Die Universität St.Gallen ist unter normalen Umständen eine politisch neutrale Institution. Aber das, was wir zurzeit in der Ukraine erleben, kann nicht unter dem Deckmantel der politischen Neutralität ignoriert werden. Heute hat ein europäischer Landkrieg begonnen und aus der Vergangenheit wissen wir, dass wir dies niemals noch mal zugelassen werden darf. Der Angriff eines demokratieverachtenden Despoten auf ein friedliches, souveränes und demokratisches Land kann nicht einfach hingenommen werden. Über Gesetze lässt sich streiten, über Menschenleben nicht. Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Die Universität muss sich mit der Ukraine solidarisieren. Demokratie ist unser höchstes Gut, wir müssen Sie beschützen, um jeden Preis. Der Angriff auf die Ukraine ist ein Angriff auf den Westen. Es ist ein Punkt erreicht, an dem Neutralität nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Die Universität hat im vergangenen Jahr einen Ethik-Kodex veröffentlicht. Das erste Prinzip dieses Kodex ist der Schutz der akademischen Freiheit. Es ist nicht zu leugnen, dass das Untergraben der politischen Ordnung in Europa die akademische Freiheit langfristig in Gefahr bringen kann. Um den eigenen Prinzipien und Ansprüchen gerecht zu werden, ist ein starkes Zeichen gefragt. Der Krieg in der Ukraine ist eine Schande für Europa und ein klarer Bruch internationalen Rechts. Auch wenn der Krieg für viele weit entfernt erscheint, ist es dies nicht. Wir alle sind direkt von dem abscheulichen Handeln betroffen, denn es stellt den Zusammenhalt der ukrainischen Partnerländer auf die Probe und gefährdet die Welt, so wie wir sie bisher gekannt haben.
Sehr geehrter Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller, ich fordere Sie als Repräsentant der Universität St.Gallen auf, sich und die Universität mit der Ukraine zu solidarisieren. Zeigen Sie, dass Demokratie nicht verhandelbar ist. Zeigen Sie, dass ihnen die vielen Menschenleben, die in Gefahr sind, wichtig sind. Und zeigen Sie, dass Krieg niemals die Lösung der Probleme sein kann. Als Rektor haben Sie eine Vorbild- und Repräsentationsfunktion, nutzen Sie dies und machen Sie auf das Recht auf Demokratie, Freiheit und Souveränität aufmerksam.
WICHTIG:
Die inhaltliche Ausrichtung dieses Artikels entspricht der persönlichen Haltung des Redaktors und gibt dessen Meinung wieder. prisma ist als Initiative der SHSG inhaltlich sowie politisch neutral. Inhalte repräsentieren nicht die Haltung der Universität St.Gallen.
Ich überlegte mir, ob ich mich entschuldigen solle, dass hier keine Argumente für die Wichtigkeit eines Pride Months ausgeführt werden oder weshalb Toleranz gegenüber Pride gezeigt werden sollte. Bis ich realisiert habe, dass alle, die solche Argumente verlangen, weitaus mehr in Erklärungsnot stehen als die, welche diese nicht liefern.
Was aber diesbezüglich wichtig ist: Niemand sollte versuchen tolerant zu sein. Klingt ganz schön verwirrend, erst diese Sache mit dem Pride Month und dann soll man nicht tolerant sein? Genau, denn beim Versuch tolerant zu sein, stellt sich die Frage: Wer gibt irgendjemandem überhaupt das Recht tolerant zu sein?
Das Grundlegende Problem liegt im Zusammenhang mit der Interpretation des Wortes «Toleranz». Ich bin zum Beispiel nicht Mitglied des Fussballklubs in meinem Heimatort, trotzdem tolerieren mich die Mitglieder, wenn ich ab und zu mitspiele. Das ist ein Beispiel für gerechtfertigte Toleranz. Der Fussballklub ist ein Verein, für welchen die Mitglieder einen Beitrag zahlen, um ein Teil davon zu sein und immer mitspielen zu dürfen. Dies gibt ihnen somit auch das Recht, Nichtmitglieder auszuschliessen. Und mit diesem Recht ausschliessen zu dürfen, kommt auch das Recht der Toleranz.
