Wir besuchen Monika Kritzmöller vormittags in einem Jugendstil-Haus in der Nähe des Stadtparks. Sie liebt ihre Wohnung: Der Fussboden im Eingangsbereich besteht aus schwarzem Terrazzo mit weissen Rauten, ihr Wohnzimmer hinter einer Samttür gleicht einem zeitgemässen Salon. Von dort hat man einen wunderbaren Ausblick auf den gegenüberliegenden Hügel mit der Universität und leider auch auf das sperrige Kantonsspital: «Das sieht man zum Glück nicht mehr, sobald die Bäume wieder Laub tragen.» Mitten in der Stube steht ein Druckstock, den sie gelegentlich auch selbst zum Einsatz bringt: Sie zeigt uns eine Radierung mit Gänsemotiv, welche sie als Weihnachtskarte gedruckt und verschickt hat. Es ist der erste von verschiedenen Gegenständen, mit denen sie uns ihre stilvolle und schöne Alltags Welt näherbringt.
Ihr Leben ist stark von ihrer Leidenschaft für stilistische Formen und Eitelkeiten geprägt, und schnell stellt sich heraus, dass es unmöglich ist, die Modekennerin und Stilbegeisterte getrennt nach Beruf und Privatleben zu befragen: Seit fünfzehn Jahren steht Frau Kritzmöller in Kontakt mit der HSG, wo sie auch habilitierte. Daneben ist sie freiberuflich in der Unternehmenspraxis tätig. Ihr Zuhause beschreibt sie lachend als ein Beratungsinstitut und eine «One-Woman-Show»: Sie berät Unternehmen in Positionierung und Aussenauftritt, entwirft Kommunikationskonzepte und begleitet deren Umsetzung. Daneben arbeitet sie an verschiedenen Projekten mit der Zürcher Hochschule der Künste oder wird bei Anlässen in der Textilbranche engagiert. Forschung betreibt sie auch in Kooperation mit der Privatwirtschaft, bald wird sie sich mit der Soziologie der Haptik genauer beschäftigen.
Mit ihrer Publikation «Lock-Stoffe – St. Gallen als Textil- und Jugendstil-Stadt» aus dem letzten Jahr präsentiert sie uns ein persönliches Steckenpferd und gibt uns mit viel Begeisterung eine Einführung in das ABC von Stickerei und Spitze. Das erfolgreiche Buch zeigt Stoffe aus St. Gallen von der Jahrhundertwende im Jugendstil bis hin zu heutigen bedruckten und gestickten Experimentalstoffen. Das Projekt war auch ein Beitrag an die Kulturlandschaft St. Gallens, die eine Erinnerung an den Ursprung des Wohlstands dieser Stadt zu Gunsten der Zukunft des Textilmuseums dringend nötig hat.
In der Ausübung ihrer Tätigkeit ist sie sehr frei, geregelte Arbeitszeiten wären auch nichts für sie. Sie betont, dass ihr Leben ohnehin nicht klar in Beruf, Interessen und Freizeit abgegrenzt werden könne: So erzählt sie von ihrer Eröffnungsrede zur Dessous-Ausstellung «Secrets» im Textilmuseum, wonach sie am Ende des Abends diverse Einladungen für Firmenbesichtigungen erhielt. «Ist es Arbeit, wenn mir ein Textilunternehmen gezeigt und erklärt wird, ich in der Designabteilung stöbern darf und Bereiche sehe, wo eine Privatperson nie reindarf?», fragt sie mit glänzenden Augen.
Wir möchten wissen, wie Frau Kritzmöller zu ihrem in Augsburg absolvierten Wirtschaftsstudium gekommen ist – und sich schliesslich wieder davon entfernt hat. Neben ihrem regen Interesse für Mode und Architektur war sie seit jeher auch «fasziniert vom ‚Gezocke’ auf dem Aktienmarkt», in dem es Ende der 80er-Jahre fast nur nach oben ging. Nach eineinhalb Tagen Spekulation hatte sie auf diese Weise ihren Führerschein finanziert – obwohl sie uns versichert, dass das auch mit ein paar Zufallstreffern zusammenhing. Sie hatte somit schon seit jeher zwei Stossrichtungen, von denen die eine sie brennend interessierte und die andere ein Garant gegen Brotlosigkeit war. Rückblickend beschreibt sie sich als zu feige für das Studium in Modedesign und landete so bei den Wirtschaftswissenschaften. Aber ihre Meinung darüber bleibt vehement: «Ich fand das Studium so schrecklich!» Ökonomische Psychologie war das einzige Fach, das ihr wirklich gefiel. Hier stellte sie fest, dass es ihr Interesse für die irrationale Alltags- und Objektkultur tatsächlich als Forschungsfeld gibt. So fokussierte sie sich auf diesen Teil ihres Studiums, schrieb ihre Diplomarbeit über Edelsteine und promovierte in der Wirtschaftspsychologie über Wohnungsstile als Reflexionen ihrer Bewohner.
Zunächst fand sie kein Stellenprofil, das zu ihrer fachlichen Richtung passte. Dann wurde sie in St. Gallen bei Peter Gross fündig, der sie massgeblich in ihrer Forschungsarbeit unterstützte. Seit 2004 ist sie an der Uni als Privatdozentin tätig und unterrichtet Soziologie. Vor einem Jahr verlegte sie schliesslich auch ihren Lebensmittelpunkt nach St. Gallen. Etwas Anderes als das Ausleben ihres Stils kam für sie auch als Studentin nie in Frage: In Augsburg bewohnte sie in einem «50er-Jahre-Häusle» die Hälfte des Dachstocks. «Ich habe es möbliert mit dem, was halt so da war. Aber so, dass es farblich durchgestylt war: Ein cremefarbiger Teppichboden, weiss-graue Möbel, dunkle brombeerrote Samtvorhänge an den Fenstern sowie ein schwarzer, geschnitzter Holzstuhl. Ich achtete auch darauf, dass ich immer irgendwelche dunkelroten Blumen hatte.» Das Argument, eine stilistisch abgestimmte Wohnung scheitere bei den meisten Studenten am Geld, überzeugt sie nicht: «Bei den meisten Menschen, die ich während meiner Dissertation gefragt habe, würde die Wohnung im Prinzip genau gleich aussehen, wenn sie mehr Geld hätten. Nur eben zehnmal teurer.»
