon 150 Studenten aufs Mal kamen, die natürlich nicht alle einen Platz fanden. Er empfiehlt den Gästen daher, zwischen 11.30 – 12.15 Uhr oder 13.15 – 14.00 Uhr vorbeizukommen, denn zu diesen Zeiten ist das gemütliche Lokal quasi leer. Geöffnet ist das Tiebreak jeden Werktag von 10 – 14 Uhr sowie abends von 17.30 – 23 Uhr (Samstag bis 24 Uhr). Weitere Infos (inkl. Speisekarte): www.tiebreak.ch
Welcher Student kennt sie nicht, diese langen Nachmittage, an denen man glaubt, die Zeit schreite absichtlich mit unverschämter Langsamkeit voran. An der HSG ist an solchen Tagen der Gang aus den tiefen Katakomben des Lehrprovisoriums in der Turnhalle hinauf zur Cafeteria geradezu ein Segen. Ein starker Kaffee führt bekanntlich zu neuem Leben.
Doch auf dem Weg dorthin wird mancher von einem kleinen unscheinbaren Raum in den Bann gezogen. Es ist der mysteriöse «Massageraum». Man weiss nicht viel über ihn. Man kennt nur seinen Namen, seinen Eingang und den nicht gerade dezenten Hinweis in grellem Gelb, dass man doch bitte nicht gestört werden möchte. Mehr weiss man nicht.
Und so kommen Spekulationen auf. Ein Massageraum an der HSG? Wessen Privileg ist es, sich an anstrengenden Tagen auf geheimnisvolle Art von zarten und doch kräftigen Händen einer Masseurin durchkneten zu lassen? Gönnen sich etwa ausgewählte Professoren die kleine Wohltat, um danach wieder frisch und munter den Untergang des Finanzmarktes zu beklagen? Oder ist die wöchentliche Massage das lange geheim gehaltene Erfolgsrezept der Verbindungsjungs, mit deren Hilfe sie es immer wieder schaffen, bei öffentlichen Auftritten in ihren Anzügen stramm und schmuck, mit durchgestreckten Rücken, gerade zu stehen? Das wäre zumindest vorstellbar.
Aber befriedigend ist es nicht. Denn seien wir mal ehrlich: Eigentlich denkt doch jeder zuerst an das eine. Das Wort «Massageraum» klingt einfach zu verdächtig, um wirklich ein «Massageraum» zu sein. Da geht es den meisten so ähnlich wie beim Wort «Saunaclub». Man kann doch das Anrüchige geradezu mit den Händen fassen! Und dann das Schild vor der Tür: «Bitte nicht stören!» Soll man denn noch deutlicher werden? Die Fantasie der meist männlichen Studenten kennt deshalb keine Grenzen, wenn man sich das Bild hinter der grauen Türenfront vor Augen führt: ein duftender Raum, eingerichtet in sinnlich roten Tönen, entspannende Musik – und dazu natürlich das gewisse Extra …
Ein Amüsierbetrieb an der HSG? An solch anständiger Stätte? Man mag es kaum glauben. Doch es bleibt die Vermutung. Schliesslich hat sich noch keiner zu seiner Existenz bekannt. Nur einmal, da sah man jemanden aus dem mysteriösen Raum herauskommen. Sein Gesichtsausdruck: ein spitzbübisches Grinsen …
Das Treffen mit dem geheimnisvollen Namen «Flagship Event» findet im Autohaus Zürich Nord in Oerlikon statt. Es ist aber weit und breit kein Schiff zu sehen, stattdessen stehen da jedoch viele glänzende Autos. Das Ganze sieht nicht wirklich nach Geheimgesellschaft aus. Die Alumni (wird anscheinend «Eilömnai» ausgesprochen), welche wir hier antreffen, sind ehemalige HSGler aller Altersklassen, welche sich darauf freuen, endlich wieder mal Freunde und Weggefährten von früher zu treffen und mit ihnen zu plaudern. Mit einer gewissen Genugtuung stellen wir fest, dass frühere HSGler-Generationen anscheinend mit noch weniger weiblichen Kommilitonen auskommen mussten. Auf der Bühne sind bequeme Sessel für die spätere Diskussion aufgestellt. Der Saal ist in ein Dämmerlicht getaucht, so dass man sich fast schon wie in einem Jazzclub fühlt. Die grosse Glasfront des Autohauses trägt zusätzlich zu einer stilvollen Atmosphäre bei. Der Beginn der Diskussion wird jedoch ganz und gar nicht nachtclub-mässig durch ein, nun ja, sehr «peppiges» Jingle angekündigt.