Exakt aus diesem Grund hat niemand das Recht, jemanden zu tolerieren «trotz» seiner ethnischen oder sozialen Herkunft, sexuellen Orientierung, Geschlecht, Glauben oder Beeinträchtigung. Denn kein Mensch hat das Recht oder sollte überhaupt die Arroganz besitzen, sich über einen anderen Menschen aus einem dieser Gründe zu stellen, nur um sich dann die Freiheit zu nehmen auszuschliessen oder zu tolerieren.
Was heisst Pride?
«Ach Pride, das war doch dieses Ding mit diesem
LBTG….LTGB…LGTB…oder was auch immer». Nein, Pride heisst nicht nur LGBTQ+.
Pride steht für die freie (Persönlichkeits-) Entfaltung jeder Person in
jeglicher Hinsicht. Jeder der eine Persönlichkeit hat, beziehungsweise diese
entfalten will, ist Teil der Pride-Community und rückbezüglich sollten sich
alle, die sich nicht als Teil von Pride sehen überlegen, was das über die
eigene Persönlichkeit aussagt.
«Was ist mit dem «Hetero Month»?»
Wie bereits erwähnt ist Pride nicht nur LGBTQ+ und ein Pride
Month somit nicht ausschliesslich für die LGBTQ+-Community, sondern schliesst
auch heterosexuelle Personen mit ein. Aber es ist wahr, dieser Monat legt einen
bestimmten Fokus auf Member der LGBTQ+-Community und zelebriert diese
spezifischer. Das ist auch gerechtfertigt und nötig, denn LGBTQ+ Personen
werden immer noch diskriminiert und ausgeschlossen. Dies geschieht auf sozialer
Ebene in Form von Blicken, Anfeindungen und genereller Stereotypisierung, aber
auch auf politischer Ebene beim Blutspenden oder der abartigen Idee, dass
Menschen, welche nicht unter dieser Diskriminierung leiden, massgeblich
mitentscheiden durften, ob die Ehe für alle erlaubt werden sollte.
Aber dennoch bin ich beeindruckt von den Menschen, welche an
einer Universität sind und nach dem «Hetero Month» fragen. Diese Menschen
bewältigen nämlich das Bestehen an einer Hochschule und das, obwohl sie
scheinbar die restlichen elf Monate des Jahres geistig komplett abwesend oder
in einem Winterschlaf sind. Dies scheint zumindest die einzige Erklärung zu
sein, wie jemand das Fehlen der Diskriminierung gegenüber heterosexuellen
Personen das ganze Jahr hindurch verpassen kann, was schlussendlich jeden Monat
zu einem «Hetero Month» macht.
Show your support -Events
Der Pride Month 2021 bietet nicht nur Information über das
Thema Pride an, auch das selbst aktiv werden ist gewünscht. So liegen
einerseits vor dem in der Bibliothek und am Infodesk im Hauptgebäude Sticker,
Pins und Infobrochüren aus, andererseits können auch viele Events besucht
werden. Dazu gehören zum Beispiel die Podiumsdiskussion mit Prof. Dirk Schäfer
und das Q(ueer)&A (eine Fragerunde mit Personen der Buchstaben L, G, B und
T) und vieles mehr.
Alle Informationen zum Pride Month und den Events findet ihr
«hier»
Vergangene Woche wurde die Reform für die Anrechnung externer Leistungen ab HS22 bekannt gegeben. Eine der grundlegenden Änderungen ist dabei, dass zukünftig die im Austausch erzielten Noten nicht für den Graduierungsnotenschnitt berücksichtigt werden. Bis auf wenige Ausnahmen werden die meisten Studierenden somit Kurse im Ausland belegen und für gute Leistungen nicht mehr belohnt.
Weshalb es zu diesen Änderungen gekommen ist, wird den Studierenden nicht erklärt. Auf Nachfrage hin lag es unter anderem daran, dass Studierende an anderen Universitäten bessere Noten erzielt hätten als an der HSG selbst. Im StudentWeb ist lediglich von „zukunftsweisend und planbarer“ die Rede. Wahrscheinlich haben jedoch die meisten Studierenden von den kommenden fundamentalen Änderungen gar nicht erst etwas mitbekommen. Warum zudem keine Informationen oder Stellungnahme von Seiten der Studentenschaft veröffentlicht wird, ist nicht nachvollziehbar, vielleicht ist die Thematik ja sogar am Vorstand vorbeigegangen. Aber eine proaktive, studierendenorientierte Kommunikation ist das wohl nicht.