Wir bitten Frau Kritzmöller um eine Stellungnahme zur Behauptung, man werde häufig nur aufs Äussere reduziert. Ihrer Ansicht nach ist dies so gar nicht möglich: Denn auch wer keinen Wert auf sein Erscheinungsbild läge, treffe genau damit auch eine Entscheidung und «sieht dann trotzdem irgendwie aus». Vergnügt erzählt sie von einer Zugfahrt, auf welcher ihr ein junger Mann im Anzug und mit Wirtschaftsmagazin in der Hand gegenübersass. Aus dem Gespräch mit ihm ergab sich, dass er unterwegs zu einem Vorstellungsgespräch war. Es sei absolut offensichtlich gewesen, dass er den Anzug sonst niemals angezogen hätte und «in dieser Rolle noch nicht verhaftet ist». Stilratgeber sollten ihrer Ansicht nach eher als Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Äusseren, nicht als Identitätsoption verstanden werden. Wesentlich sei, dass man solche Schritte ganz bewusst mache und nicht zum Mitläufer werde: «Wenn ich den Firmendresscode befolge, aber mich in den Klamotten nicht wohl fühle, fühle ich mich auch im Unternehmen nicht wohl. Dann ist es doch besser, die disqualifizieren mich gleich wegen meines Outfits. So bleibt mir auch der Rest erspart.» Ihren wissenschaftlichen Blick auf Mode und Äusserlichkeiten setzt sie auch im Privaten praktisch um: So entwirft sie ihre Kleider selbst und lässt sie nach ihrer Stoffauswahl im Couture-Lehratelier in St. Gallen schneidern.
Zum Schluss fragten wir Frau Kritzmöller, ob sie nicht auch einen Tipp für uns Studenten habe: «Vergesst das CV-Planning! Macht das, was euch interessiert, wo euer Herz dahintersteht und was euch Freude macht! Wenn man das mit Herzblut und Leidenschaft macht, hat man dabei auch Erfolg.» Sie selbst ist wohl das beste Beispiel dafür.
Zur Person
Geboren am 15.08.1968 in Kempten (Allgäu)
Hobbys: Mode, Architektur, Alltagskultur
Lieblingsfilm: Metropolis, Filme von Jacques Tati
Lieblingsmusik: Barockopern und «Je te veux» von Erik Satie
Lieblingsessen: Klares Tomatengelee ihrer Mutter
Die Anmeldefrist für den Mastereintritt im Herbst steht kurz bevor. Praktisch ein ganzer BWL-Jahrgang wird sich in diesen Tagen entscheiden müssen, in welcher Richtung es auf der Masterstufe weitergehen soll. Doch welche Optionen stehen überhaupt zur Wahl? Da sind auf der einen Seite die mathematiklastigen Programme wie Banking & Finance und Accounting & Finance, auf der anderen Seite der Marketingmaster für die «Kreativen» und nicht zuletzt der IMT-Master für die «Techies», die in der Vorlesung mit iPad und iPhone jonglieren und ihre Gruppendiskussionen über Twitter abwickeln.
Natürlich ist das ein wenig übertrieben – doch was, wenn man tatsächlich in keine dieser Kategorien passt? Was, wenn man sein Talent effektiv darin sieht, gut planen, organisieren und delegieren zu können, die Dinge am liebsten gesamthaft betrachtet und man auch keine bestimmte Branche anstrebt? Wenn man zwar schon ein bisschen kreativ ist, aber durchaus auch gerne mal etwas analytisch angeht, Technologie zwar kein Fremdwort ist, man sich aber nicht immer gleich als Erster für die neuesten Entwicklungen begeistert?
Es gibt zwar den SIM-Master, doch dafür sind die Zulassungsbedingungen ziemlich hoch, wie es prisma im letzten Heft vorgerechnet hat. Kritische Stimmen behaupten, diese Zulassungsbeschränkungen zu den Masterprogrammen zielten nur darauf ab, die HSG in den internationalen Rankings besserzustellen. Und tatsächlich wurde der SIM letztes Jahr von der Financial Times zum weltweit viertbesten Masterprogramm in Management gekürt – eine Auszeichnung für die Anstrengungen der HSG in der Managementforschung und -lehre, wie es die Verantwortlichen formulieren. Doch warum dürfen nicht alle Bachelor-absolventen von diesen Anstrengungen profitieren?
Ab kommendem Herbst hätte der Master in Organisation und Kultur für die oben beschriebenen Allrounder-Talente eine wertvolle Alternative darstellen können. Doch auch dieser steht nur jenen offen, die mindestens einen Schnitt von 5.0 aus dem Bachelor mitbringen und noch weitere Aufnahmekriterien erfüllen. Können diese Programme nur dann genügend Gewicht im CV eines HSG-Absolventen erzielen, wenn sie diese Exklusivität wahren? Ganz falsch ist dieser Verdacht wohl nicht, denn eine nicht repräsentative Umfrage unter Unternehmensvertretern an der HSG Talents Conference macht deutlich, dass besonders die Spezialisten gefragt sind, nicht die Allrounder.
Nichtsdestotrotz hat die Universitätsleitung offenbar verstanden, dass ein gewisses Bedürfnis nach einem offenen Masterprogramm in Unternehmensführung besteht. Aus diesem Grund wird zurzeit unter der Federführung der School of Management (SoM) ein entsprechendes Programm erarbeitet. Wenn alles optimal verläuft, können bereits ab dem Herbstsemester 2012 erste Bachelorabsolventen von diesem neuen Angebot profitieren.