«Die Macht der Medien» war das Thema der Veranstaltung. An der Diskussion nahmen teil: André Dosé, ehemaliger CEO der Swiss, Reto Brennwald, Arena-Moderator, und Thomas Borer-Fielding, ehemaliger (Sonder-)Botschafter der Schweiz in Berlin. Mit einem kurzen Auftritt brillierte Roger Köppel, Verleger der Weltwoche.
Selbstbewusst und nicht ohne die üblichen Spitzen gegen alles Staatliche, die EU und den Sozialismus führte Herr Köppel in das Thema ein. Aus seiner Sicht hat eine Demokratie nichts mit Vertrauen zu tun, sondern ist nur instrumentalisiertes Misstrauen. Kontrapunkte scheint er selbst «sans crise» instrumentalisiert zu haben. Er kritisierte die starke Konformität in der Schweizer Medienlandschaft, welche ohne den nötigen journalistischen Abstand Obama zujubelte. Man hätte sich auch viele Probleme erspart, wenn man früher nicht nur das Austreten bekannter Investmentbanker aus der UBS bedauert, sondern auch die möglichen Hintergründe beleuchtet hätte. In diesem Kontext gestand er Schwächen in der eigenen Berichterstattung ein, relativierte dabei deren Konsequenzen, da die Macht der Medien überschätzt wird. Die EU-Referenden seien trotz Medienunisono zur Alternativlosigkeit eines EU-Beitritts «erfolgreich abgewehrt» worden. Vielleicht rechtfertigt er mit seiner suggerierten Machtlosigkeit die später folgendermassen durch den Arena-Moderator in Frage gestellte Seriosität seiner Publikation: «Ich lese jedes Mal so viele Dinge in der Weltwoche, die nicht der Wahrheit entsprechen.» Köppel entschuldigte sich und verliess dann das Rampenlicht, bevor die anderen Diskutanten das Podium bestiegen.
Bei den Vorstellungen von Dosé und Brennwald fiel oft das Wort «bescheiden», nur bei Borer-Fielding hielt sich der Moderator zurück. Herr Borer-Fielding war Botschafter in Berlin. Er ist weniger durch seine schöne Frau und grössere Partys bekannt, die ihm eine medienwirksame Verteidigung des Schweizer Bankgeheimnisses ermöglichten, als vielmehr durch einen vom «Blick» erfundenen Skandal, der ihn schlussendlich seinen Job kostete. Daher war es nicht verwunderlich, dass er die «Boulevardisierung» der Medien anprangerte, da sie über sein Privatleben schrieben. Durch den Arena-Moderator wurde Borer-Fielding darauf hingewiesen, dass es erst durch eine ungeschickte Äusserung einer seiner Vorgesetzten in Bern möglich wurde, sein Privatleben zum Politikum zu machen. Auf die Frage, was Herr Borer-Fielding nach seinen Erfahrungen rate, sprach dieser von einer stark verbreiteten Mediengeilheit der Menschen. Er selbst könne daher nur zur Bewahrung eines Low-Profils raten; dies liess einige Zuhörer schmunzeln.
Nach der Podiumsdiskussion geht es zum gemütlichen Teil des Abends. Die Alumni werden von Fackelträgern zur benachbarten Automesse geleitet. Allmählich vermischen sich die Ex-HSGler mit den übrigen Besuchern der Messe, womit wir den Alumni-Aspekt des Abends leider aus den Augen verlieren – dafür gewinnen nun Messebesucherinnen unsere Blicke: Im Salon gibt es für HSG-Begriffe aussergewöhnlich viele Frauen (und nicht alle sind hier angestellt, sondern manche auch mit ihrem Vater da). All die Jahre verfluchend, in denen wir die Einladungen von Familie und Kollegen zu Automessen ausgeschlagen haben, machen wir uns auf einen ausgiebigen Rundgang. Im obersten Stockwerk finden wir auch noch die letzte Zutat für einen verheissungsvollen Abend: einen «Töggeli»-Kasten. Und damit nicht genug: Kaum haben wir ein paar Runden gespielt, werden wir von zwei attraktiven jungen Damen gefunden, die mitspielen möchten. Erst im Gespräch merken wir, dass die beiden auch an der HSG studieren und am Alumni-Event teilgenommen haben. Dies zeigt uns: Es ist nie zu früh, Alumnus oder Alumna zu werden.
