Jedes Semester 1226 Franken. Dieser Betrag dürfte zumindest den Schweizer Bachelorstudenten der Universität St. Gallen nicht fremd sein: So viel bezahlen sie halbjährlich, um an der HSG studieren zu dürfen. Durchschnittlich kostet ein Studium an einer Schweizer Hochschule oder Fachhochschule gemäss Berechnungen des Bundesamts für Statistik aber rund 11500 Franken. Die Differenz zwischen tatsächlichen Kosten und Semestergebühren wird von Bund, Kantonen und Privaten getragen.
Weniger bekannt hingegen ist, wie sich die Studiengebühren zusammensetzen, wohin die Beträge fliessen, welche Leistungen damit gedeckt werden. Ein Blick in die Gebührenordnung der Universität bringt Licht ins Dunkel. Von den 1226 Franken sind 1000 Franken sogenannte Kolleggelder. Damit werden die Grundleistungen gedeckt. Auf der Masterstufe ist dieser Betrag 200 Franken höher. Weitere 100 Franken pro Semester entrichten die Studenten für Prüfungsgebühren.
Punkt 1.4 im Gebührenreglement schlüsselt den Restbetrag, die eigentlichen Studiengebühren auf: Von 126 Franken werden 35 Franken für «Leistungen an die elektronische Kommunikation» verwendet, 24.50 Franken für die Services der Bibliothek und weitere Leistungen, weitere vier Franken gehen an die schweizerische Urheberrechtsgesellschaft. Schliesslich erhält die Studentenschaft (SHSG) 26 Franken pro errichteter Semestergebühr. Diese Beiträge werden für Projekte verwendet, welche allen Studenten zugutekommen.
Übrig bleiben nach dieser Rechnung noch 36.50 Franken, welche in die sogenannten «studentischen Selbsthilfeorganisationen» fliessen: 22 Franken für den akademischen Sportverband, zehn Franken für den Darlehens- und Stipendienfonds, drei Franken für die Genossenschaft Mensa. Letzterer Betrag wird für Aufwendungen wie etwa die Anschaffung eines Foccaccia-Ofens oder einer zweiten Kaffeemaschine im Bibliotheksgebäude verwendet. Summa summarum fehlen nun noch genau 1.50 Franken, um zum Total von 1126 Franken zu gelangen. Und wie es scheint, gibt es weder einen Rechenschaftsbericht, einen Geschäftsbericht, noch irgendwelche Informationen, die aufzeigen würden, wofür diese 1.50 Franken genau verwendet werden.
Was bekannt ist: Der Betrag von 1.50 Franken geht an den studentischen Verein Aiesec St. Gallen. Aiesec ist eine internationale Non-Profit-Organisation, welche internationale Praktika und Volunteering-Programme für Studenten organisiert. Aiesec St. Gallen war die erste schweizerische Ortsgruppe der Organisation und wurde 1951 durch HSG-Studenten gegründet.
Es drängt sich die Frage auf, warum eine international organisierte Vereinigung, die in 127 Ländern präsent
ist – oder zumindest deren Niederlassung in St. Gallen — Gelder erhält, die gemäss Gebührenordnung der HSG in «studentische Selbsthilfeorganisationen» fliessen. Schliesslich sollten die Gebühren für Projekte verwendet werden, von denen alle Studenten profitieren können. Die Antwort liegt im Jahr 1955. Damals hat die Studentenschaft den Gebührenanteil für Aiesec von 1.50 Franken beantragt und dieser wurde gutgeheissen. Die rechtliche Grundlage ist also vorhanden.
Man rechne: Im Jahr 1955 waren 572 Studenten an der HSG eingeschrieben, heute sind es 8 337. Seit 62 Jahren erhält Aiesec St. Gallen pro Jahr drei Franken aus jeder bezahlten Semestergebühr. Angeglichen an die jeweiligen Studierendenzahlen sind das bis heute über den Daumen gepeilt über 550 000 Franken, die über die Jahre in die Kassen von Aiesec St. Gallen flossen.
Zugegeben, der Betrag von 1.50 Franken an sich ist unbedeutend klein. Was jedoch erstaunt: Aiesec muss weder gegenüber der Universität noch gegenüber den Studenten Rechenschaft darüber ablegen, für welche Projekte der Verein jährlich die rund 24 000 Franken ausgibt. Beim Aiesec St. Gallen Präsidium heisst es nur: «Wir überlassen es der Universität, die spezifischen Empfänger und Summen der Gelder zu kommentieren.» Bei der Universität weiss man indes nichts von einem Rechenschaftsbericht, den Aiesec abliefern müsste: «Es besteht unseres Wissens von Seiten Aiesec keine Verpflichtung eines jährlichen Reportings gegenüber der Universität», sagt HSG-Sprecher Marius Hasenböhler-Backes. Einzig die Budgets muss Aiesec dem Beirat vorlegen. Aber auch in diesen ist nicht ersichtlich, welchen Gegenwert die Studenten konkret für ihren Beitrag von 1.50 Franken erhalten.
Im Klartext heisst das: Entweder will Aiesec St. Gallen sich nicht über die Verwendung der Gelder äussern, oder aber man weiss nicht im Detail, für welche Projekte die Beiträge der Studenten verwendet werden. Beide Szenarien sind problematisch, handelt es sich hierbei doch um studentische Gelder, die Aiesec seit 1955 jährlich zufliessen. Man darf erwarten, dass die Studenten ein Anrecht darauf haben, zu erfahren, wohin ihre Beiträge fliessen.
Dass die Aussage von Aiesec St. Gallen unbefriedigend ist, findet auch SHSG-Präsident Mario Imsand: «Hinter Aiesec steht ja eine Stiftung, die für die Projekte von Aiesec Gelder spricht. Sollte es sich hierbei auch um studentische Gebührengelder handeln, müssen die Studierenden transparent über deren Verwendung informiert werden.» Auch ein Blick in den Geschäftsbericht von Aiesec Schweiz hilft nicht weiter. Ausgewiesen für das Vereinsjahr 2014/2015 wird lediglich ein Verlust von 34 008 Franken bei einer Bilanzsumme von 119 000 Franken. 2013/2014 belief sich der Verlust auf 12 533 Franken.
Der jährliche Zustupf von rund 24 000 Franken durch die HSG-Studenten, welcher gemäss Aiesec die effektiven Kosten bei weitem nicht decken würde, wird vor dem Hintergrund dieser Zahlen in ein anderes Licht gerückt. Hinzu kommt, dass Aiesec St. Gallen gemäss Aussagen mehrerer Studenten bis vor rund vier oder fünf Jahren auf dem Rosenberg ein ganzes Haus als Büroräumlichkeiten besetzte. Später wurde das Büro auf zwei Räume in den «Gründercontainern» unterhalb der Bibliothek reduziert. Heute hat Aiesec St. Gallen noch einen Büroraum. Das Geld schwindet, die Büros werden geräumt. Und nach wie vor wissen die HSG-Studenten nicht, was mit ihrem Beitrag passiert.
Nicht zu leugnen ist, dass Aiesec mit seinen Projekten eine noble Sache unterstützt. Neben der Vermittlung und Koordination internationaler Praktika und Freiwilligeneinsätze, war Aiesec St. Gallen auch massgeblich an der Gründung der HSG Talents Veranstaltung beteiligt. Darum besteht auch eine Vereinbarung zwischen dem Career Service Center der Uni und Aiesec St. Gallen. Details dazu sind allerdings nicht zu finden.
Frappant ist, dass jegliche Transparenz über die Verwendung der studentischen Gelder fehlt. Bei Aiesec St. Gallen ist man sich dessen wohl nicht bewusst: Man sei dankbar für die Unterstützung, welche man erhalten würde. «Wir möchten die Universität und die SHSG ermutigen, die Förderung zu erhöhen – nicht nur für uns, sondern generell für die Vereine an der Universität», sagt die Präsidentin von Aiesec St. Gallen. Man glaube, dass die Verbreitung von Events und Aktivitäten über mehrere unabhängige Vereine und Clubs einen gesunden Wettbewerb schaffe, welcher letztlich zum «besten Resultat für alle Studenten und die Universität führt — im Gegensatz zur Konzentration der Aktivitäten bei der Administration oder der SHSG».