Responsible Corporate Competitiveness», kurz RoCC genannt, ist ein Profilbereich der School of Management, bei welchem die Herausforderungen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung und -strategie im Fokus stehen. Unter akademischer Leitung von Professor Christoph Lechner beteiligen sich bereits 30 Professoren und Wissenschaftler an diesem Profilbereich. Einer von ihnen ist Markus Kreutzer, Assistenzprofessor für strategisches Management an der HSG. Er ist für die Konzeption, Planung und Koordinierung der so genannten «RoCC Management Insights» verantwortlich.
Was verstehen Sie unter «Responsible Corporate Competitiveness»?
Die Idee des Profilbereichs ist es, lehrstuhl- und institutsübergreifend laufende Projekte zu bündeln, die interne Zusammenarbeit zu fördern und ganz neue Projekte zu lancieren, die keinen limitierten Blickwinkel aus einer Strategieperspektive vorweisen. Im Profilbereich RoCC steht die Frage im Vordergrund, wie Konzernführungskräfte verschiedenste Ansprüche von Investoren, Kunden, Wettbewerbern und der Gesellschaft balancieren und ausgleichen, um Mehrwert zu generieren, der über einzelne Geschäftseinheiten hinausgeht. Das heisst wir stellen uns die Frage: Wie können Konzerne verantwortungsvoll gesteuert und koordiniert werden?
Die Idee kam dadurch auf, dass wir von unterschiedlichen Seiten darauf hingewiesen wurden, dass die verschiedenen Einsichten, die hier an der HSG generiert werden, nicht ausreichend in der Öffentlichkeit oder von Studierendenseite wahrgenommen werden. Das wollen wir ändern. Darum haben wir uns zum Ziel gesetzt, diese Brücke zu schlagen und unsere Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um das Ganze transparent und gut erreichbar zu machen, hatten wir die Überlegung, neue Medien zu nutzen. Dabei gelangten wir zum Entschluss, mittels einer Onlineplattform und zwei zentralen Informationsgefässen, eines kurzen Interviews sowie einer Präsentation zu arbeiten.
In erster Linie erhoffe ich mir eine höhere Transparenz und Visualisierung unserer Forschung zu zentralen Managementherausforderungen. Des Weitern ist Interaktion ein zentrales Anliegen – wir möchten einen Austausch zu diesen Themen ermöglichen. Wir bieten dem Leser zwei Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten: Er kann Insights kommentieren und bewerten.
An welche Zielgruppen richten sich die Management Insights? Wir wollen uns an einen weit gestreuten Personenkreis wenden, der Interesse an unseren Ergebnissen haben könnte und sollte. Neben der breiten Öffentlichkeit richten wir uns an Manager und darunter natürlich zentral an unsere HSG Alumni. Gleichzeitig wollen wir aber auch Studierende der HSG auf bestimmte Managementherausforderungen aufmerksam machen und spezifische Aspekte beleuchten.
Solche Plattformen rücken momentan vor allem an führenden internationalen Business Schools stärker in den Fokus. Im deutschsprachigen Raum gibt es unseres Wissens noch keine vergleichbare Plattform. Auch haben wir über eine starke Praxisorientierung, die aber gleichzeitig auf verlässlicher Forschung basiert, den typischen HSG-Touch integriert, was dieses Angebot nicht vergleichbar macht.
«RoCC Management Insights» bietet zum einen die Chance, die Professorenschaft und ihre Forschungsschwerpunkte näher kennen zu lernen. Zusätzlich erhalten Studierende zu Themen, die sie interessieren, eine kurze und verständliche Einsicht. Unsere Forschungsergebnisse helfen Managern wie auch Studierenden, die Herausforderungen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung erfolgreich zu bewältigen.
Wir werden zunächst mit ungefähr zehn Videos online gehen. Danach planen wir, kontinuierlich im Schnitt jeden Monat eine neue Management Insight hochzuschalten. Es lohnt sich also, regelmässig auf unsere Plattform zu schauen.
Ich habe mich vierzig Jahre lang mit der Wirklichkeit herumgeschlagen, Doktor. Aber ich bin glücklich festzustellen, dass ich sie schliesslich untergekriegt habe», resümiert Elwood P. Dowd, die Hauptfigur des Theaterstückes «Mein Freund Harvey», sein Leben. Ein Kunststück, das dem gutmütigen Dowd mit Hilfe seines Freundes Harvey gelingt – einem zwei Meter grossen Hasen, den ausser Elwood niemand sehen kann. Der unsichtbare Harvey «lebt» mit Elwood, dessen Schwester Veta und dessen Nichte Myrtle Mae unter einem Dach. Dort treibt Dowd mit seinen Spinnereien bezüglich Harvey seine Familie förmlich die Wände hoch. Nach einem erneuten Eklat, den sich Elwood in Anwesenheit geladener Gäste leistet, beschliesst Veta ihn einweisen zu lassen. Schnell entpuppen sich die Psychologen aber als Quacksalber – versehentlich wird sogar Veta vorübergehend interniert. Es beginnt eine spannende, witzige und tiefgründige Jagd nach Elwood und seinem mysteriösen Freund Harvey, der bei allen Geschehnissen stets seine Pfoten im Spiel zu haben scheint.
«Mein Freund Harvey» ist das wohl erfolgreichste Stück von Mary Chase. 1944 wurde es am Broadway uraufgeführt und mit über 1‘700 Aufführungen zu einem überwältigenden Erfolg. Ein Jahr später gewann Chase für diese Komödie, welche die Poesie über den Alltag und die Konventionen siegen lässt, den Pulitzerpreis. Das Stück wird in diesem Semester vom Studententheater aufgeführt.
Das Bemühen der Ellenbeuge oder der Hände zum Schnäuzen galt im Mittelalter als die genau richtige Verhaltensweise, sich seines Naseninhalts zu entledigen. Erst langsam etablierte sich eine neue Mode: Man definierte die linke Hand zum Schnäuzen und die Rechte zum Essen – aus Rücksichtnahme den anderen Tischgästen gegenüber. Bei den Snobs und Neureichen der Renaissance verzierten Tücher den Gürtel, mit denen man sich zum ersten Mal stilvoll die Nase putzen konnte. Dieses Verhalten verbreitete sich dann in den unteren Gesellschaftsschichten und ist ein frühes Beispiel dafür, warum Stil auch heute noch als Elitephänomen oder Geldfrage interpretiert wird – bestand Stil doch lange Zeit in der Imitation der Moden der Oberen. Überreste dieser Anlehnung zeigen sich bei einem Blick auf die Bestsellerlisten: So scheinen die Verkaufszahlen eines Stilratgebers immer noch mit der Länge des Adelstitels oder zumindest Doppelnamens auf dem Buchrücken zu korrelieren.