Ach ja, Autos gab es an der Messe auch noch.
Unsere Bewertung: drei von fünf Flaggschiffen für den Eilömnai-Event.
An manchen der fünf langen Tische geht es heiss her: Mit Inbrunst wettert der Vertreter von Bangla-desh gegen den Vorschlag seines EU-Kollegen, wie künftig der Vertrieb genmanipulierten Saatguts zu regeln sei.
Einiges erschliesst sich dem unbeteiligten Beobachter nicht sofort. Offenbar wird an jeder der fünf Tafeln unter Beachtung einer strengen Verfahrensordnung ein weltpolitisch relevantes, die Wirtschaft und spezifisch den Handel betreffendes Problem diskutiert. Aber warum ist betreffender bengalischer Repräsentant blond? Und wieso erscheinen die Gesichter hier im Raum insgesamt sehr jugendlich?
Aber kann man WTO wirklich spielen? Die Lernpsychologen klassifizieren Spiele in sechs Katego-rien, in die sich die Modell-WTO sogar mehrfach einordnen lässt. Mag sein, dass der Spass an der Bewegung eher im Hintergrund steht, und auch der Konstruktionsaspekt kommt (im Gegensatz zu Lego) eher zu kurz, während der abgedroschene Begriff «Lernspiel» voll zutrifft. Weiter werden wie bei Mutter-Vater-Kind zugegebenermassen etwas differenziertere Rollen angenommen und illusorisch – «als ob wir Diplomaten seien» – die echten WTO-Regeln eingehalten.
Von einer solchen theoretischen Konzeption des Spielens ist der wortspielerische Weg zur Spieltheo-rie nicht weit. Sie hat für Verhandlungen ungefähr die Funktion, welche die Wahrscheinlichkeitsrech-nung für das Glücksspiel innehat, auch wenn «Spieltheorie» vielfach eher dunkle Erinnerungen an Tabellen, Bäume und Variablen hervorruft, als dass sie gewinnbringend praktisch eingesetzt werden könnte.
Zu einem spannenden Spiel gehört neben ein bisschen Zufall und Glück auch die Option, eine Strate-gie zu entwickeln, zu verfolgen oder sogar zu verschleiern. Interessant ist auch, den heimlichen Plan der Gegenspieler aufzudecken. Bei der WTO-Simulation können also Spieltheoretiker und strategische Manager einmal die Praxistauglichkeit ihrer Studieninhalte zur Disposition stellen. Anwaltsanwärtern und den Generalisten aus dem IA-Lager bietet sich die Möglichkeit, realistisch, aber doch ohne Risiko einen Gegenstand aus allen Perspektiven zu beleuchten, zu diskutieren und schliesslich einen Konsens oder Kompromiss herauszuarbeiten.
Erfahrungen und Eindrücke eines TeilnehmersTobias Stickelberger hat letztes Jahr an der Modell-WTO teilgenommen und teilt hier seine Erfahrungen und Eindrücke mit.
Wie kam es dazu, dass du an der Simulation einer international anerkannten Konferenz teilgenommen hast? Warum gerade die Modell-WTO?
Mich als International Affairs Studenten interessieren die internationalen Organisationen, Diplomatie und die Weltwirtschaft naturgemäss. Als ich letzten Frühling das Plakat an der Uni sah, bewarb ich mich spontan. Im Gegensatz etwa zur Modell-UNO sind auch nicht gute Schulnoten gefragt, sondern ein schlauer Essay und Englischkenntnisse. Für HSG-Studenten empfehle ich, den WTO-Kurs im ersten Quartal 09 zu belegen, der gibt Credits, man ist automatisch als Gruppenleiter an der Konferenz dabei und man wird gründlich vorbereitet.Was hat dir am besten gefallen?
In guter Erinnerung ist mir das echte Konferenzfeeling: Man schläft im Hotel, wird verpflegt, verhandelt formell und informell, schreitet im Anzug durch das WTO-Gebäude in Genf.Was hat es dir für dein weiteres privates und berufliches Leben gebracht?
