Zwangsurlaub für die Rekursstelle

Die Rekursstelle der Studentenschaft hat die Aufgabe, die Reglementskonformität von Wahlen und Entscheidungen innerhalb der SHSG zu überprüfen. Jetzt ist sie handlungsunfähig, weil sie selber gegen die Reglemente verstösst.

Die Studentenschaft (SHSG) hat drei Organe: das Studentenparlament (Stupa), den Vorstand und die Rekursstelle. Letztere wird als Judikative aktiv, wenn es darum geht, Rekurse innerhalb der Studentenschaft zu klären. Sie ist nicht mit der universitätsinternen Rekurskommission zu verwechseln, welche lediglich Beschwerden gegen Verfügungen von Universitätsorganen über Prüfungen und Zulassungsfragen auf Rechtswidrigkeit prüft.
Sollte beispielsweise ein Studierender mit den Wahlen nicht einverstanden sein, weil Reglemente nicht eingehalten wurden, kann er bei der Rekursstelle einen Rekurs einreichen. Solche Beschwerden tragen sich selten zu. Im letzten Amtsjahr kam es nur zu einem Rekurs. Die Rekursstelle hat somit im Einzelfall zu überprüfen, ob sämtliche Reglemente eingehalten wurden. Wenn diese Stelle nicht mehr in der Lage ist, selber Reglemente einzuhalten, stellt sich die Frage: Wie kann so etwas passieren?

Chronik einer Handlungsfähigkeit

Wir schreiben den 4. Mai 2017. Die neue Rekursstelle wurde gewählt. Zwölf Tage später bekommen die fünf Mitglieder ein Mail vom Wahlbüro. Es enthält schlechte Nachrichten. Die Wahlen der Rekursstelle seien zwar gültig erfolgt, allerdings stelle deren Zusammensetzung eine Verletzung der Statuten dar. Tatsächlich verstösst die Zusammensetzung gegen Art. 33 Abs. 2 der Statuten der Studentenschaft der Universität St. Gallen. Dieser seltsam anmutende Artikel besagt, dass mindestens ein Mitglied der Stelle ein Jahr in einem anderen Organ der SHSG verbracht haben muss. «Der Artikel ist schlichtweg niemandem aufgefallen», kommentiert Yannik Breitenstein, Vizepräsident der SHSG und Präsident des Wahlbüros seit dem 1. Juni 2017, die Situation. Weder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) noch dem Wahlbüro. Die Folge ist: Die Rekursstelle ist in ihrer jetzigen Zusammensetzung handlungsunfähig. Breitenstein hat den undankbaren Job übernommen, die Unachtsamkeit seiner Vorgänger wieder auszubaden.

Fehlende Kenntnis der
eigenen Statuten

Die Unkenntnis über die eigenen Statuten lässt das Wahlbüro wie auch die GPK in keinem guten Licht stehen. Die Statuten der SHSG stammen schliesslich aus dem Jahr 2011; sie sind nicht erst von gestern. Dass eine vergleichbare Situation bisher noch nie eingetreten ist, erklärt sich Breitenstein mit der etablierten Nachfolgeregelung in der Rekursstelle. «Sucht man einen Nachfolger, fragt man automatisch bei jenen Leuten nach, die bereits im Stupa oder in einem anderen Organ Einsitz hatten.»
Die ebenfalls aus gewählten Studentinnen und Studenten zusammengesetzte GPK hat die Aufgabe zu überprüfen, ob das Wahlprozedere reglementskonform abläuft und kann dazu, zu jeder Zeit, Einsicht in den laufenden Prozess nehmen – vor wie auch nach den Wahlen. Die Verantwortung für die eigentlichen Wahlen liegt jedoch beim Wahlbüro. In solchen Situationen, wie mit der handlungsunfähigen Rekursstelle, wäre es die Pflicht der GPK – sozusagen als «allwissendes Auge» – zu intervenieren. Wie soll jedoch interveniert werden, wenn einem der besagte Artikel gar kein Begriff ist?

Ausschluss der Studierenden

Die Rekursstelle wurde direkt von den Studierenden der Universität St. Gallen gewählt. Die HSGler sind jedoch nicht informiert worden, dass ihre Rekursstelle nun handlungsunfähig ist. Für die Studierenden ist es durchaus relevant, ob
die von ihnen gewählte Rekursstelle im Zwangsurlaub ist oder nicht. Schliesslich handelt es sich dabei um ihre Anlaufstelle, sollten Beschwerden aufkommen. Der SHSG erschien es jedoch nicht angebracht, darüber zu informieren.
Breitenstein erklärt sich diese Tatsache damit, dass es sowieso nur wenige Rekurse gibt. Weiterhin standen zahlreiche weitere Wahlen bevor und man wollte den tadellosen Ablauf dieser nicht gefährden. Zu guter Letzt hat die Handlungsunfähigkeit der Rekursstelle nur einen bedingten Einfluss auf das Verfahren: Bei einem Rekurs gelangt der Rekurrent direkt zur nächsthöheren Instanz.

«Schreibt es in euren CV»

Als Lösung schlug das Wahlbüro der Rekursstelle folgende Option vor: Die Mitglieder sollen geschlossen von ihrem Amt und der Wahl zurücktreten und ein Nachrutschen ausschlagen. «Wir hielten dies für die fairste Variante, da alle wieder die gleiche Chance hätten, zu kandidieren», kommentiert Breitenstein den Lösungsvorschlag. Einige Mitglieder schrieben daraufhin zurück, dass sie nur zurücktreten, wenn die anderen sich anschliessen würden. Ein Mitglied meldete sich gar nicht.
Eine Absetzung der Rekursstelle hält Breitenstein für ein «schlechtes Vorgehen, da der Fehler bei der GPK und beim Wahlbüro liege». Davon rate er deshalb dringend ab.
Momentan ist ein Treffen mit allen Beteiligten geplant, um gemeinsam eine Lösung zu finden. «Solange Einzelne nicht mitspielen, können sie Ende Jahr gerne in ihren CV schreiben, dass sie in einer handlungsunfähigen Rekursstelle gedient haben», meint Breitenstein.
Die Causa «Rekursstelle» könnte schon bald geklärt werden: Jemand aus der Rekurstelle wurde an den vergangenen Wahlen ins Parlament gewählt und tritt somit per sofort zurück. Rücktritt und Wahlen sind in den Statuten für die Rekrursstelle nicht geregelt. Deshalb besteht die Möglichkeit eine Nachwahl für die einzelne Stelle anzusetzen, ohne das eine weitere Person zurücktreten muss. Konkret: Die Judikative der SHSG könnte schon bald wieder handlungsfähig sein.


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