Weder fortschrittlich noch konsequent
Ja, es gibt Studierende, die während des Austausches bedeutend bessere Noten erzielt haben als an der HSG. Aber das darf und sollte nicht der Grund sein, weshalb zukünftig keine Noten im Ausland angerechnet werden sollten. Zwar befindet sich die HSG auf einem, verglichen mit anderen Universitäten, akademisch hohen Niveau, doch ist es leicht befremdlich, sich als so dermaßen elitär zu positionieren und jegliche Leistungserbringung an anderen Universitäten zu verkennen. Wenn es zu einem solch durchgehend systematischen Leistungsunterschied kommt, dann muss man sich schlussendlich auch selbst hinterfragen. Aber pauschal alle Austauschstudierende zukünftig mit keiner Anrechenbarkeit der Kurse zu bestrafen, kann doch auch keine Lösung sein. Schlussendlich macht es den Austausch unattraktiver, wo doch in der heutigen Zeit internationale Erfahrungen grundlegend für den erfolgreichen Berufseinstieg sind.
Doch wenn sich die HSG unbedingt vor einer ausländischen Notenmigration schützen möchte und damit dem “Schweiz sein” wohl alle Ehre macht, dann bitte auch in allen Bereichen. Denn: Die HSG kommuniziert mit ihrem Verhalten, dass das Erzielen von guten Noten an der HSG wesentlich schwerer ist als an anderen Universitäten. Wenn das jedoch die Einstellung der Universität ist, dann gibt es keinen Grund mehr, im Master den Schnitt des Bachelorzeugnisses heranzuziehen. Denn dort würden nach Logik der Universität eben jene Studierende profitieren, die keinen Bachelor an der HSG absolviert haben. Aber zurzeit bleibt das konsequente Handeln auf der Strecke liegen, sodass letztendlich niemand von der Änderung profitiert.
Mein Name ist nicht Maximilian. Auch fahre ich nicht saisonbedingt verschiedene Autos. Lieber lasse ich mich fahren. Aktien handle ich per se nur auf dem Rohstoffmarkt. Gegen Normalverdiener habe ich nichts, denn sonst gebe es die Linken nicht. Das wäre eine Tragödie, denn ohne die Linken hätten die Freisinnigen weniger Auftrieb. Eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit liegt mir fern; das wäre schlecht fürs Business. Und ja, ich bin zufälligerweise ein Mann. Ein neoliberaler, unreflektierter, überheblicher, chauvinistischer HSG-Student – Teil der dominierenden, frauenunterdrückenden 65 Prozent an der Universität St.Gallen. «Was läuft mit dem Typen falsch?», plärren Sie empört. Recht haben Sie!
Wenn man sich den Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Beschorner und Prof. Dr. Miriam Meckel im St.Galler Tagblatt vom 17.03.2021 so durchliest, gewinnt man aber genau den oben geschilderten Eindruck einer verlorenen männlichen «Elite», welche Themen aus den «Gender Studies» lediglich an stammtischähnlichen Zusammenkünften in einem despektierlichen Kontext verwendet, um sich über die Situation im «ehelichen» Haushalt zu beschweren. Nach der Lektüre habe ich fast schon begonnen, meine Integrität und eigene Identität in der allgemein bekannten, auf dem Rosenberg vorherrschenden «HSG-Bubble» zu hinterfragen.
Notabene:
Der Artikel wurde von einer Professorin und einem Professor der Universität
St.Gallen selbst geschrieben. Von Personen, die an unserer Universität lehren,
forschen und damit regelmässig mit den unterschiedlichsten Studierenden in
Kontakt kommen. Sich in interessanten Diskursen, Unterhaltungen und Debatten vertiefend
mit den verschiedensten Meinungen auseinandersetzen. Das zumindest ist meine
Vermutung und umso entfremdender erscheint mir der Gastbeitrag. Selber habe ich
bisher noch keinen Kurs bei den beiden Ordinarien besucht; habe dies auch nicht
vor, denn sonst könnte ich diesen Kommentar nicht schreiben.