Zumindest von einer Konzentration der Gelder bei der SHSG kann aber nicht die Rede sein. Als offizielle Teilkörperschaft der Universität ist die SHSG zudem der Transparenz verpflichtet. Das bestätigt auch Mario Imsand: «Die Aktivitäten der SHSG sind für alle Studierenden gedacht, und wir sind bemüht, stehts im Interesse aller Studierenden zu handeln.» Man unterstütze Vereine in allen Belangen und biete mit den SHSG-Fonds auch die Möglichkeit zur finanziellen Förderung. «Wir fungieren als Verteiler, der sicherstellt, dass studentische Gelder transparent und bedarfsgerecht investiert werden können.»
Die Regelung der Kolleggelder, welche direkt an Vereine gelange, sei historisch gewachsen und in diesem Sinne eine Ausnahme. «Ich gehe davon aus, dass die Beiträgefür Aiesec gerechtfertigt sind und auch im Sinne aller Studenten eingesetzt werden», sagt Mario Imsand. «Eine Entscheidung, welche vor 62 Jahren getroffen wurde, bedarf sicherlich mal einer Überprüfung.» Erst auf wiederholtes Nachfragen heisst es bei Aiesec, die Gelder würden primär zur Unterstützung der «Praktika und Volunteering Möglichkeiten» verwendet. Es ist unklar, ob von dieser Verwendung der Gelder wirklich alle Studenten profitieren – wie es die Idee der Solidarität dieser Beiträge eigentlich vorsehen würde. Und ob das Geld wirklich für diesen Zweck eingesetzt wird.
Jeden Tag, an dem ich an die HSG gehe, setze ich meine Kopfhörer auf und schalte die Musik in meinem Handy ein. Dies mache ich immer auf dem Weg von der Haustüre zum Veloschopf. Dabei ist mir noch nie aufgefallen, dass die Nachbarn ein neues Auto haben. Doch heute schon, denn heute habe ich bewusst alle elektronischen Geräte daheim gelassen, um die Universität mit den Augen älterer Generationen zu betrachten. Naja, vielleicht haben sie das neue Fahrzeug auch erst seit gestern.
So mache ich mich mit meinem Fahrrad auf den Weg. Klar vermisse ich Songzeilen wie «Don‘t follow leaders, watch the parking meters» oder «Auch nach tausend Mal bleibt 1 die derbste Zahl» ein wenig, doch dafür höre ich die Primarschüler lachen, Vögel zwitschern und die Autos brummen. Als ich dann zum Veloplatz abbiegen will, muss ich nicht lange nach hinten schauen, um mich zu vergewissern; da kommt kein Fahrzeug. Nein, denn ich höre es ja. Als ich dann vom Veloplatz zum Eingang spaziere, sehe ich einen süssen Vogel. Keine Ahnung was das für einer ist, sieht aber aus wie ein Spatz in Fasnachtstracht.
So gehe ich alsdann in die erste Vorlesung des Tages, kurz nach zehn ist die Zeit. Die Zimmernummern habe ich mir am Vorabend auf einen Zettel notiert, ganz klassisch. Eigentlich kann ich während der zwei Stunden der ganzen Sache auch ziemlich gut folgen, bin etwa aufmerksamer, als mit Handy und Laptop. Falls mir doch mal nach Ablenkung zu Mute ist, schaue ich aus dem Fenster oder betrachte meine Kommilitonen. Was mir jetzt zum ersten Mal auffällt, und mich ziemlich stört, ist das Tastengeratter. Da frage ich mich, was denn die alle notieren, steht doch alles auf den Folien. Ein kurzer Blick auf einige der Laptops verrät mir, dass die sozialen Medien der Grund für das Geratter sind und nicht das Notieren von Gesagtem. Ich muss eingestehen, dass ich während der ersten Vorlesung immer mal wieder an mein Handy gedacht habe. Wer mir wohl schreibt, was ich wohl verpasse. Langeweile kommt auf und es fällt mir schwer, diese zu stillen.
Nun denn, die Vorlesungen klappen auch ziemlich gut ohne digitale Helfer, oder eben Störer. Doch ich frage mich, wie so ein Universitätsbetrieb ohne PowerPoint und StudyNet funktionierte. Wahrscheinlich hat die Professorin einfach alles auf die Leinwand gekritzelt und man musste es abschreiben, etwa so, wie in all den Übungsstunden freitags. Diese Form von Unterricht war sicherlich für die Professoren mühsamer, wohingegen die Schüler nicht schlechter bedient waren. Eine Mitschrift prägt vieles besser ein, als nur eine Folie zu lesen. Ausserdem habe ich erfahren, dass vor den Zeiten des ServicePortals oder Compass die Noten einfach ausgehängt wurden. Die Guten oben, die Schlechten unten. Dies gibt dem Lied «Bück dich hoch» einen ganz anderen Sinn.
Nach diesen zwei Stunden wird es Zeit für einen Kaffee. An diesem Tag treffe ich mich immer um zwölf Uhr mit einem Kollegen, bevor wir wieder getrennt in verschiedene Vorlesungen sitzen. Zum Glück habe ich ihm gestern geschrieben, dass ich das Handy nicht dabei haben werde und wir haben nach alter Manier den Treffpunkt schon einen Tag vorher fixiert. Hoffentlich kommt er auch, denke ich, als er ein wenig Verspätung hat. In der heutigen Zeit bedeuten Abmachungen und Pünktlichkeit nicht mehr so viel. Man ist ja immer erreichbar und kann schreiben, falls man den Bus verpasst. Dies stört tatsächlich und eine gewisse Angst schwebt immer mit. Doch er kam, Gott sei Dank.
Nach dem Kaffee geht es dann wieder in eine Vorlesung, Englisch Niveau II. Praktisch, da eigentlich nur geredet wird und sowieso niemand einen Laptop vor sich hat. Danach mache ich mit meinem Banknachbarn einen Termin ab, um unseren Vortrag vorzubereiten. Er müsse kurz zum Coiffeur, melde sich aber bei mir, sobald er fertig sei, um mich zu treffen. Ich entschuldige mich, da ich kein Handy dabei habe. Somit müssen wir eine Zeit festlegen. Das kommt mir ehrlich gesagt sehr entgegen, weil ich so nicht immer auf dem Sprung sein muss.
Als ich die zu überbrückende Zeit bis zum Treffen in der Cafeteria verbringe, wird mir, nachdem ich etwas für die Uni gemacht habe, langweilig. Ich frage mich, ob ein Kollege, der nun an der Uni sein sollte, wohl Zeit für einen Schwatz hat. Leider werde ich dies ohne Handy nie erfahren und schaue somit bis zum Treffen den anderen Studenten zu. Ziemlich interessant, wie oft zwei Personen sich vis-à-vis sitzen und doch beide am Handy sind. Unlängst habe ich ein Gespräch mit einer Kollegin geführt, die trotz Generation Y kein Smartphone besitzt: Es sei «Zeitverplemperung» und würde die sozialen Kontakte schwächen. Man teilt mit sozialen Medien einfach mehr, ohne es aber zu teilen.
Natürlich bin ich mit ihr einer Meinung, wer schon nicht. Doch diese cleveren Telefone bringen auch viele Vorteile. Man muss ihren Gebrauch einfach minimieren. So zum Beispiel einfach in der Tasche lassen, wenn man mit jemandem zusammen ist. Denn keine Nachricht auf der Welt ist momentan wichtiger als das Gegenüber. Auch falls man sich gerade etwas fragt, etwa wie schwer ein Pferd ist, sollte man raten und kuriose Theorien aufstellen, anstatt einfach kurz nachzuschauen. Unterhaltung vorprogrammiert und die Lebensqualität wird sich erhöhen.