Dabei liegt der Ursprung von Stil häufig in der Vermeidung von Unannehmlichkeiten für das Gegenüber. Understatement bedeutet auch im Falle des Schnäuzens Rücksichtnahme, und diese wurde zuerst von der Noblesse zur Notwendigkeit erklärt. Gentlemen erkannte man daran, dass sie vor einer Frau die Gaststätte betraten – und sie somit vor torkelnden Trunkenbolden schützten. Ähnlich zeugt es heute von Stil, wenn das Handy nicht auf dem Tisch liegt und der Mensch nicht mit der Elektronik um die Gunst des Gesprächspartners buhlen muss.
Für Soziologen wie Georg Simmel (1858–1918) kann man die Stilfrage aber bei Weitem nicht nur mit blossem Nachahmen oder Rücksichtnahme beantworten. Sie sei der «ästhetische Lösungsversuch des grossen Lebensproblems». Eines Lebensproblems, das zwischen Identitätsfindung und sozialer Anpassung im Naturzustand allgemeiner Unsicherheit verortet ist. Der Mensch ist ein hochsensibles Wesen und registriert natürlich ganz genau, wie er auf andere wirkt. Das geht über die oben genannten Manieren hinaus: Wer von uns hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, seine Kleidung, Sprache oder sein Verhalten geringfügig zu modifizieren, um eine bestimmte Wirkung auf ein Publikum zu erzielen. «Hey, das passt aber gut zu dir!» kann eine Reaktion der kritischen Öffentlichkeit auf die von uns erzeugte Aussenwirkung sein. Genauso kann es aber auch zur Nichtbeachtung kommen, wenn wir uns andauernd völlig daneben benehmen.
Wir sind nun mal soziale Wesen, und das menschliche Ordnungssystem besitzt, wie jedes andere auch, feste Codes und Normen, nach denen es funktioniert. Da wir Teil der Gesellschaft sein wollen, gehorchen wir dem allgemeinen Empfinden über guten Stil im menschlichen Miteinander. Wir passen uns einer Anstandsordnung an und werden im Gegenzug dafür akzeptiert. Ein «Hey, das passt aber gut zu dir!» heisst oft nicht viel mehr als «Hey, das passt aber gut zu uns». Dieser Automatismus bietet Sicherheit – und genau hier setzt die gesamte «Mit Stil zum Erfolg»-Literatur an.
Auf die Frage, was Stil denn sei, konnte mir eine Kollegin nur eines antworten: «Ich weiss ganz genau, was ich nicht stilvoll finde.» Ohne es zu wissen, hatte sie mit dieser Antwort eine der Kernaussagen der literarischen Stilratgeber getroffen: No-gos. In solcher Literatur herrscht ein allgemeines Überangebot an Formeln und Tabus, Safe Conversation Topics und endlosen Listen mit Verboten und Fauxpas.
Vollkommen daneben im gesellschaftlichen Kontext sind laut dem NZZ-Experten Jeroen van Rooijen zum Beispiel Krawatten mit Verzierungen aus dem bunten Reich der Flora und Fauna. Auch drei offene Knöpfe am Herrenhemd seien nicht vorteilhaft, schliesslich wolle man ja nicht mit David Hasselhoff verwechselt werden. Bei den Damen hingegen solle man bei drei offenen Blusenknöpfen und einem fehlenden Unterhemd eine mögliche Namensänderung, beispielsweise in Tiffany oder Chantal, in Erwägung ziehen. Es gilt aber nicht nur Untiefen in Bezug auf das Äussere zu umgehen. Der HSG-Alumnus und Philosoph Philipp Tengler rät beispielsweise dringend, beim Small Talk von «PRIKK»-Themen Abstand zu nehmen: Politik, Religion, Implantate, Krankheiten oder Karriere seien demnach Mittel für den sozialen Selbstmord. Obwohl man sich bei der beschränkten Themenauswahl schon wieder fragen muss, für wen solche Stilregeln geschrieben, beziehungsweise an wen sie verkauft werden.
Aber was heute noch so sicher erscheint, kann morgen schon als gestrig gelten. Kenner des Knigge negieren heute sogar frühere Eliteverhalten: Die Sache mit dem kleinen abgespreizten Finger gilt im 21. Jahrhundert als mittelschwerer Fauxpas. Auch wenn uns die Werbung für Chips mit Essiggeschmack glauben machen will, dass jeder Engländer auf diese abgewinkelte Eitelkeit bestehen würde. Ebenso lag es in den Adelshäusern des Barock im Trend, sich möglichst weit von der arbeitenden Bauernschicht abzugrenzen und seinen Wohlstand zu zeigen. Man trug Eisenkorsetts, meterhohe Frisuren und war somit bewegungs- und arbeitsunfähig. Die feine Gesellschaft konnte es sich auch leisten, den Nagel des kleinen Fingers sehr viel länger als den der anderen wachsen zu lassen. Beim Tee konnte man mit dem exponierten kleinen Finger seinen Status dann noch viel besser zur Schau tragen. Dieses Statussymbol haben wir heute beerdigt, beziehungsweise überwiegend kurz manikürt. Kollegen von Django Reinhardt oder Jimi Hendrix könnten ja noch mal drüber nachdenken.
