Kein Ende der Revolution in Sicht

Es braucht sehr viel, um Menschen zu einer Revolution zu bringen. Doch wie beendet man diese wieder? Nach 52 Jahren Krieg steht Kolumbien vor dieser Frage.

An was denken wir, wenn wir «Revolution» hören? An die französische Revolution. Wir stellen uns den kleinen Mann vor, der sich trotz eigener Ohnmacht gegen die Repression des korrupten, kriminellen Regimes auflehnt. Wir sehen den Kampf gegen den Status Quo, die gerechte Umverteilung, den Fortschritt. Wir denken an Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Realität sieht meist anders aus. Auch wenn eine Revolution im Namen dieser Werte ins Leben gerufen wird, verwandelt sie sich rasch in viel Leid. Was als schwarz-weisses Bild begonnen hat, ist bald nur noch in unterschiedlichen Graustufen erhältlich. Und was passiert, wenn es keinen eindeutigen militärischen Sieg der einen oder anderen Seite gibt? Wie beendet man eine Revolution?

Das Volk will kein Ende
Ein solcher Versuch können wir in Echtzeit mitverfolgen. Nach 52 Jahren Krieg in Kolumbien hat die Regierung einen Friedenspakt mit den FARC-Rebellen geschlossen. Dieser beinhaltete die Abrüstung und Reintegration der ca. 7000 Rebellen, sowie die Umwandlung der militanten Bewegung zu einer legitimen politischen Partei. Für das Abkommen haben beide Seiten mit internationaler Unterstützung vier lange Jahre verhandelt. Davor waren bereits zwei Jahre nötig, um die beiden Parteien überhaupt an den Verhandlungstisch zu bringen. Es sah ganz so aus, als könne Kolumbien den Konflikt beilegen. Trotzdem ist das Friedensabkommen an 50,21 Prozent der 37,43 Prozent Kolumbianer, die beim Referendum abgestimmt haben, gescheitert.
Eine Minderheit der Kolumbianer glaubt auch nach 52 Jahren noch an eine militärische Lösung des Konfliktes und hält die Friedensverhandlungen für voreilig. Doch die Mehrheit der Wähler, die dagegen gestimmt haben, wollen einfach ein besseres Abkommen. Sie glauben, dass die FARC-Rebellen, welche für Tausende von Toten, Entführungen und eine Vielzahl anderer krimineller Vorgänge verantwortlich gemacht werden, unbestraft davonkommen.
Einen Plan B gäbe es nicht, sagte der kolumbianische Präsident noch vor der Abstimmung. Dennoch zeigten sich beide Parteien nach dem Referendum gewillt, eine weitere Lösung zu finden und den Waffenstillstand beizubehalten. Doch der grösste Feind eines weiteren Abkommens ist die nun herrschende Unsicherheit. Je länger diese währt, desto schlechter steht es um den Frieden im Lande. Ein Waffenstillstand ist sehr schnell gebrochen. Die Rebellen können nicht abrüsten, selbst wenn sie wollten. Ihnen fehlt jegliche rechtliche Absicherung. Auch die Verhandlungsposition der Regierung ist geschwächt, denn diese kann nicht liefern was sie verspricht. Dies betrifft nicht nur FARC, sondern auch andere militante Gruppen, welche sich von Anfang an skeptisch gegenüber Friedensverhandlungen zeigten.
Der Friedensprozess steht still. Und auch wenn dies nicht zwingend Krieg bedeutet, so steigt das Risiko mit jedem Tag der Unsicherheit. Als Aussenstehende können wir diese Haltung der Wähler bedauern, ja sogar verurteilen. Wie kann man den gegen Frieden stimmen? Steckt man aber selber drin, dann ist eine solche Entscheidung sehr viel schwieriger. Es ist die fundamentale Frage der Nachkriegszeit. Wie können Menschen, die sich einseitig oder gegenseitig schwer psychisch und physische verletzt haben, friedlich zusammenleben? Würden wir selbst den Frieden über die Gerechtigkeit stellen? Genau diese Frage macht das Beenden einer Revolution so schwierig, vor allem nach 52 Jahren.


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