Vermeintliche Zerschlagung eines gordischen Knotens
Begeben wir uns auf eine Reise zurück in die Vergangenheit: Komischerweise nahm alles seinen Anfang mit einem Maximilian. Oder wohl eher mit Max G. (Name der Redaktion bekannt), so zumindest hat das St.Galler Tagblatt die Identität dieses HSG-Studenten verschleiert – oder sollte ich eher «zensiert» sagen? Als verschmähter Ritter in goldener Rüstung auf dem weissen Ross, kam unser Kommilitone zur Zerschlagung des gordischen Knotens daher geritten. Weniger um die Herrschaft über Asien zu erlangen, sondern eher, um die HSG vor dem unvermeidlichen Untergang zu retten. Nach einer angeblichen «Zensur» durch das prisma – eines inhaltlich «faktisch nicht korrekten» Artikels – wandte sich Max schamlos jener Stelle zu, die sich durch eine noch grössere Polemik als seine eigene auszeichnete: dem St.Galler Tagblatt.
Eine
solche Handlungsweise war und ist nach wie vor dem mittlerweile durch die
Abstimmung ein vorübergehendes Ende ereilten Diskurs nicht dienlich, sondern
politischer Aktionismus. Entschuldigen Sie die klaren Worte, aber das geht den
Leuten mit der Zeit einfach nur noch auf den Sack.
Schlussendlich hatte Max genug Unterschriften gesammelt, um eine Urabstimmung zur Namensänderung der «Studentenschaft» zu erreichen. Es wäre übrigens ohne die medienwirksame Einmischung und die meisterhafte Selbstdarstellung von Max G. unweigerlich zu einer Abstimmung zu diesem Thema gekommen, da sich das Studentenparlament für eine neutrale Bezeichnung im Universitätsgesetz entschieden hatte, um genau dieses Thema den Studierenden zur Abstimmung vorzulegen. Man konsultiere hierzu die einschlägigen Protokolle.
Eine Waffe gegen die Resignation
Was
rufen Sie mir da hinter Ihrem bläulich schimmernden Bildschirm zu? Die
anekdotische Erwähnung des maximilianischen HSG-Stereotyps war von Herrn
Beschorner und Frau Meckel nur halb ernst gemeint? Da haben Sie wohl Recht,
wobei ich mir da nicht ganz sicher bin. Damit füttern die beiden Ordinarien jedoch
genau den «Qualitätsjournalismus» von heute; jene journalistische Zyste, die
sich seit Jahren der unreflektierten, einseitigen Berichterstattung über die
HSG verschrieben hat. Sie tragen einen Beitrag für das «hauptsache-die-HSG-bashen-um-der-Klicks-willen»-Prinzip
eines preisgekrönten Ostschweizer Mediums.
Das Meme um Maximilian ist gerade deshalb so populär, weil es fern der Wirklichkeit liegt – unzweifelhaft mit wenigen Ausnahmen. Es ist das Zeichen einer Gemeinschaft von Studierenden, die es leid ist, ständig mit diversen unrealistischen Stereotypen in Verbindung gebracht zu werden. Es ist das Zeichen einer Rebellion gegen die mittlerweile von eigenen Professoren übernommenen Meinungshaltungen gegenüber ihren eigenen Studierenden. Deshalb wird das Bild des «typischen» HSG-Studenten in der Erscheinung des Maximilians so gefeiert und trotzdem sehen wir es als das, was es ist: Einen vermaledeiten Witz. Eine Waffe gegen eine einsetzende Resignation.
«Studierende haben sich einen Bärendienst erwiesen»
Die
Wahlbeteiligung von mageren elf Prozent sei keine Entschuldigung, sondern
Ausdruck der Gleichgültigkeit. Gleichzeitig sei es offensichtlich, dass «gendern»
für Maximilian «irrelevant» sei. Wie die beiden Ordinarien auf letzteres kommen,
erscheint schleierhaft. Fakt ist: Herr Beschorner und Frau Meckel ist entgangen,
dass sich die Mehrheit der Studierenden für eine Abänderung sämtlicher
Reglementarien in eine genderneutrale Sprache ausgesprochen haben. Das alleine
schon zeugt davon, dass den HSG-Studierenden Diversität und Inklusion wichtig
sind.