Aber wer Stil hat, der folgt nicht nur Konventionen oder schwimmt mit dem gesellschaftlichen Mainstream. Natürlich wünschen wir uns, gesellschaftlich akzeptiert zu werden; trotzdem wollen wir keinesfalls in einer grauen Masse untergehen. Wir bewundern Menschen für ihren Stil, der sie in irgendeiner Art und Weise einzigartig macht. Nehmen wir die Filmdiven Rita Hayworth oder Marilyn Monroe: In der Karnevalssaison braucht es kaum mehr als die richtigen Wellen im Haar und die richtige Lippenstift-Farbe, um an den einzigartigen Stil dieser Damen zu erinnern. Marlon Brando hat genauso mit gesellschaftlichen Konventionen gebrochen und seinen Oberkörper nur mit einem zeitgemässen Unterhemd bekleidet. Ein paar Jahrzehnte später war das so genannte Unterhemd als T-Shirt ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Selbst der gefallene Baron zu Guttenberg hat sich rein äusserlich und durch die Verkörperung von Integrität in Berlin lange Zeit erfolgreich von der Classe politique abgegrenzt. Man spricht bei all den Beispielen auch vom charakteristischen Stil Friedrich Schillers oder Giuseppe Verdis, weil diese etwas geschaffen haben, das sich signifikant von allem bisher Dagewesenen unterschieden hat.
Diese Abgrenzung fällt aber zunehmend schwer. In der Mode wechseln die Trends mittlerweile so häufig, dass die Durchsetzung eines einzigartigen Stils immer unwahrscheinlicher wird. Gelingt es uns aber doch, einen Stil zu etablieren, pflegen wir genau dann unsere persönlichen Eigenheiten abzulegen, wenn diese Abweichung zur Normalität wird: wenn auf einmal alle eine bestimmte Band hören oder Preppy-Style allgegenwärtig ist. Wir suchen nach einem Stil, der uns beständig abgrenzt und Anerkennung verschafft. Die Betriebswirtschaftslehre nennt diesen Hang zur Individualisierung einen Megatrend unserer Zeit. Der Mensch will gestalten, kreativ sein und seine eigenen Regeln aufstellen. Selbst wenn diese «Mein Aussehen ist mir egal» und «Ich hasse alle Menschen» lauten.
So genau bestimmbar, wie die Ausschlussregel – entweder man ist glücklicher Besitzer oder eben nicht – suggerieren will, ist Stil also keinesfalls. Johannes Gaulke hat sich im letzten Jahrhundert an einem ökonomischen Erklärungsansatz für das Phänomen versucht. Seiner Meinung nach hat die Industrialisierung die Werte «schön» und «hässlich» vernichtet und ist der Kapitalismus schuld an der Stillosigkeit unserer Epoche. Moderne Herstellungsverfahren wie die Massenproduktion führten zu einer Vereinheitlichung der Güter und des Stils, welcher heute höchstens eine Sammlung von Konsumentscheidungen darstellt und nicht mehr als Ausdruck der persönlichen Authentizität gilt.
Kapital möchte angelegt und der Volkswirtschaft zugeführt werden – der HSGlerIn rationalste Shopping-Ausrede – und laut Gaulke das Todesurteil für die Stilgesellschaft. Auf das banale Klischee, wir HSG-Studenten würden ohnehin nach dem zweiten Semester alle gleich aussehen, sei an dieser Stelle nicht einmal eingegangen. Pragmatisch, wie wir sind, lässt es sich häufig nicht vermeiden, dass wir Vielfalt eintauschen, um uns aneinander zu orientieren. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die freie Marktwirtschaft, bildhaft in den verschiedenen Kleidungs- und Konsummarken, die sie hervorbringt, sich genau dieses Phänomens bedient: Denn was gestern noch dein Stil war, kann heute schon auch meiner sein. Und übermorgen kauf ich mir wieder neue Stilobjekte. Dabei die richtige Prise Authentizität dabei zu finden, bleibt eine Lebensaufgabe.
Eine Lebensaufgabe, der viele mit einfachen Antworten zu begegnen versuchen. Ein Schuhgeschäft in St. Gallen wirbt beispielsweise mit der stilistischen Relativitätstheorie im Schaufenster: «Für Albert Einstein ist alles relativ. Und alles andere eine Frage des Stils.» Wir haben gesehen, dass es so simpel nicht ist. Stil ist eine ständige Auseinandersetzung, ein ständiges Abwägen und Entscheiden und keine Ausschlussregel. Täglich treffen wir Entscheidungen oder zeigen in Haltung, Aussehen und Umgang unseren individuellen Stil und unsere Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. Und diese Mischung, so bestätigt auch Sören Kierkegaard, ist ganz sicher unverwechselbar: «Denn das Grosse ist nicht, dass einer dies oder jenes ist, sondern dass er es selbst ist; und das kann jeder Mensch sein, wenn er will.»
Bevor du mit deinen Freunden raus gehen kannst, spielst du noch dreimal das schöne Lied von Clayderman, morgen ist schliesslich Klavierstunde!» Solche Situationen haben die meisten in den frühen Tagen ihrer Musikerziehung erlebt. Wütend setzt man sich ans Klavier und natürlich will das Lied genau dann nicht gelingen, innerlich (oder auch lautstark) verflucht man jeden und alles und schwört sich, nie mehr einen Finger auf die Tasten zu legen, wenn man erst alt genug ist, selbst darüber zu bestimmen. Doch kommt es meist anders. Früher oder später kommt die Erkenntnis: Ob als Ausgleich zu Studium und Beruf, als neue Herausforderung oder weil es einfach Spass macht – Musikunterricht bereichert.
UniMusic, der Verein der Musikfreunde an der Universität St. Gallen, bietet die ideale Plattform für Musikinteressierte, die ihr Können vertiefen oder neu entdecken wollen. In Ergänzung zum Kernangebot Musikunterricht werden Konzerte und weitere Musikevents organisiert. Dank freundlicher Unterstützung von Helvetia und Raiffeisen können wir renommierte und erfahrene Lehrpersonen zu absoluten Top-Konditionen anbieten – und als Ergebnis unserer neuesten Kooperation erhalten Mitglieder des Uni-Orchesters einen zusätzlichen Rabatt.