Nach all diesen Gedanken und spannenden Beobachtungen war das Warten dann schneller um als gedacht. Bei der Besprechung packen wir den Laptop erst gar nicht aus. Da ich Kuli und Block dabei habe und mir alles Wichtige darauf notierte, braucht es den ja sowieso nicht. Das Gespräch, so ganz ohne digitale Ablenkung in der Mitte, funktioniert bestens und wir sind extrem produktiv. Zum Schluss machten wir noch den nächsten Termin ab. Jetzt wird es Zeit für meine letzte Vorlesung des Tages. Gegen Ende fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit kein einziges Mal an mein Smartphone gedacht habe. Ich lebe im Hier und Jetzt und merke, wie unwichtig das Umfeld ist. Und das schon nach einem Tag.
Auch beim nach Hause radeln muss ich wieder auf meine Musik verzichten. Ist aber gar nicht so schlimm, denn ich bin aufmerksamer. Zu Hause angekommen, nehme ich mein Smartphone zur Hand und öffnete WhatsApp: Neun Nachrichten und dann noch sieben E-Mails. Vielleicht wird das ganze Social-Media-Zeugs einfach überbewertet. Als ich das nächste Treffen für die Vortragsplanung, das ich am Tag abgemacht habe, in meinen digitalen Kalender eintragen will, sehe ich, dass da schon ein Termin steht. Naja, einen kleinen Rückschlag musste ich wohl einstecken. Doch ein neuer Termin ist mit Hilfe von WhatsApp schnell gefunden. Kurz darauf gehe ich an den Computer und schaue nach wie der bunte Vogel heisst: Kohlmeise. Das hätten meine Eltern wohl auch ohne Internet gewusst. Ich habe erst kürzlich einen Artikel gelesen mit dem tollen Einwurf, dass Informationen weder den Horizont erweitern noch klüger machen. Es braucht vor allem Wissen und das zu googeln geht leider nicht. Somit empfehle ich allen, einfach mal das Handy zu Hause zu lassen, denn es nur schon in der Tasche dabei zu haben, macht einen grossen Unterschied. Man sollte die neuen Technologien nicht verteufeln, aber merken, dass sie nicht alles können und wenig ersetzen.
Ziel des von der Regierung in Auftrag gegebenen Projektes ist es, einen Beitrag zur Linderung des Ärztemangels zu leisten. In der Ostschweiz beläuft sich der Anteil der nicht in der Schweiz ausgebildeten Ärzte auf über 40 Prozent. In Regionen mit angebotener Medizinausbildung sind es hingegen nur 25 Prozent. Das auf einem Kooperationsmodell mit der Universität Zürich und dem Kantonsspital St. Gallen beruhende Projekt eines Joint-Medical-Master-Programms ist nicht nur eine Chance für die gesamte Region, sondern auch für die HSG als Wirtschaftsuniversität. Der Gesundheitsbereich macht in der Schweiz 12 Prozent vom Bruttosozialprodukt aus – Tendenz stark steigend. In unserer Vision heisst es, dass wir uns mit aktuellen Fragen aus Wirtschaft und Gesellschaft auseinandersetzen. Deshalb sollten wir den Gesundheitsbereich unbedingt miteinbeziehen.
Führt die Einführung eines Medizin-Programms nicht zu einer Verwässerung einer Wirtschaftsuniversität?Eine Verwässerung, durch die Wegnahme von Geld, ist ausgeschlossen, da es einen ergänzenden, separat finanzierten Leistungsauftrag geben soll. Die Identität der Professorenschaft wird nicht verändert, da die Professuren gemäss Kooperationsvereinbarung an der medizinischen Fakultät Zürich sowie am Kantonsspital St. Gallen angesiedelt sind. Wir werden lediglich einige Brücken-Professuren haben, die Themen zwischen Medizin und Gesundheit sowie den Kerngebieten der HSG abdecken. Weiter ist zu erwähnen, dass es sich mengenmässig lediglich um drei Jahrgänge à 40 Studenten handelt. Alle Universitäten, die mehr als nur eine Business School sein wollen, investieren heute in hohem Masse in Forschung und Lehre im Schnittbereich zu Health Care Management und Health Economics. Mit der geplanten Ausbildung im Bereich Medizin verfügt die HSG über eine hervorragende Verankerung in einem Feld von wachsender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung, auf die vergleichbare Universitäten neidisch sind.
Wie wollen wir als Wirtschaftsuniversität Mehrwert bieten und im Vergleich zu den ungleich grösseren Standorten konkurrenzfähig sein?40 Plätze sind eine sinnvolle Grösse in Bezug auf die Kapazitäten am Kantonsspital. Im Bereich der klinischen Ausbildung auf Masterstufe sind die Economies of Scale – anders als in der Bachelor-Ausbildung – beschränkt. Der Vorteil ist, dass wir die hier bereits vorhandenen medizinischen Lehrkapazitäten mit erhöhtem Gewinn für die Region besser nutzen können. Auch für die Schweiz insgesamt bringt die Einbindung des Standortes St. Gallen definitiv Vorteile.
Wie schätzen sie die Erfolgschancen der kantonalen Abstimmung im Jahre 2018 über die Ausweitung des Zweckartikels des Universitätsgesetzes ein?Erst einmal betrachten wir es als Gunst, wenn das Projekt mittels Volksabstimmung demokratisch legitimiert werden kann. Man muss vor jedem demokratischen Entscheid Respekt haben. Da es sich um einen Beitrag zur Behebung des Ärztemangels handelt, gehen wir derzeit von sehr guten Chancen aus.
Wurde bei einer allfälligen Ablehnung der Anpassung des Universitätsgesetzes durch das Stimmvolk das Geld für die Vorbereitungen aus dem Fenster geworfen?Bis und mit Ende vergangenen Jahres haben wir die Projektarbeiten aus eigenen Mitteln finanziert. Es ist die Aufgabe jeder Institution, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt, an innovativen Projekten mitzuarbeiten. Im Rahmen des Budgets 2017 wurde ein ergänzender Kredit für die weiteren Vorbereitungsarbeiten gesprochen. Die Aufbauarbeiten gehen damit nicht zu Lasten des Kernbereichs der HSG.
Wo gibt es Synergien zwischen Medizin, Recht und Wirtschaft?Studierende in Medizin profitieren von der HSG in ergänzenden Fächern – analog zum hiesigen Kontextstudium – in Schnitthemen wie Recht, Management und Ökonomie. Die beiden Themen, die die Zukunft unserer Gesellschaft und Wirtschaft prägen werden, sind Gesundheit und Digitalisierung. Beide haben direkte oder indirekte Berührungspunkte mit unseren Kernfächern. Deshalb sollen für Studierende in den klassischen HSG-Fächern Möglichkeiten im Bereich Patientenrecht, Gesundheitsökonomie oder Health Care Management aufgebaut werden.
Was muss bis zur Ankunft der ersten Medizin-Studierenden (voraussichtlich 2020) noch alles geschehen?Bereits führte man in den Schulen des Kantons Informationskampagnen durch. Parallel dazu wurde an der Finalisierung der Vereinbarung mit der Universität Zürich und an der notwendigen Ergänzung des Universitätsgesetzes gearbeitet. Weil das Vorhaben neue Ausgaben für den Kanton generiert, die 1.5 Mio. Franken pro Jahr überschreiten, wird es eine Volksabstimmung geben. Für die 40 Plätze in St. Gallen sind 86 Voranmeldungen – die Bewerbenden müssen den medizinischen Eignungstest noch bestehen – eingegangen, vergleichsweise ein sehr guter Wert. Nun stehen die Arbeiten am Curriculum sowie organisatorische Fragen bezüglich Aufbau der School an. Diesbezüglich können wir mit Dr. Jürg Felix auf eine sehr qualifizierte Projektleitung zählen.
Wie werden die künftigen Betriebskosten finanziert?Für die Finanzierung der laufenden Betriebskosten ist eine separate Leistungsvereinbarung vorgesehen.