Bleibende Kontakte. Wo sonst kommt man so leicht an Kontakte nach Kasachstan, Südafrika oder Harvard? Die internationalen Erfahrungen, die ja vielerorts gefragt sind, lassen sich ganz gut diversifizieren. Auch ein Lerneffekt war da, schliesslich beschäftigt man sich fünf Tage lang intensiv mit demselben Thema.Wie beurteilst du die Echtheit der Situation? Denkst du, die Modell-WTO hat dich gut für eine spätere richtige Konferenz vorbereitet?
Durch die Reden, die WTO- und andere Wirtschaftsexperten halten, bekommt man zumindest eine Ahnung, ob man eine Karriere als WTO-Diplomat im Auge behalten soll. Das Ambiente ist, glaube ich, authentisch, das Niveau allerdings nicht zu vergleichen mit den richtigen Verhandlungen. So mussten sich die hohen Tiere in der WTO teilweise das Schmunzeln verkneifen, als wir mit ihnen unsere Ergebnisse der Woche besprachen.Ist die Modell-WTO denn auch für Assessis geeignet?
Sie ist grundsätzlich für alle Stufen geeignet, wenn man entsprechende Interessen hat. Ich war ja selbst ein Assessi und brachte zwar Allgemeinwissen, aber sehr wenig Fachwissen mit. Ich konnte in den Debatten mit den meisten mithalten. Man sollte im Frühling eine Woche Uni entbehren können, aber das ist an der HSG selten ein Problem.
Die ZS gibt es schon 85 Jahre; 1923 wurde sie unter dem damaligen Namen «Zürcher Student» gegründet. In den 30er-Jahren war die ZS stark nationalistisch geprägt, die Inhalte kamen gemäss eigener Angabe der Propaganda des Dritten Reiches nahe. In den 60er-Jahren war dann die Zeitung plötzlich politisch ganz links und wurde sogar in «Zürcher Studentin» umbenannt.
Andres Eberhard, Redaktionsleiter der ZS, erzählt leidenschaftlich von der bewegten Vergangenheit der ZS. Wir sitzen im Redaktionsbüro. Es befindet sich in einem schmucken dreistöckigen Haus, das sowohl in der Höhe als auch in der Breite von einem extrem grossen Baum überragt und von einem grossen Garten umgeben wird. Die Redaktion besteht aus zwei miteinander verbundenen Räumen. In beiden Räumen stehen wild verteilt Computer, ein paar Flachbildschirme, ein paar Laptops und ein paar alte sperrige Bildschirme. Auffällig sind die blauen Fauteuils und Sofaelemente. Und die vielen Fenster, durch die die Sonne ins Rauminnere dringt. Die Tische sind übersät mit Büchern, Zeitschriften, CDs und sogar Kleidern. Der Boden ebenfalls: alte Computerbildschirme, kaputte Jalousien, Altpapierstapel. Alles in allem ein bisschen unordentlich, ja sogar chaotisch – doch man spürt die Kreativität, die diese Räume erfüllt. Ein absolutes Traumbüro für jeden Studentenverein. Steven, der Geschäftsleiter, haut lässig im weissen ärmellosen T-Shirt in die Tasten.
Andres erzählt weiter und berichtet, dass sich die Zeitung nach dem starken Linkskurs irgendwann nicht mehr für Politik interessierte und wegen eines Inseraterückgangs aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage anfangs 2004 aus finanziellen Gründen sogar kurz vor dem Ende stand. Die Zeitung überlebte jedoch und wurde dann im Jahre 2005 in «ZS» umbenannt. Ein unglaubliches Detail verrät mir Andres mit einem Schmunzeln, denn er hat dies noch selbst miterlebt: Bis zum Namenswechsel im Jahre 2005 wurden alle Personenbezeichnungen gemäss der alten – politisch linken – Handhabung ganz im Einklang mit dem Namen «Zürcher Studentin» in der weiblichen Form geschrieben. Diese Praxis ging also sogar über die üblichen Forderungen der feministischen Linguistik nach Splittingformen oder der Verwendung geschlechtsneutraler Ersatzwörter hinaus. Das war sicherlich einmalig in der Schweizer Publikationslandschaft.