Interessiert? Dann besuche uns auf www.unimusic.ch.vu oder schreib eine Mail an unimusic@myunisg.ch. Natürlich freuen wir uns auch über neue musikalische Ideen – wie wäre es zum Beispiel mit der Gründung einer HSG-Rockband?
Es hat für mich sehr unerquicklich angefangen. Mein ansässiger Host namens Chiel outete sich als geistloser Dilettant. Nicht nur, dass er zu meiner geplanten Ankunftszeit am Montagmorgen leider nicht zu Hause sein konnte, da er länger bei seinen Eltern verweilen wollte. Der gute Junge hatte auch noch sein Handy im Zug verloren und ich hatte keine andere Kommunikationsmöglichkeit, als meine Mails, die er ausgesprochen sporadisch beantwortete. Der nächste Schock kam, als ich feststellte, dass er nicht nur jenseits der Maas, sondern auch noch so richtig in der Pampa wohnte.
Von ansässigen Studenten erntete ich, auf die Wohngegend angesprochen, nur einen halb amüsierten, halb mitleidigen Blick und die Aussage: «Also in der Gegend bin ich ja noch nie gewesen» In der Tat lag Chiels trautes Heim sechs Kilometer von der Uni entfernt (wobei es erwähnenswert ist, dass man sich in Maastricht für gewöhnlich auf Fahrrädern fortbewegt und aus diesem Grund das Nahverkehrsnetz leicht unterentwickelt ist). Als ich dann abends abgekämpft vor seiner Haustür stand – einmal hatte ich mich auf der Strecke kurz verfahren und beim Wenden auf dem Feldweg fast eine Katze überrollt – passierte nach mehrmaligem Klingeln erstmal gar nichts. Dieser Chiel ist ein richtiger Sparfuchs, dachte ich mir beim Betrachten der umliegenden Häuser. Ich klingelte erneut und plötzlich rumorte es im Haus. Es folgte eine Diskussion auf Niederländisch hinter verschlossenen Türen. Dann schliesslich trat ein junger Mann in Jogginganzug vor die Tür. Nach einer unherzlichen Vorstellungsrunde führte er mich irritiert vier Stockwerke innerhalb der Wohnung nach oben vor eine verschlossene Tür, wo ich erfuhr, dass der Gesuchte nicht zu Hause sei. Ich sollte ihn doch mal anrufen. Schwierig, wenn der Anzurufende kein Handy mehr besitzt. Ich wartete eine halbe Stunde auf dem Flur und konnte mir in dieser Zeit telefonisch ein Mitleidsbett für diese Nacht bei den Studenten organisieren, die ich zuvor auf die Wohngegend meines eigentlichen Hosts angesprochen hatte. Noch mal Glück gehabt, dachte ich mir. Doch es sollte nicht die letzte Nacht sein, in der ich ohne Bett da stand.
In einer Woche auf einem Studentenforum in Maastricht kann man viel erleben. Als St. Galler Student wusste ich ja schon einiges von studentischen Foren. Zwischen Grüner Bibel und LWA-Kurs erfährt man spätestens in der ersten Woche, dass wir hier sozusagen die Ur-Mutter aller Studentenkongresse beherbergen. Meine Erwartungen waren also vorgeprägt und ich rechnete mit einem Haufen an Leaders of Tomorrow in Designeranzügen und mit penibel frisierten Haaren, intensiver Präsenz diverser altbekannter Unternehmen und machte mich wohl oder übel bereit zum gängigen Networking. Ich war bereit, Rednern aus der Wirtschaft zu begegnen, die wenig zu sagen hatten und nur für dezentes Headhunting und Socializing vorbei schauen wollten. Ich war bereit für Sponsoren, denen die Grösse und Platzierung ihres Logos wichtiger ist, als die Art der Veranstaltung und der Nutzen für die Teilnehmer. Und ich war ausserdem bereit für eine letztendlich doch irgendwie interessante und bereichernde Veranstaltung. Was Letzteres anbelangt: Ich bekam mehr als das. Was den Rest anbelangt: Zum Glück kam alles anders.
Sehr ungewöhnlich habe ich die enge Zusammenarbeit von der Stadt Maastricht und der Universität erlebt. Bereits die Opening Ceremony fand in einem altehrwürdigen Raum des Rathauses statt und ein Abgeordneter der Stadt begrüsste uns persönlich. Nach diversen Grussworten und Einführungen in die Veranstaltung, sponserte die Stadt Maastricht dort noch ein reichhaltiges Dinner. Ich war überrascht: In St. Gallen hatte ich in zwei Jahren genau in zwei Fällen Kontakt mit der Stadt. Nämlich nach einem Parken im Parkverbot und beim Abholen meines Ausländer- Duldungsausweises. Auch im weiteren Verlauf liessen sowohl Veranstalter sowie ansässige Studenten als auch Einwohner erkennen, dass man stets willkommen war und die Universität zur Stadt dazu gehört. Ein seltsam neues Gefühl für mich.
Ein zweites überraschendes Moment bildeten die zahlreichen Teilnehmer, die spätestens am zweiten Tag den unbequemen Anzug zu Hause liessen und sich vernünftig anzogen. Es war ein komisches Gefühl, plötzlich unter Studenten zu sein und nicht mehr unter Möchtegern in spe. Überhaupt schaffte es der Kongress, eine angenehme und vor allem konspirative Atmosphäre zu schaffen, in der einmal nicht «Wer bist du und von welcher sagenhaften Elite-Uni kommst du?» gefragt wurde, sondern stets das «Was kannst du, was weisst du, was interessiert dich und was hast du zu sagen» im Vordergrund stand. Auf diese Weise kamen Diskussionen von unerwarteter Tiefe zustande, die teils noch lange in unserer Freizeit fortgesetzt wurden.