Das Kantonsspital St. Gallen stellt die Fachkräfte für die Ausbildung der Studierenden zur Verfügung. Ist die notwendige Lehrkompetenz vorhanden?Bereits heute unterrichten die Professoren des Kantonsspitals an verschiedenen Schweizer Universitäten und im Ausland. Ein signifikanter Prozentsatz der zukünftig notwendigen Lehrkapazität wird also schon heute geleistet. Die Idee ist, dass ein grosser Teil dieser Lehrkapazität hierhin gelenkt wird.
Sind weitere lokale Kooperationen denkbar?Zusammen mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt St. Gallen, welche bereits heute im Bereich der Medizin (z.B. künstliche Haut) tätig ist, der Fachhochschule St. Gallen, dem Kantonsspital, sowie mit unserer Digitalisierungsinitiative, kann sich in Kooperation mit der Universität Zürich ein eigentliches Know-how-Cluster entwickeln.
Ist die Lancierung eines Medical Masters mit Blick auf die die Wirtschaft betonende Vision 2025 nicht etwas stossend?Was kann eine Wirtschaftsuniversität, die Antworten für aktuelle Fragen von Wirtschaft und Gesellschaft bieten will, mehr tun, als sich mit dem am schnellsten wachsenden Sektor zu befassen, der noch ein Thema von gesellschaftlicher Brisanz ist? Es gibt keinen Bereich, indem ein solch starker Arbeitsplatzaufbau geschieht und so viele gesellschaftliche Themen auftauchen, wie in der Medizin.
Wie steht es um die Campuserweiterung am Platztor?Das Projekt Platztor ist ein langfristiges Campus-Ausbauprojekt. Dieser Ausbau ist notwendig, weil die jetzige Infrastruktur auf 5000 Studenten ausgerichtet ist; zurzeit studieren über 8300 Personen an der HSG. Am Platztor sollen Kapazitäten für rund 3000 Studenten geschaffen werden. Es handelt sich um ein Projekt mit städtebaulicher Bedeutung; es geht um eine Entwicklung der Kernstadt in Richtung Osten. Wir rechnen mit einer Fertigstellung des Projekts in rund zehn Jahren. Dieses Projekt wird für die Qualität der Universität im digitalen Zeitalter entscheidend sein. Wenn eine Universität in einem kleinen Markt an einem Hochlohn-Standort überleben will, muss sie einen Mehrwert gegenüber den rein digitalen Angeboten in der Lehre durch persönliche Interaktion schaffen. Dies kann nur dadurch erreicht werden, indem wir im Sinne des Campus-Gedankens einen Begegnungsort für Menschen schaffen und Forschung und Lehre näher zusammenbringen. Darüber hinaus ist ein Learning Center geplant. In der Nähe der Universität benötigen wir eine Erweiterung der Bibliothek in Bezug auf Studierendenarbeitsplätze und Plätze für neue Lernformen wie «Collaborative Learning». Das Ziel wäre eine Eröffnung des Learning Centers um das Jahr 2022. Wir richten uns darauf ein, dieses Center als Beitrag der HSG-Gemeinschaft über private Donatoren zu finanzieren. Dies würde eine rasche Realisation ermöglichen. Idealerweise wird so ein Center zum international ausstrahlenden Symbol der neuen Lehre. Bereits dieses Jahr wird an der Müller-Friedberg-Strasse ein neues Institutsgebäude mit Seminarräumen in Betrieb genommen.
Die Finanzierung des Learning Centers steht primär auf privaten Beinen. Wie wollen Sie die Unabhängigkeit der Universität bewahren?Es gibt klare Grundsätze für die Annahme von Spenden. Immer gelten die Unabhängigkeit sowie die akademische Freiheit in Lehre und Forschung. Das Recht für personelle Entscheide muss immer bei der Universität sein, und es muss die Publikationsfreiheit gewahrt sein.
Wie will man während der Bauzeit eine förderliche Lernatmosphäre sicherstellen?Der Vorteil ist, dass ein Learning Center als Ergänzungsbau zur Bibliothek erstellt werden kann. Allerdings steht auch noch die Sanierung des B-Gebäudes an. Diese Arbeiten werden soweit als möglich jeweils über den Sommer hinweg getätigt.
Werden Lehrvideos den klassischen Universitätsbetrieb ablösen?Wenn man daran glaubt, müsste man Universitäten wie jene in St. Gallen schliessen. Eine Universität in einem hoch entwickelten Wirtschaftsstandort muss mehr vermitteln, als das, was überall auf der Welt mittels Lehrvideos und Massive Open Online Courses vermittelt werden kann. Nur durch kreative Aktivitäten kann die geforderte Wertschöpfung generiert werden. MOOCs betreiben wir nur, um daran für die Verbesserung der Lehre zu lernen. Längerfristig haben wir in diesem Netzwerkgeschäft als kleiner Anbieter keine Chance.
Wie schaut die Lehre der Zukunft aus?Die Idealvorstellung ist das sogenannte «Blended Learning»: Reine Wissensvermittlung findet ausserhalb des Unterrichts statt. Die Zeit im Klassenraum wird genutzt, um mittels Fallstudien, Debatten und Simulationen mit persönlicher Interaktion den eigentlichen Mehrwert zu schaffen. Da sind wir noch in Rückstand. Zumindest investieren wir bereits in Probe-Infrastrukturen wie den Trading Room und verfügen über ein Teaching Innovation Lab.
Welche Neuerungen sind im Bereich Informatik geplant?Einerseits läuft ein Projekt zur Einführung eines Zertifikatsprogrammes, das den Erwerb von Zusatzqualifikationen in Informatik und Data Science für alle Studierenden der HSG ermöglicht. Wenn alles klappt, können wir bereits diesen Herbst mit einer Pilotgruppe starten. Zweitens ist der Ausbau von Kompetenzen im Bereich Informatik zu erwähnen. Der Universitätsrat hat drei neue Lehrstühle für Informatik freigegeben. Zurzeit ist man daran, die Ausschreibungsgrundlagen zu erarbeiten. Dritter Punkt ist ein eigenständiger Informatik-Schwerpunkt. Diesbezüglich ist eine Machbarkeits-Studie, finanziert durch die Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell, in Arbeit. IT, respektive Data Science, ist im Zeitalter von Big Data ein unverzichtbares, ergänzendes Fachgebiet einer Wirtschaftsuniversität. Viele vergleichbare Universitäten wie die SMU in Singapur oder Paris-Dauphine haben entsprechende Departments oder Schools.
Das Jahr 2018 mutiert mit mehreren die HSG betreffenden Volksabstimmungen zum Schicksalsjahr. Was erwarten Sie von diesem Jahr?2018 wird neben der Medical-Master- und Platztor-Abstimmung auch über den Aufbau des Informatikschwerpunktes zu befinden sein. Direkt für den Betrieb der Universität notwendig ist die Erweiterung der Universität mit dem Projekt Platztor. Die beiden anderen Projekte sind als Chancen zu betrachten. Ich würde deshalb sagen, dass 2018 nicht zu einem Schicksals-, sondern zu einem Chancenjahr wird. Im Jahre 2027 wird die HSG hoffentlich eine Universität sein, die mit einem modernen Campus einen ähnlichen Akzent wie schon heute die Wirtschaftsuniversität Wien zu setzen vermag. Wir wollen Standards setzen und unseren Auftrag als regional verankerte, global ausstrahlende Wirtschaftsuniversität, dank einer Medizinausbildung und verstärkten Kompetenzen in IT und Data Science, noch besser erfüllen können.
Wahrscheinlich hast du dir gerade zwei Wochen wohlverdiente Auszeit genommen, weil du noch nicht wusstest, ob du Semester Nummer eins überhaupt bestanden hast. Nun bist du im Stoff zwei Wochen im Rückstand. Aber keine Sorge, wenn du es bis hierhin geschafft hast, dann schaffst du es auch ohne Probleme durch das zweite Semester. Ohne Probleme, wenn du dich an nachfolgende Tipps und Tricks hältst.