Im
Rahmen des demokratischen Abstimmungsprozesses hat eine Mehrheit der
Studierenden sich dafür entschieden, den Namen «Studentenschaft» beizubehalten.
Der Rest, der nicht abgestimmt hat, hat sich – das lässt sich durchaus sagen –
implizit für eine Gleichgültigkeit entschieden. Damit vermutlich auch ein
Grossteil der Studentinnen, welche insgesamt 35 Prozent an der HSG ausmachen
und mit einer Leichtigkeit bei der geringen Wahlbeteiligung hätten den
Ausschlag zur Umbenennung in «Studierendenschaft» geben können. Das mag bedauerlich
sein, aber direkt von einer «frauenfeindlichen» Universität zu sprechen und die
Beibehaltung des Status Quo für die Erhöhung des Frauenanteils an der HSG als nicht
förderlich zu bezeichnen, ist nicht nur reine Spekulation, sondern scheint
einem Wolkenkuckucksheim entsprungen zu sein. Niemand in der Geschichte der
Universität St.Gallen, der sich aufrichtig für ein hiesiges Studium
interessiert hat, hat ernsthaft nach einem Blick auf den Namen der
studentischen Dachorganisation, der «Studentenschaft», die Beine in die Hand
genommen und ist an die WHU geflüchtet.
Wenn
jetzt Personen von hohem Status extern wie intern den Finger auf die Studenten der
HSG – den männlichen Maximilian – richten und behaupten, es werde eine
maskuline, reaktionäre Realität auf dem Rosenberg reproduziert, dann erscheint
eines ganz klar: Jene, die uns eine solche Realität unterjubeln wollen, sind
Sie. Geschätzter Herr Beschorner, geschätzte Frau Meckel, wir haben uns «mit
diesem Entscheid keinen Bärendienst erwiesen», sondern wir lassen uns erst gar
keinen Bären aufbinden.
Dem moralischen Imperativ verfallen
Gleichgültigkeit
hin oder her. Die ganze Causa zur Namensänderung zeigt auch das, was wir
Studierende schon lange wussten. Die «Studentenschaft» als Organisation geht leider
Gottes mindestens 89 Prozent der Studierenden am Podex vorbei. Es gibt viele
unter uns, die bis zum Ende ihrer studentischen Karriere nicht einmal mit der «Studentenschaft»
in Kontakt gekommen sind, geschweige denn diese bewusst wahrgenommen haben. Das
ist ein Problem, mit welchem die «Studentenschaft» als Organisation seit Jahren
zu kämpfen hat.
Die Studierenden wählen die Gleichgültigkeit wohl aus praktikablen Gründen. Die tatsächliche Realität liegt nicht im Namen der Dachorganisation aller Studierenden, sondern sie läuft auf dem Campus ab. Sie obwaltet in Gruppenarbeiten und -präsentationen. Sie geschieht im Ausgang, im adhoc, im Meeting Point, in der Stadt oder in irgendeiner der zahlreichen Studentenwohnungen. Man trifft sich in den Vorlesungen, trinkt während der Pause zusammen einen Kaffee, gönnt sich das «vorzügliche» Mensaessen, führt unglaublich viel Smalltalk und lernt die unterschiedlichsten Leute aus aller Welt kennen. Da verstehen die Schweizerinnen und Schweizer sich plötzlich mit den Deutschen. Kulturelle Differenzen werden überwunden. Die tatsächliche Realität liegt im Puls, der auf unserem kleinen Campus an unserer überschaubaren, familiären Universität schlägt. Darum ist die aktuelle Lage auch eine absolute Tragödie für unser aller Leben. Und vor allem ereignet sich in dieser Realität das, was in einem Gastbeitrag im St.Galler Tagblatt unserer Universität aberkannt wurde: Inklusion und Diversität. Die Plätze im Audimax sind bereits genug eng – auch ohne übertriebenes Manspreading.
Es scheint mir, als würden einige Leute nicht ganz begreifen wollen, dass man noch lange um den heissen Brei reden, philosophieren und kritisieren kann, aber letzten Endes kommt es darauf an, was tatsächlich geleistet wird. Beispielsweise die Bemühungen der Universität St.Gallen, den Frauenanteil in zahlreichen bereits stattgefundenen und noch bevorstehenden Berufungen zu fördern und auszubauen. Bezeichnend sind jene Aktionen, die wir als Menschen und Angehörige der HSG unternehmen, um auch tatsächlich etwas an der aktuellen Situation und am geringen Frauenanteil zu ändern.