Ein Blick in die Forums-Broschüre verriet es mir schnell: Offensichtlich kam die gesamte Veranstaltung ohne Gelder aus der Privatwirtschaft aus. Die daraus resultierende Unabhängigkeit spiegelte sich auch in der Auswahl der Redner und der Qualität und dem Inhalt der Vorträge wider. Statt inhaltsleerem Unternehmensplacement begegneten mir sachverständige und veranstaltungsbezogene Reden sowie mitreissende Paneldiskussionen jenseits des Versuchs, die Achievements der Redner oder einzelner Institutionen in den Vordergrund rücken zu wollen.
Die Zeit in Maastricht hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, auf dem Boden zu bleiben und wie gefangen und schmalsichtig die Business-Welt manchmal in unserem Studentenalltag sein kann. Nicht zuletzt auch das inhaltliche Vorankommen hat mich an diesem Forum überzeugt und ich glaube, dass die Tiefe neuer Ideen und Tendenzen in der Europäischen Weiterentwicklung nur mit dieser besagten Machart des Kongresses möglich waren. Ich jedenfalls habe viel mitgenommen. Fachlich über die Europäische Union, menschlich aufgrund der tollen Teilnehmer und Organisatoren und grundsätzlich darüber, wie ein solcher Kongress effektiv sein sollte. Und vielleicht, dass man sich nur als Host bewerben sollte, wenn man das auch wirklich will.
Nein, Maastricht ist tatsächlich nicht St. Gallen. Und das ist auch gut so. Merci Maastricht für eine tolle Woche, es war mir, wie man hierzulande zu sagen pflegt, «eine Freude und Ehre zugleich»!
Student Forum Maastricht (SFM)
Das SFM ist ein jährlich in Maastricht stattfindendes Forum mit studentischen Teilnehmern aus der ganzen Welt. Ziel der fünftägigen Veranstaltung ist es, die jüngsten Entwicklungen der EU zu beleuchten, zu diskutieren und Blickwinkel auszutauschen. Jedes Jahr steht das SFM unter einem neuen Thema. Das diesjährige lautete «Eurocalypse now – how restistant is Europe?». Neben hochmotivierten Teilnehmern, auch aus exotischeren Staaten wie Aserbaidschan oder Armenien, kann die Veranstaltung mit qualifizierten Rednern, spannenden Paneldiskussionen, einem informativen Brüssel-Trip und selektierten Workshops überzeugen. Das nächste SFM wird voraussichtlich in einem Jahr wieder Ende März stattfinden.
Aufgewachsen ist Philip Schnedler in Bad Homburg, bevor er für das Studium nach St. Gallen zog. Austauschsemester führten ihn an seinen heutigen Arbeitsplatz, London, sowie an die University of Chicago. Während seiner Zeit an der HSG gründete er mit drei Kommilitonen gemeinsam die Internetplattform BrainsToVenture, die junge Start-ups mit Business Angels zusammenführt. Die Risikofreudigkeit, welche man für ein solches Unterfangen wie auch im Investmentbanking zweifels- ohne braucht, sei ihm schon früh durch seine Eltern vermittelt worden. Diese waren beide selbständig und zeigten, dass Risiko per se nichts Schlechtes ist, sondern notwendig, um etwas aufzubauen und zu gewinnen. Heute hat er in seinem Job bei Goldman Sachs mit Börsengängen, Kapitalerhöhungen und Wachstumsfinanzierungen zu tun. Investmentbanker bleibt für ihn ein Traumberuf – auch wenn diese Sparte in der jüngsten Vergangenheit eher für Verluste und Negativschlagzeilen bekannt war.
Worin liegt die Faszination des Investmentbankings?Man kann bereits in jungen Jahren sehr viel bewegen, erhält früh Verantwortung, muss schnell Entscheidungen treffen und ein gutes Gespür für Aktien-, Bond- und Währungsmärkte haben. Dies erfordert aber auch vollen Einsatz und die Bereitschaft, sein Bestes zu geben. Dafür kann man sehr schnell Karriere machen, gerade wenn einem das Gebiet liegt und man sich dort wohlfühlt. Der Wettbewerb ist zwar extrem hart, aber das motiviert und spornt an.
Was sind die Voraussetzungen, um in der Bankenwelt erfolgreich zu sein?Ganz klar Integrität. Dazu kommen starke analytische Fähigkeiten, logisches Denken und das richtige Gespür für Märkte. Gerade die Krise hat gezeigt, dass die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns, insbesondere Bescheidenheit und Bodenhaftung, extrem wichtig und wertvoll sind.
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf Ihre Arbeitsumgebung?Die Finanzindustrie steht aktuell deutlich stärker im Blickpunkt der Öffentlichkeit und der Medien. Das hilft dabei, den Dialog darüber zu führen, was Banken in einer Marktwirtschaft leisten sollen und vor allem auch können und wie wir mit systemrelevanten Risiken in unserer Wirtschaft umgehen wollen. Auf der anderen Seite wird die Lösung wichtiger, komplexer Fragen wie beispielsweise die Eigenkapitalunterlegung von Banken, oder die Ausgestaltung der Vergütungssysteme durch die öffentliche Diskussion nicht einfacher.
Was erwarten Sie für die Entwicklung der Finanzindustrie in den nächsten zehn Jahren?Aus meiner Sicht werden der Staat und die Politik darauf hinwirken, dass Risiken im Bankensystem insgesamt verringert werden und das in erster Linie dadurch, dass die Eigenkapitalunterlegung von Banken angehoben wird. Dies wird ceteris paribus dazu führen, dass die Renditen im Bankgewerbe etwas zurückgehen werden. Insgesamt sehe ich die Zukunft der Finanzindustrie und des Investmentbankings allerdings positiv. Es wird immer Unternehmen geben, die Kapital benötigen: Investoren, die Kapital anlegen möchten und Investmentbanken, die als «Market Maker» eine effiziente Mittelallokation erleichtern. Durch die fortschreitende Globalisierung drängen zunehmend chinesische bzw. asiatische Unternehmen und Investoren auf den globalen Finanz- und Kapitalmarkt, was einen zusätzlichen Wachstumsschub bringt.