Wie du sicher schon festgestellt hast, wird es langsam aber sicher schwierig, sich mit normalbürgerlichen Nicht-HSG-Studenten zu unterhalten; eventuell fallen auch deine Eltern darunter. Um das Verhältnis zu Hause nicht zu trüben, ist es wichtig, dass du ihnen weiterhin das Du gewährst. Zudem solltest du das Klischee der HSG aufrechterhalten. Dazu empfehle ich dir, jeweils freitags nicht an den Übungsstunden teilzunehmen. Nur so kann gewährleistet werden, dass dein Kater vom Mittwoch bis zum Wochenende hin auskuriert ist, sodass du zu Hause in voller Pracht glänzen kannst.
Falls du das Buch schon einmal aufgeschlagen hast, ist dir bestimmt einer der ersten Sätze darin ins Auge gestochen – und das ist folgender: «Mache Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher.» Wenn du dir dessen bewusst wirst, kannst du das nötige Verständnis dafür aufbringen, dass sich das SGMM zahlreicher Wortneuschöpfungen bedient. Der Sinn dieses Buches liegt schlussendlich ja darin, eine einheitliche Sprache zu etablieren. Um diesem Zwecke nachzukommen und deine Endnote in BWL zu verbessern, solltest du unbedingt versuchen, möglichst viele dieser abenteuerlichen Begriffe im Alltagsleben zu verwenden. Verschwende also keine Zeit damit, die Definitionen auf den Folien auswendig zu lernen, sondern versuche, bei deinem nächsten Einkauf reflexiv in der Kommunikation von Entscheidungen mit deiner Umwelt zu interagieren und den Erwartungserwartungen Rechnung zu tragen.
Das Integrationsprojekt ist deine Chance, einen steilen Karriereweg einzuschlagen. Du lernst zum ersten Mal, dass alles was du lernst extrem hilfreich ist – denn hätte die Swissair einen Assessi wie dich eingestellt, hätte so etwas nie passieren können. Deshalb ist es wichtig, dass du dieses Projekt sehr ernst nimmst und dich mindestens einmal wöchentlich – vom Mittwochabend im Trischli abgesehen – mit deiner Gruppe triffst. Um zusätzlichen Eindruck bei deinen Kommilitonen zu schinden, solltest du jede Woche über mehrere Stunden Räume reservieren, dafür haben sie mit Bestimmtheit grösstes Verständnis. Am Ende des Semesters weisst du dann mit bestechender Sicherheit, dass deine Gruppe die beste sein wird, da die Notengebung keinesfalls vom Betreuer abhängt und völlig fair ist.
…dann stirbt die Hoffnung zuletzt und du kannst noch immer auf «die Kurve» hoffen. Als Ultima Ratio nimmst du dir einen Anwalt, der dir rechtlich versichert, dass du für deine Antworten mehr Punkte verdient hättest und das Assessment 2.0 auf keinen Fall deinem eigenen Versagen geschuldet ist.
Illustration: Larissa Streule
Die, die weniger Kinder auf die Welt bringen, sind Schuld.» «Ah, selbst ungewollt kinderlose Paare sollen noch für ihre unerfüllten Wünsche vom Staat bestraft werden?» «Das hat ja nichts mit einer Bestrafung zu tun, das ist bloss ein Fakt. Dadurch, dass es weniger Kinder gibt, ist die Rente nicht gesichert. Und sowieso, findest du es etwa gerecht, dass die alten Generationen jahrelang in die AHV einbezahlt haben und jetzt einige von ihnen mit Altersarmut zu kämpfen haben?» Die AHV und das Thema der Gerechtigkeit – etwa so könnte eine hitzige Diskussion darüber klingen, wenn man in den Esszimmern, Zugabteilen und selbst in der Wandelhalle des Bundeshauses dieses Landes etwas genauer hinhört.
Die Schweizerische Altersvorsorge basiert auf drei Säulen: Die erste Säule funktioniert nach dem Umlageverfahren, das heisst, die heutige arbeitende Bevölkerung zahlt für die aktuellen Rentner ein. In die zweite Säule hingegen wird nach dem Kostendeckungsverfahren in die betrieblichen Pensionskassen eingezahlt. In der dritten Säule soll eine private Vorsorge, teils auch steuerbefreit, ermöglicht werden. Das Risiko des demografischen Wandels in der ersten Säule und das der Finanzmärkte in der zweiten Säule sollen miteinander ausbalanciert werden. Die Schweizerische Altersvorsorge ist ein komplexes Gebilde aus drei Säulen, dessen finanzielle Entwicklung auch gerade aufgrund des demografischen Wandels nur schwer voraussehbar ist. Gewisse Entwicklungen sind aber abschätzbar, so zahlten gemäss des Bundesamt für Statistik im Jahre 1975 noch durchschnittlich 3.9 Junge für einen Rentner in die AHV ein, im Jahre 2015 waren es nur noch 3.7 Junge pro Rentner. Diese Effekte werden sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Ausserdem ist die Lebenserwartung der Schweizer in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, was auch zu einer längeren Rentenbezugsdauer und damit zu einer weiteren Belastung der AHV führt.
Schon vor der Abstimmung zur AHV-Plus Initiative, welche eine Erhöhung der AHV-Rente um zehn Prozent forderte, haben die Befürworter und Gegner der Initiative am Begriff der «Generationengerechtigkeit» ihre Säbel gewetzt. So war beispielsweise in der Berner Zeitung zu lesen: «Ein AHV-Ausbau in dieser Konstellation wäre fast schon ein Grund, den Generationenvertrag zu kündigen.» Während auf der Seite der Befürworter von einem Angriff der Gegner auf eine starke AHV unter dem «Deckmantel der Generationengerechtigkeit» die Rede war. Nun, wo das Differenzbereinigungsverfahren zu der Vorlage «Altersvorsorge 2020» von National- und Ständerat ansteht, wird unter dem politischen Kampfbegriff der Generationengerechtigkeit noch immer die Flagge gehisst. So wurde beispielsweise in der NZZ für eine «generationengerechte AHV-Finanzierung» durch die Einführung einer Schuldenbremse und im Angesicht der gestiegenen Lebenserwartung für eine Erhöhung des Rentenalters plädiert. Während die SP auf ihrer Website titelt: «Geradezu unverantwortlich ist wie sie [die SVP und die FDP] die Solidarität zwischen den Generationen mutwillig angreifen.»
Der Gedanke der Generationengerechtigkeit taucht schon in der Präambel der Bundesverfassung auf, klar die Verantwortung für die kommenden Generationen ausdrückt, aber auch generell das Wohl der Schwachen als Leitgedanke der Verfassung festsetzt. Die heutigen Generationen sollen also das Wohl der kommenden Generationen und aller sozioökonomisch schwächeren Gruppe in ihre Überlegungen einbeziehen und diesbezüglich nachhaltige Entscheidungen treffen.
Folgt man den politischen Diskussionen, dann erweckt es den Anschein, als ob entweder die «Alten» oder die «Jungen» bei dieser Vorlage gewinnen könnten. Doch mit dem Altsein ist es wie mit dem Fremdsein, die Wahrscheinlichkeit ist zum Glück relativ hoch, dass man es selber mal sein wird. Die «Alten» von heute sind ja schliesslich die «Jungen» von gestern. Die Vorstellung, dass sich bei der AHV zwei unvereinbare Entitäten, die «alte und die junge Front» gegenüberstehen sollen, ist falsch. Die älteren Generationen sonnen sich nicht nur auf der Terrasse ihrer Ferienhütte in Thailand, sondern finanzieren auch die Ausbildung der jüngeren Generationen, kümmern sich um die Enkelkinder und vererben ihnen ihr Vermögen. Diese informellen, sozialen und monetären Transfers von Alt zu Jung sind äusserst vielseitig, und zahlenmässig höher als die informellen Transfers von Jung zu Alt. Den älteren Generationen «dolce far niente» vorzuwerfen, ist ungefähr gleich undifferenziert wie den jüngeren ihre längeren Ausbildungszeiten und ihre Auslandsemester anzukreiden und ihnen die tieferen Geburtenraten übel zu nehmen. Gerade die gesellschaftlichen Änderungen, der jede Generation ausgesetzt ist, machen das Kalkulieren der Risiken so schwer.