Die bewegte Geschichte der ZS wurde auch geprägt von jungen Schreibern, die später prominent wurden. So stammt z. B. das Zitat von Kurt Tucholsky «Wer die Enge seiner Heimat ermessen will, reise. Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte» aus dem «Zürcher Student» vom Mai 1926. Max Frischs erster wichtiger Prosatext «Was bin ich?», verfasst nach dem unerwarteten Tod seines Vaters, ist ebenfalls erstmals im «Zürcher Student» erschienen, nämlich in der April-Ausgabe 1932.
Was wird wohl in 80 Jahren über die heutigen Redaktionsmitglieder zu erzählen sein? Die Crew der heutigen ZS besteht aus einer zehnköpfigen Redaktion – davon drei Redaktionsleitern –, freien Autoren sowie einer Person, die sich um Marketing und Administration kümmert. Weiter wirken Fotografen, Layouter und eine Lektorin an der Entstehung der Hefte mit. Den grössten Anteil der Mitarbeiter machen Phil-I-Studierende aus. Auch Biologie und Jus sind vertreten. Die ZS wird vom so genannten Medienverein herausgegeben und erscheint sechsmal jährlich. Zwischenzeitlich gab der Medienverein noch eine andere Zeitschrift heraus, heute nur noch die ZS. Die ZS ist vollumfänglich werbefinanziert und unabhängig, es gibt keine Subventionen von der Universität. Den Redaktoren werden Löhne ausbezahlt, die durch die Werbeeinnahmen finanziert werden können – das sind einige hundert Franken pro Ausgabe. Die Auflage ist beachtlich: 35’000 Exemplare. Die ZS wird sowohl verschickt als auch aufgelegt. Zudem gibt es einen kostenpflichtigen Abo-Service für Alumni. Inhaltlich ist die ZS weniger politisch als früher, jedoch immer noch kritisch und provokativ. Die goldene Regel in der Redaktion lautet: «Ins Heft kommt nichts Langweiliges – ansonsten drucken wir lieber den Arsch des Produktionschefs.»
Nacheinander treffen immer mehr Studierende in der Redaktion ein. Heute Abend ist Redaktionssitzung. Nur wenige merken, dass ich bei der ZS bloss zu Gast bin. Etwa die Hälfte der Ankömmlinge sind nämlich Neulinge, die auch Andres noch nicht kennt. Kurz vor dem Aufbrechen will ich dann doch noch etwas über ihn – den Redaktionsleiter – erfahren. Andres erzählt, dass er neben dem Studium in Publizistik, Wirtschaft und Informatik noch einen 40%-Job als Sportredaktor für eine Regionalzeitung hat. Er arbeitet bereits seit vier Jahren bei der ZS mit und kann sich gut vorstellen, später im Journalismus zu landen, vorzugsweise bei einem Magazin, was aber im Vergleich zur Zeitungsbranche noch umkämpfter ist. Schreiben ist für ihn ein Hobby, als Ausgleich dazu betreibt er Sport, v. a. Unihockey und Fitness. Was für ihn die journalistische Arbeit so besonders macht, ist die Tatsache, dass man als Team eng zusammenarbeiten muss und am Schluss «ein Produkt in den Händen hält».
Alle warten. Nun muss ich langsam einen Abgang machen. Kaum bin ich aufgestanden, werden Feldschlösschen-Dosen in die Tischmitte gestellt. Schnell sind alle Stühle besetzt und eine lebhafte Diskussion startet. Beim Hinausgehen spüre ich erneut die studentische und kreative Atmosphäre, die an diesem Ort vorzuherrschen scheint.
Franco Buehlmann
Die ZS ist originell: unübliches 210×280 Tabloid-Format, Zeitungspapier, kritisch, polarisierend. Die ZS ist provokativer als die durchschnittliche Studentenzeitung, sowohl was Gestaltung, Inhalt als auch den Schreibstil angeht. Die bewegte Geschichte der ZS trägt das ihrige zum Kult-Image der ZS bei. Die Artikel sind authentisch, die Titel provokativ – kurz gesagt: Man merkt, dass der Arsch des Produktionschefs wohl keine Augenweide ist.
Als Leseprobe publizieren wir in dieser Ausgabe des prisma den Artikel «Dem Studium adieu sagen» aus der Oktober-Ausgabe der ZS. Wer mehr ZS lesen möchte, findet alle Ausgaben seit Januar 2006 als PDF auf www.zs-online.ch/zuercher-studierendenzeitung/