Wie kamen Sie und Ihre damaligen Mitstreiter auf die Idee, sich mit BrainsToVenture selbständig zu machen?Während des Studiums war es schon immer mein Wunsch, etwas Eigenes aufzubauen – und neben einer guten Idee ist ein gutes Team fast noch wichtiger für den Erfolg. Als mich damals meine Kommilitonen Florian Schweitzer, Jan Bomholt und Hermann Arnold zum Ende meines Studiums gefragt haben, ob ich dabei sein möchte, habe ich direkt zugesagt. Wir haben dann zusammen den Business Plan geschrieben, Kapital von Venture Capital Lists akquiriert und direkt losgelegt. Im Rückblick war dies eine der herausforderndsten und intensivsten Zeiten, dafür aber umso lohnender. Was haben Sie daraus gelernt und was würden Sie heute anders machen? Wir würden wahrscheinlich noch früher auf die Profitabilität des Unternehmens schauen und es damit unabhängig von externen Finanzierungsgebern machen, um den Kreis externer Aktionäre nicht zu schnell wachsen zu lassen. Was motiviert Sie, an der Universität zu dozieren? Ich habe von der Ausbildung an der HSG sehr stark profitiert, und von daher freut es mich, heute Erfahrungen aus der Praxis und meiner bisherigen Karriere an die Studierenden weiterzugeben. Die HSG ist eine exzellente Universität mit hochtalentierten Studierenden, was einen als Dozenten fordert, aber man profitiert gleichzeitig auch vom Dialog mit den Studenten. Ich freue mich jedes Mal wieder, nach St. Gallen zu kommen, auch wenn das bedeutet, morgens um 6 Uhr zu nehmen den Flieger.
Welches war der wichtigste Rat, den Sie bekommen haben?Ich habe glücklicherweise einige gute Ratschläge bekommen. Ein Ratschlag ist zurzeit aber besonders relevant: Antizyklisch zu denken und zu handeln, da es dem Menschen häufig schwer fällt, in Diskontinuitäten zu denken. Praktisch formuliert könnte man sagen: «Man sollte die Party verlassen, wenn sie am schönsten ist.»
Welche Träume und Pläne haben Sie für die Zukunft?Ich versuche, jeden neuen Tag vernünftig und verantwortungsvoll zu nutzen. Anstatt zu sehr auf die Zukunft zu fokussieren, versuche ich mich auf das Heute zu konzentrieren. Opportunitäten und Chancen ergeben sich dann meist automatisch.
Im Jahr 1931 trat der Schneider und Unternehmer Hugo Ferdinand Boss der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Bereits ein Jahr später erhielt er den Auftrag, für die SS eine Uniform zu entwerfen und zu produzieren. Später belieferte Boss auch die Wehrmacht, die SA und die Hitlerjugend mit Uniformen. Heute ist Hugo Boss ein international bekanntes Modeunternehmen, welches unter anderem Herrenanzüge und Rasierwasser herstellt und für viele der Inbegriff für guten Stil ist.
Überhaupt sind Uniformen ein zentrales Thema, wenn von gutem Stil in schlechter Sache die Rede ist. Natürlich basiert das Urteil «guter Stil» immer auf individuellem Geschmack, und auch beim Terminus «schlechte Sache» gibt es keineswegs eine völlige Trennschärfe, schliesslich gibt es durchaus friedensfördernde Kriegshandlungen. Doch insgesamt sind Uniformen ein Symbol für den Krieg, und dieser ist unabhängig von bestimmten Werthaltungen selten ein Heilsbringer. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – üben Uniformen auf viele (vor allem Frauen) eine gewisse Faszination aus, und oft werden sie sogar als schnittig und elegant wahrgenommen.
Nicht nur in der Mode, auch im Verhalten eines Menschen drückt sich Stil aus. Und auch hier gibt es Beispiele, in welchen sich Menschen mit unrühmlichen Zielen eines tadellosen Stils bedienen – oft ermöglicht dieser ihnen sogar, ihrem Ziel näher zu kommen oder es zu erreichen. Beispielhaft ist hier der Fall des Gentleman-Räubers, nach welchem in Deutschland aktuell gefahndet wird. Der gut gekleidete und selbstbewusst auftretende Mann betritt jeweils nach Ladenschluss Filialen der Netto-Kette, stellt sich in bestem Hochdeutsch als Mitarbeiter der Firmenzentrale vor und erläutert, er müsse eine Überfall-Übung durchführen. Dann bittet er die Angestellten, sich auf den Boden zu legen, fordert den Filialleiter zum Öffnen des Tresors auf und verschwindet mit der Beute.
Ein weiterer Gentleman-Räuber schickte nach einem Raubüberfall die Schlüssel des gestohlenen Fluchtfahrzeuges an den Besitzer zurück und entschuldigte sich für den Überfall und die entstandenen Unannehmlichkeiten. Ein drittes Beispiel eines solchen Falles stammt aus Australien, wo ein Bankräuber sich jeweils schon während des Überfalls bei den Angestellten entschuldigte und immer nur so viel Geld mitnahm, wie er gerade dringend benötigte.
Auch von Gentleman-Mördern wird berichtet. Allerdings ist es höchst fraglich, ob sich ein guter Stil und Leichen vertragen. Schliesslich ist auch tot, wer höchst freundlich und zuvorkommend um die Ecke gebracht wird. Allenfalls ist das Vorgehen kurz und schmerzlos, was jedoch kaum reicht, um einem Mörder einen guten Stil zu attestieren.
Hingegen werden die materiellen Verluste nach einem Gentleman-Raub in der Regel durch eine Versicherung gedeckt, und so sollte zumindest niemand physisch oder psychisch zu Schaden kommen. Dies soll natürlich keine Aufforderung sein, sich das Studium in Zukunft als Gentle(wo)man-Räuber zu finanzieren.
Es bleibt festzuhalten, dass ein guter Stil nicht zwingend mit einem hehren Ziel einhergehen muss. Aber auch der gute Stil kennt eine Grenze: Dort, wo Ziele und Taten zu grausam und verwerflich sind, kann unabhängig von der Vorgehensweise nicht mehr von einem guten Stil gesprochen werden. Mord bleibt Mord.