Wenn wir von Generationengerechtigkeit sprechen, meinen wir in der Schweiz nicht nur die kommenden Generationen, sondern auch die zwei Generationen von Rentenbezügern und Rentenzahlern, welche sich nun in der politischen Diskussion so unversöhnlich gegenüber zu stehen scheinen. Der Begriff beinhaltet aber nicht nur Fragen der intergenerationellen Gerechtigkeit, sondern auch der intragenerationellen Gerechtigkeit. Steckt ein Rentner in finanziellen Schwierigkeiten und ein Anderer nicht, bedeutet dies vielleicht, dass ein AHV Beitragszahler zusätzlich finanziell seinem Elternteil aushelfen wird und ein anderer das nicht tun muss. Wird das Rentenalter flexibilisiert, könnte das für Gutverdienende bedeuten, dass sie sich eine frühere Pensionierung leisten könnten als schlechter Verdienende.
Ähnliche intragenerationelle Gerechtigkeitsfragen stellen sich auch bei der Angleichung des Rentenalters der Geschlechter. Es können politische Stimmen vernommen werden, die meinen, dass eine Erhöhung des Rentenalters für die Frau solange noch ungerecht sei, wie diese in der Arbeitswelt für gleiche Arbeit noch nicht den gleichen Lohn erhalten. Das erscheint aber nur wenig einleuchtend, da wir eine Ungerechtigkeit schlecht als solche belassen können, mit der Argumentation, dass noch andere Ungerechtigkeiten zu bekämpfen seien. Stattdessen würde es Sinn machen, sich jeder Ungerechtigkeit Schritt für Schritt annehmen zu wollen.
Wenn man also genauer hinschaut, stellen sich bei der AHV komplexe Solidaritätsfragen mit einem langen Planungshorizont und mit ein paar unbequemen, unbekannten Grössen. Die sozialen und wirtschaftlichen Interdependenzen zwischen Jung und Alt sind aber zu vielschichtig, als dass man sie auf die Idee «die älteren Generationen dort und wir hier» vereinfachen sollte.
In einer Welt der zu einfachen politischen Patentrezepte, in Zeiten der zu starken Personalisierung der Politik inklusive Dominanzgehabe und teils blutleeren politischen Programmen, brauchen wir gerade bei solchen sozialpolitischen Themen den Mut, solidarische Werte zu vertreten. Ausserdem sollte es auch in der Politik zum guten Ton gehören können, Wissensdefizite zugeben zu dürfen, ohne auf der ganzen Linie als Politiker an Glaubwürdigkeit und Zustimmung zu verlieren. Jeder Bürger darf von den gewählten Parlamentariern in der momentanen Diskussion erwarten, dass diese nicht nur mit der nötigen Kompromissbereitschaft ans Werke gehen, sondern auch statt ideologischer Grabenkämpfe die realen gesellschaftlichen Konsequenzen ihrer Voten ins Auge fassen. Die Aufgabe der fünften Staatsgewalt der Schweiz, des Stimmvolks, wird es sein einen verantwortungsbewussten Gang an die Urne einzulegen, sollte die Altersvorsorge 2020 vors Volk kommen. Aufgrund des demografischen Wandels sei dann vor allem den jüngeren Generationen ans Herz gelegt, ihre Stimme abzugeben. Es bleibt aber sowieso zu hoffen, dass wir alle unsere Stimmmacht nutzen werden und dabei nicht nur unser eigenes Wohl, sondern auch das unserer Eltern, Grosseltern, sowie das unserer allfälliger Kinder und Enkel ins Auge fassen.
Wir holen Zeki von der Arbeit ab, um mit ihm Mittagessen zu gehen. Auf dem kurzen Weg zum Lunch fällt uns auf: Zeki wird auf der Strasse erkannt. Eine Gruppe Jugendlicher folgt uns kichernd, schliesslich trauen sich zwei Mädchen, Zeki um ein Selfie zu bitten. «Ja, das passiert schon öfters», erklärt er. «Und wenn ich mit meiner Freundin im Restaurant sitze und jemand kommt an den Tisch, dann nervt das schon ein bisschen. Aber sonst stört es mich nicht.»
Im Sommer 2013 wurde Swissmeme gegründet. Die Seite entstand weder nach langer Planung, noch war es Zekis Ziel, eine Plattform mit so vielen Followern aufzubauen. Eigentlich konnte er einfach nur nicht schlafen. «Ich lag wach und aus Langeweile habe ich die Seite erstellt und mein erstes Meme hochgeladen», erinnert sich Zeki. Und an das erinnert er sich noch genau: «Es war ein Forever-Alone-Meme und darunter stand: ‹Wenn du im Kino vergisst, dein Handy auf lautlos zu stellen, aber es egal ist, weil du eh keine Freunde hast.› Die Seite gewann schnell an Likes, vor allem, weil seine Themenauswahl und insbesondere das «Schwitzerdütsche» viele Menschen anspricht. Viele Memes auf Schweizerdeutsch oder über mit der Schweiz verbundene Themen habe es davor einfach nicht gegeben», erklärt Zeki.
Inzwischen hat Instagram Facebook als grösste Plattform für das Sharen der Swissmemes abgelöst. Und auch auf anderen Kanälen ist Zeki aktiv. Auf Youtube und Instagram betreibt er den Blog «zekisworld», im Rahmen dessen diskutierte er sogar schon mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Initiative «Erleichterte Einbürgerung». Sogar in der SRF Arena war er zu diesem Thema als Medienexperte zu Gast. «Klar, das Thema betrifft mich auch selbst. Ich werde auch fast bei jedem Interview danach gefragt.» Sonst hält sich Zeki und insbesondere Swissmeme bei polarisierenden Themen aber lieber zurück: «Politik und Religion, das thematisiere ich nicht.»
Das Team hinter Swissmeme besteht aus genau einer Person – Zeki. Er entwickelt alle Ideen, setzt diese um und übernimmt das Uploaden der Bilder sowie die Pflege der Page. Deshalb ist er immer damit beschäftigt, während unseres Mittagessens schaut er regelmässig auf sein Handy. Er erklärt uns, nach welchem Schema er vorgeht und worauf er achtet: «Ich poste hauptsächlich über Mittag Memes, da schauen sich viele Leute die Seite an. Wenn ich einen neuen Upload gemacht habe, schaue ich genau an, wie viele Likes und Kommentare in den ersten Sekunden kommen. Wenn ein Bild nicht nach einer Minute mindestens fünfzig oder sechszig Likes hat, dann lösche ich es sofort wieder, weil dann kommt es nicht gut an.» Für solche Fälle hat er immer ein paar Memes in petto: Im Laufe der Woche bereitet er immer wieder neue Memes vor, die er dann zum passenden Zeitpunkt postet. «Wichtig ist es, immer aktuelle Themen aufzugreifen, manchmal muss ich dann auch schnell ein neues Meme machen. Wenn es zum Beispiel gerade zu schneien anfängt, dann ist auf Swissmeme garantiert ein Meme mit Schnee.» Auch aktuelle Diskussionen greift die Seite auf, so zum Beispiel den Streit um die Zwei-Phasen-Kurse bei der Fahrausbildung. Daneben hat Zeki für ein gutes Meme kein besonderes Geheimrezept: «Es muss den Leuten halt einfach gefallen und sie müssen sich damit identifizieren können.»