Sprache
schafft Realität, da gebe ich Ihnen, Herr Beschorner und Frau Meckel, Recht. Vielleicht
sollten Sie sich jedoch zur Abwechslung zusätzlich auch mit der tatsächlichen,
stark ausgeprägten, auf dem Campus stattfindenden, sich einer ständigen
Entwicklung unterliegenden Realität auseinandersetzen. Unter Umständen werfen
Sie doch mal einen Blick auf die durch die Studierenden selber, bottom-up geschaffene
Identität und setzen das Abstimmungsresultat damit in Relation, anstatt auf
einer Metaebene von der Kanzel aus den kantschen, kategorischen oder eher den
moralischen Imperativ zu predigen.
Behaltet euren Mut
Wir
sind nicht mehr die Handelshochschule St.Gallen, auch wenn uns dies einige
einreden möchten. Wir sind aber immer noch eine Business School. Gleichzeitig ist
die Universität St.Gallen alles andere als perfekt und hat noch einen weiten
Weg zu gehen – da sind wir nicht die einzigen. Trotz unserer Fehler und den
teilweise vorherrschenden Differenzen, verstehen sich die Studierenden der
Universität St.Gallen dennoch als eine Gemeinschaft, welche alle inkludiert.
Wir ziehen an einem Strang und sollten den Mut auch nach dieser erneuten
medialen «Zerreisprobe» nicht verlieren. Da können Sie mich gerne naiv nennen,
wenn Sie möchten, aber wenn nicht einmal mehr die eigenen Professorinnen und
Professoren an ihre Studierenden glauben, dann höre ich erst recht nicht damit
auf.
Ich verlasse Sie, werter Herr Beschorner und werte Frau Meckel, deshalb mit den folgenden Worten: Verlieren Sie sich nicht in einer ziellosen Selbstreflexion. Sie sind faktisch auf Lebenszeit gewählt, das wäre somit ungut für Ihre weitere Karriere. Fragen Sie sich nicht, welchen Anteil die Professorenschaft an dem Entscheid hatte. Glauben Sie mir, er ist nicht nur verschwindend klein, sondern praktisch nicht vorhanden. Und vor allem haben Sie mehr Vertrauen in Ihre Studierenden. Tauschen Sie sich in Ihren Vorlesungen oder in Ihrer Freizeit über diese Thematik mit jenen aus, die es betrifft: den Studierenden. Falls Sie das anders sehen sollten, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich bereits während der stattfindenden Diskussion miteinzubringen, anstatt ex post mit selbstgerechten Worten Ihre Studierenden anzugreifen. Dies bringt mich zu meinem letzten Punkt: Bitte klopfen Sie nicht mehr beim St.Galler Tagblatt an, um einen Gastbeitrag in solcher Art und Weise zu schreiben. Denn nicht der Ausgang der Abstimmung, sondern das ist zum Fremdschämen.
Die Forderungen der JUSO im Nachgang unserer Urabstimmung liessen nicht lange auf sich warten: Sie bezeichnen die HSG aufgrund des Abstimmungsergebnisses ihrer Studentenschaft als die «peinlichste Universität der Welt» und fordern nun eine Professur nach ihren Vorstellungen: Eine «Professur für feministische Ökonomie». Entsprechende Medienmitteilung lässt jegliches Verständnis für den demokratischen, inneruniversitären Prozess missen und verkennt die verdienstvolle universitäre Arbeit, die in unseren Schools bereits heute sowohl von Frauen wie auch von Männern geleistet wird. Ich bin kein Freund von name-dropping und mir ist ehrlich gesagt recht Hans wie Heiri, welches Geschlecht die Person vorne hat, welche gerade lehrt. Heute werde ich aber eine Ausnahme machen: Besonders beeindruckt hat mich in meiner universitären Laufbahn Frau Prof. Dr. Isabelle Wildhaber und Frau Prof. Dr. Michèle F. Sutter-Rüdisser. Für mich herausragende Repräsentantinnen für Kompetenz und Hingabe zu ihrem Fachgebiet mit stets einer Prise Witz und Leichtigkeit im Unterricht.