Dass seine Memes zum Teil ohne Nennung seiner Seite weiterverbreitet werden, sieht Zeki inzwischen gelassen. Früher, als seine Seite selbst noch viel weniger Follower hatte, habe ihn das mehr gestört. «Ich habe mal ein Meme gemacht und das hat dann Kay One kopiert und auf seiner Seite geteilt. Natürlich hatte er deutlich mehr Likes als ich. Das hat mich damals ziemlich geärgert. Heute ist mir das nicht mehr so wichtig.» Und heute sähe der Vergleich der Anzahl an Likes wahrscheinlich auch ganz anders aus. Auch von Trolls und Hatern lässt Zeki sich nicht aus der Ruhe bringen. Solche Kommentare fallen ihm meistens gar nicht auf, sagt er gleichgültig. Und selbst wenn, hat Zeki das letzte Lachen: «Diese Leute checken nicht, dass alle ihre Freunde in ihrem Feed meinen Post sehen, auch wenn sie kommentieren, dass sie es scheisse finden. Das finde ich ironisch. Ich denke mir einfach nur: Scheissegal, hauptsache Reichweite.»
Von seiner Internetzpräsenz leben kann Zeki nicht. Seine Einnahmen aus Swissmeme und «zekisworld» gehen hauptsächlich auf Werbeeinnahmen zurück. Wenn Geld reinkomme, dann zwar auf einmal sehr viel, allerdings passiere das nicht regelmässig. Vollzeit arbeitet er deshalb bei LikeMag und wurde dort speziell wegen seiner Erfahrungen mit viralen Posts und erfolgreichen Pages eingestellt, erzählt er: «Ich baue im Moment für LikeMag eine Seite mit Fun Facts über die Schweiz auf. Die steht noch ganz am Anfang, aber im letzten Monat alleine habe ich dort immerhin 25.000 Follower dazugewonnen.»
Wo genau es für ihn hingehen soll und was er aus seinen Erfahrungen in Zukunft macht, das weiss Zeki noch nicht so genau. Eine ernsthafte Monetarisierung seines Swissmeme-Erfolges durch grossangelegte Werbekampagnen, Produktplatzierungen und Ähnliches strebt er nicht an. Allerdings hat er natürlich schon beratend einige Marketingprojekte begleitet und könnte sich auch vorstellen, dies professionell auszubauen. Hauptsächlich sieht Zeki sich aber als Comedian und Entertainer. «Ich plane gerade verschiedene Projekte, ich kann noch nicht viel sagen. Aber ich möchte auf jeden Fall mal auf die Bühne und ins Fernsehen, und ausprobieren, wie es mit Stand-Up-Comedy läuft», verrät er uns. Die Medienwelt sieht Zeki im Wandel, er ist sicher, dass das Fernsehen bald aussterben werde. Er will sich deshalb weiter insbesondere den Plattformen YouTube und Instagram widmen.
Sogar seine Freundin hat Zeki über Swissmeme kennen gelernt. Die beiden erzählen uns jeweils ihre Version der Geschichte. «Ich war im Militär und damals hatte es noch viel weniger Kommentare unter den Posts. Mir war so langweilig, dass ich tatsächlich angefangen habe, sie durchzuschauen. Und sie hatte das Bild kommentiert und ist mir dann gleich aufgefallen», erinnert sich Zeki. Sie dagegen konnte es erst nicht recht glauben: «Ich habe ein Bild auf Swissmeme kommentiert und plötzlich bekam ich einen Kommentar zurück: «Schöne Topfpflanze!», oder so, weil ich ein Selfie bei mir im Badezimmer als Profilbild hatte. Ich dachte erst, irgendeiner meiner Kollegen spielt mir einen Streich und wusste nicht, was ich antworten soll!» Am Ende sind die Beiden dann doch ins Gespräch gekommen. Der Rest ist Swissmeme-Geschichte.
Bilder: Alexander Wolfensberger / ZVG
Mit Trump, Erdogan und LePen erscheint der Faschismus wieder auf dem Parkett und die HSG reagiert zügig mit einem historisch-bewährtem Schweizer Erfolgsrezept: gnadenloser Opportunismus. Als die links-versiffte und liberal-verkommene Mainstreampresse noch den Untergang bejammert, hisste die HSG schon die Segel und veranlasst eine präzise Kursänderung, um dem momentanen Zeitgeist Rechnung zu tragen. Eine Auswahl:
Zwar rühmte sich die HSG schon lange mit Internationalität, kann sich aber der Torheit der politischen Rechte nicht komplett entziehen. Bei den Studiengebühren zeigt sich bereits, dass die Praxis nicht unbedingt dem Selbstbild entspricht. In Zukunft wird die internationale Ausrichtung weiter beschränkt, und wie wir aus Rektorat-nahen Quellen erfahren, wird dazu ein System der amerikanischen Customs and Boarder Protection (CBP) eingesetzt, dass sowohl effektiv, als auch effizient ist. «Anstatt eines rigorosen Aufnahmetests oder die finanziellen Mittel zu berücksichtigen, schauen wir nun einfach auf den Namen eines Bewerbers. Es braucht nur zwei Sekunden, um zu sehen ob jemand Martin oder Mohammed heisst … und zack, können wir entscheiden, ob er zu uns passt.»
Eine weitere Initiative dürfte besonders die Assessment-Studenten in helle Freude versetzen: In EWS pochte man noch auf das Einhalten des APA-Standards, in der WH gelten nun neue Richtlinien. Ab sofort reicht als Quellenangabe beruhigende Bauchgefühl-Rhetorik. Wahlweise dürfen Fakten mit «people say …» oder «I’ve heard …» eingeleitet und gleichzeitig validiert werden. Besser so. Das politische Klima beeinflusst indes nicht nur die Lehre, sondern auch die Architektur der HSG. In Plänen zur Campus-Erweiterung findet sich eine riesige
Mauer, die uns Polo-tragenden Leistungsträger vor der gemeinen Dorfbevölkerung schützen soll. Man versichert uns, dass so «die fackeltragenden Bauern mit ihrer kriminellen Energie aus dem Appenzellerland schön auf Abstand gehalten werden». Das wurde auch mal Zeit!
Und zu guter Letzt: Wer sich über die gelbliche Färbung des Wassers in den Gym-Duschen wundert, darf sich gern in Moskau weitere Informationen einholen. Vorsichtshalber raten wir bis dahin vom Trinken ab.
Wie sehen eigentlich die Frauen uns Männer? Stimmt, man könnte einfach fragen. Aber das ist in etwa so hilfreich wie etwas im SGMM nachzuschlagen. Jetzt soll es eine Möglichkeit geben, den Schleier der Unwissenheit zu lüften: «The Truth about the other Sex»: Ein Blog, der vom Alltag einer jungen Frau erzählt, ihren Begegnungen und Erblebnissen, und ihrem mühsamen Weg von Verwirklichung und Erkenntnis.
Bereits der Name verrät, dass uns nicht Plattituden und Floskeln erwarten, sondern viel Wahrheit, auf die man nicht gefasst war. «Ich liebe das weibliche Gehirn», schreibt die Autorin Professionalsassy, denn «in nur weniger als zwei Margaritas in der Lieblings Cocktailbar werden schon die besten Analysten neidisch, wie wir [zwei Frauen] den ganzen WhatsApp-Verlauf von drei Wörtern auseinandernehmen und die Namen seiner, deiner, eurer Kinder bestimmen.» Man kann sich gut vorstellen, wie die beiden Frauen in der Bar philosophieren. Und so schmunzelt man immer wieder über die Details, die nur ein findiger und selbstironischer Beobachter findet. Dieser Blog analysiert die weibliche Hälfte der Menschheit mit Charme und Präzision. Allerdings sollte man nicht auf Tragik, grosses Kino oder irgendwelche Offenbarungen hoffen. Wer aber über den Alltag und die Welt an sich nachdenken will, der wird diesen offenen und spitzfindigen Blog ins Herz schliessen.
«The Truth about the other Sex» verbindet die Beobachtungen zwischenmenschlicher Beziehungen und eigener Meinung mit viel Humor. Durch diese seltene Mischung fühlt man sich sofort angesprochen und kommt nicht darum herum, am nächsten Tag genau die gleichen Dinge zu beobachten. Es bleibt zu hoffen, dass Professionalsassy ihren Weg weitergeht und uns auf ihre Abenteuer mitnimmt. prisma empfiehlt die gelegentliche Lektüre ihres vergnüglichen Blogs.