Die kritikwürdigste Universität der Welt
Die Wissenschaft, und mit ihr die gesamte Universitätslandschaft, muss frei sein und frei bleiben. Frei von jeglicher Ideologie, die diese Freiheit bedroht, egal von welcher Seite. Nur so kann das Spielfeld für den konstruktiven Lehrstreit um die besten Ideen der besten Köpfe nachhaltig gestaltet werden. Politische Einflussnahme, wie sie die JUSO nun fordert, hat einen totalitären Beigeschmack. Genau wie jede Forderung nach irgendwelchen Quoten. Die Einstellungspolitik der HSG richtet sich nach der Qualifikation der Kandidaten und ist überaus erfolgreich, auch wenn ab und an der Geist der Quote dennoch hier und da seine Runden zieht. Ich danke zudem der JFDP St.Gallen für ihre anerkennenden Worte unter dem Titel «Demokratie entspricht immer dem Zeitgeist» und wünsche der HSG, meiner «alma mater», der intellektuellen «Leuchttürmin» der Ostschweiz, weiterhin alles Gute auf ihrem selbstbestimmten Weg.
Bald wieder politisieren im adhoc
Als St.Galler bin ich sehr
dankbar und stolz an einer so renommierten Universität studieren zu dürfen. Ich
wünsche mir jedoch mehr politischen Diskurs mit meinen Kommilitonen. Am
liebsten bald wieder am Stammtisch im Wienerberg oder dem adhoc und seinem
vorgelagerten Festplatz. Gerne lade ich auch die JUSO ein, dann suchen wir
gemeinsam mal den vielgenannten Neoliberalismus in den Tiefen der Bierkrüge und
vielleicht können wir dann gemeinsam einstimmen: «HSG, du bisch viel meh als dis
Klischee».
Mit der Urabstimmung vom 8. bis 11. März nächster Woche wird über den zukünftigen Namen der SHSG entschieden. Gemäss der Umfrage des Instagram-Kanals von prisma ist die Abstimmung stark umstritten. Doch ob dafür oder dagegen, es wurde schon vielfach wissenschaftlich belegt, dass Sprache einen Einfluss auf uns alle hat: Wird beispielsweise nur die maskuline Form in einer Stellenausschreibung verwendet, fühlen sich Frauen weniger angesprochen. Bei der Verwendung des generischen Maskulinums fühlen sich Frauen sowie auch non-binary oder Trans Menschen oftmals nicht zugehörig.
In ihrer Repräsentationsfunktion der Studierenden gegenüber der Universität hat die SHSG grossen Einfluss auf die Studierenden sowie auf die Reputation der Universität und deren Aussenwahrnehmung. Die Universität bemüht sich zwar zunehmend um Frauenförderung, doch mit einem Anteil von 35% liegt sie im schweizweiten Vergleich noch deutlich unter dem Universitätsdurchschnitt von 51.4%. In Anbetracht dieser niedrigen Quote hat die Universität deutlichen Aufholbedarf um in Zukunft als weniger männerdominiert wahrgenommen zu werden.
Mit der Umbenennung der Studentenschaft in Studierendenschaft würde sich die SHSG für eine nicht-diskriminierende und inklusive Kultur an der Universität St.Gallen positionieren und gleichzeitig das Verwenden von genderneutraler Sprache vorleben und fördern. Zudem würde der Begriff schlicht Tatsachen reflektieren, denn die SHSG besteht nicht nur aus männlichen Studenten und engagiert sich laut der eigenen Website «für die Studierenden». Mit der Umbenennung in «Studierendenschaft» wird niemand ausgeschlossen oder benachteiligt, sondern Frauen und FLINT Personen generell inkludiert.
Schliesslich noch zum Thema der Kosten der Umbenennung: Die oft genannten CHF 180’000 wurden von Seiten der SHSG nie belegt und scheinen aus der Luft gegriffen zu sein. An der Universität Bern wurde die Umbenennung zu einem Bruchteil der Kosten durchgeführt. Sollte die Wirtschaftsuniversität St.Gallen aber Beratung in Sachen Kostenmanagement benötigen, hilft Bern sicherlich gerne weiter.