Das Funkeln in seinen Augen werde ich nie vergessen. Die Freude und den Stolz wollte er der ganzen Welt mitteilen. Mein Grossvater, selbst HSG-Alumnus, war begeistert von meiner Entscheidung an der Universität St. Gallen den akademischen Abschluss zu machen. Selbst stolzer Absolvent der HSG und immer noch Mitglied der Alumini wurden bei ihm alte Erinnerungen an seine Studienzeit wach. So erzählte er, dass man sich bloss für Russisch einschrieb, weil die Professorin berühmt berüchtigt dafür war, später noch etwas mit ihren Studenten trinken zu gehen. Besonders in Erinnerung geblieben ist meinem Grossvater jedoch der Ausflug nach Paris, organisiert von der französischen Handelskammer. Diese einmalige Gelegenheit erhielt er aufgrund der Zimmervermittlung für Studenten, welche er organisierte. Generell war mein Grossvater sehr aktiv, nebst dem Engagement in akademischen Klubs, war er bei der damaligen Skriptekomission tätig. Dieses Engagement wurde von den Dozenten sehr geschätzt.
Ob früher alles besser war, sei dahingestellt. Dass es jedoch an der HSG familiärer zuging, steht ausser Frage. Dies ist bei einer Studentenschaft von 900 Personen im Vergleich zu den heutigen über 8000 Studenten selbstverständlich. Das familiäre Feeling war vor allem vom engen Kontakt zu den Dozenten geprägt. Die Professoren kannten ihre Studenten beim Namen. Aufgrund des Testat-Heftchens, eine Art Anwesenheitsbüchlein, war der persönliche Kontakt gewährleistet. So mussten Studierende jeweils vor und nach der Stunde beim Dozenten eine Unterschrift einholen. Dass heisst jedoch nicht, dass von den Studenten immer alle Vorlesungen besucht wurden. Die Vorlesungen jener Dozenten, die nichts als ihre eigenen Bücher zitierten, wurden oft durch Jasskarten und Bier ersetzt. Unersetzlich waren hingegen die Einladungen der Dozenten und einmal sogar des Rektors Walter Adolf Jöhr zum gemeinsamen Schneewandern im Toggenburg.
Genauso gang und gäbe waren andere Veranstaltungen mit den Dozenten. So konnten die Studenten unkompliziert mit den Professoren ein Schwätzchen halten. Zu politischen Diskussionen wurde von einem Professor namens Kurt Furgler geladen. Furgler wollte damit seine Popularität steigern, um dann später Bundesrat werden zu können. Damals war es auch möglich, sich einen Spass mit einem Professor zu erlauben und dessen Frau zu entführen. Die Professoren waren jedoch nebst witzig und ehrgeizig auch weise. So riet der spätere Rektor Willi Geiger meinem Grossvater vom Doktorieren ab. Begründung: Er sei ein Praktiker. «Dass kann nur einer sagen, der einen kennt», meinte mein Grossvater dazu. Gerechtigkeit war ein anderer Wesenszug vieler Dozenten. So gingen viele Professoren gezielt gegen Herablassungen vor. Einige seien sogar sozial gesinnt gewesen. Leibhaftig erinnert sich mein Grossvater an den krawattenlosen Professor. «Das war damals eine Revolution», beschreibt Widmer diese Entscheidung des Dozenten.
Doch nicht nur das Studium war viel familiärer, als dies heute der Fall ist. Auch das Wohnen war von heimeliger Vertrautheit geprägt. So lebten viele Studenten, die nicht aus der Ostschweiz stammten, bei sogenannten Schlummermüttern. Sie halfen diesen älteren Damen im Haushalt und erhielten dafür Kost und Logis umsonst. Wohngemeinschaften wie es sie heute gibt, waren grösstenteils inexistent.
Der Ruf der HSG als Eliteuniversität ist nicht erst seit gestern etabliert. Schon in den 60er-Jahren war die HSG sehr renommiert. Jürg Widmer, Student der HSG in den 60ern, hatte damals die Wahl zwischen der Universität Bern und der HSG. Andere Universitäten boten seinen gewünschten Studiengang, namens Rerum publicarum, nicht an. Die Universität seiner Heimatstadt war ihm zu gewöhnlich und der exzellente Ruf der Hochschule überzeugte ihn viele Kilometer entfernt von seiner Heimatstadt zu studieren. Der überdurchschnittlich hohe Ausländeranteil an der HSG war schon dazumals gegeben. Es waren vor allem norwegische Staatsangehörige, die an der HSG studierten. Deutsche und Österreicher waren eher selten.
Neben dem Ruf der HSG hat sich auch das blühende Vereinsleben derselben gehalten und sogar noch weiter entwickelt. Den Akademischen Klub, dem mein Grossvater angehörte, gibt es indes nicht mehr. Lebendig ist der Klub allein noch in den Köpfen der ehemaligen Mitglieder: «In der nicht farbentragenden Verbindung zahlte damals derjenige, der zuerst unter dem Tisch lag», erzählte Widmer. Er fuhr fort, dass darum die Studenten auf der Toilette Sardinen verspeisten und so mehr zu trinken vermochten. So war ihnen der Trinkspass umsonst gewährleistet. Dafür sorgten jedoch auch teilsweise Prof. Dr. Kaufmann und seine Frau, indem sie die Ausflüge des akademischen Klubs mit Getränken belieferten. Der Steuerrechtsprofessor verfolgte damit aber keine materialistischen Ziele. Seine Motivation war eine intrinsische: Begeisterung für diese Verbindung.
Mit den Computern im Keller anstatt auf den Tischen ist digitales Arbeiten schwer. Natürlich gab es in den 60er-Jahren bereits die ersten Computer, jedoch waren diese nur für Spezialisten gedacht. Für die Notizen wurde deshalb auf Schreibmaschinen zurückgegriffen. Diese waren jedoch nicht in jedermanns Besitz. Jürg Widmer hatte das Glück die seines Grossvaters zu besitzen. Mit seiner «Hermes Baby» konnte er schnell und einfach die zentralen Punkte der Vorlesung festhalten. Die während den Seminaren verteilten Blätter wurden ebenfalls mit Hilfe von Schreibmaschinen erstellt. Ansonsten gab es keine auch nur annähernd technische Hilfsmittel. Die Professoren schrieben auf die Tafel oder erzählten frei, fast so, wie es sich viele von uns aus der Primarschule gewohnt sind. Auch für den Umzug auf den Rosenberg im Jahr 1963 wurde auf Menschenkraft gesetzt. So schleppten Studenten die Kisten von der Stadt auf den Hügel. Dafür wurde ein Umzug-Komitee gegründet. Monetär entlohnt wurden die Studenten zum Dank indes nicht. Dafür gab es eine Einladung zum Essen.
Die fehlende Technik sowie die massiv kleinere Anzahl an Studenten machten ein Bidding nicht nötig. Eine Startwoche gab es nicht und das Assessmentjahr erst recht nicht. Das heisst jedoch nicht, dass sich die Studenten nicht beweisen mussten. Die HSG galt als strenge Hochschule, während viele andere Universitäten ziemlich leger waren. So war es Jürg Widmer auch nicht möglich, sich wie im Gymnasium kaum mit der Materie zu beschäftigen. «Mein Vater sah an der HSG eher als im Gymnasium, ob ich etwas machte», meinte Widmer dazu. Aufgrund seiner eher faulen Art im Gymnasium wurde er auch als beinahe Klassenschlechtester von seinen damaligen Mitschülern belächelt als er kundgab, dass er an der HSG studieren werde. Abgeschlossen hat der pensionierte Steuerrevisor dennoch ziemlich anständig. Anhand dieses Beispiels zeigt sich der hohe Stellenwert eines Abschlusses der HSG in der Wirtschaftswelt.