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Alessandro Massaro

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Präsident
  • «Fressen Sie mich!» – Studententheater St. Gallen

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    Wenn auf der Bühne unter dem Gelächter der Zuschauer Kasatschok getanzt wird, führt das Studententheater St.Gallen eine Vorstellung auf und begeistert das Publikum mit viel Leidenschaft.

    Das Studententheater St. Gallen feierte am Montag die Premiere mit dem Stück «Onkel Wanja» von Anton Tschechow. Ein eitler, an seinem Alter verzweifelnder, teilweise wahnsinnig erscheinender Professor, offenkundig ein Fabulant und dennoch ein heller Stern am Himmel der Akademikerszene, hält sich eine junge Frau und verdammt seine Tochter und seinen Schwager Wanja zur Plackerei auf dem Landgut. So finanziert sich der jammernde Intellektuelle seinen Lebensstil.

    Tschechow zeigt im Stück die Aussichtslosigkeit des eigenen Daseins. Die snobistischen Stadtmenschen leiden unter einer unkurierbaren Langeweile und laborieren an sich eingebildeten Krankheitsbildern. Wie bei Tschechow vielmals üblich, ist die Liebe aussichtslos, wird lächerlich gemacht und hat keinen Platz im Warten auf das eigene Ende.

    Sollte das nicht ein Drama sein?

    Mit russischen Theaterstücken ist das immer so eine Sache: Aussichtslos, dramatisch und theatralisch werfen sie den Zuschauer in einen tiefen Abgrund. In unseren Breitengraden verliert man schnell den Überblick über die ganzen nicht aussprechbaren Namen der zum Glück nur wenigen Protagonisten und ständig wird Wodka gesoffen, sich fast schon zur Bewusstlosigkeit gegurgelt. Auch in der Inszenierung des Studententheaters St. Gallen wird getrunken – Wasser versteht sich – und so tanzen in einer Szene der Arzt Michaíl Lwówitsch Ástrow und Iljá Iljítsch Telégin in einem trunkenen Wahnsinn den russischen Tanz Kasatschok auf der Bühne. Eine Tschechow-Inszenierung ohne Wodka-Flaschen, in der alle nüchtern sind? Das wäre zweifellos undenkbar.

    Trotz der allen Protagonisten gemeinsamen Hoffnungslosigkeit und dem doch düsteren Thema des Dramas, versetzen genau solche pointierten Darstellungen der Schauspieler mit den teilweise fast schon komödiantisch erscheinenden Einlagen das Publikum in oftmaliges Gelächter. Ob das wohl gewollt war? Dies unter anderem auch mit Sätzen wie «Bin eingeschlafen und habe geträumt, mein linkes Bein sei ein anderes.» oder dem Ausruf des Arztes «Fressen Sie mich!», worauf er sich anschliessend auf den Boden wirft und die Arme nach der Frau des Professors, Jeléna Andréjewna, ausstreckt. Dennoch haben gewisse Schauspieler etwas zu viel der Theatralik in die Darstellung ihrer Rollen gelegt und so hat das gelegentliche Lachen manchmal einen anderen Herkunftsgrund.

    Die Monologe der Hauptdarsteller, als charakteristisches Element für das Drama, wissen zu überzeugen. Vor allem die Darstellung des Onkel Wanja begeistert und es gelingt, dem Zuschauer tiefe Einblicke in die Gedankenwelt und Gefühle der Figur zu gewähren. Eine wunderbare, glaubwürdige Darbietung, die Respekt verdient.

    Grosse Erwartungen an die Zukunft

    Wieder konnte das Studententheater die Zuschauer mit den schauspielerischen Leistungen für sich gewinnen. Das letzte Mal schon mit der düsteren Darstellung von Max Frischs Graf Öderland und dieses Mal erneut mit der „Komödie“ Onkel Wanja von Anton Tschechow. Vergleichen kann man die beiden Aufführungen schon aufgrund der Unterschiedlichkeit der Handlung nicht, aber das ist auch gar nicht nötig. Beide bleiben für sich einzigartig und vor allem gelungen. Jenen, die sich die Aufführung noch nicht angesehen haben, bietet sich Dienstag bis Donnerstag, 10. bis 12. Mai 2016, jeweils um 20.00 Uhr im Figurentheater die Gelegenheit.

    Bilder Alexander Wolfensberger

  • Un-Dress: «Nachhaltigkeit spielt eben doch eine Rolle!»

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    Am 20. April fand in der Lokremise der fünfte, eintägige Un-Dress Event statt. prisma hat sich unter die Besucher gemischt, mit Designern gesprochen und war an der fulminanten Fashionshow mit dabei.

    Eingelullt von der kreativen Atmosphäre der Lokremise laufen wir vorbei an kleinen Ständen der eingeladenen Labels und bewundern die extravaganten Kleidungsstücke. Es scheint eine sehr spezifische Besuchergruppe angelockt worden zu sein. Die Garderobe wurde nach den schönsten, glanzvollsten Kostbarkeiten durchsucht, welche sich nun an die Körper der Anwesenden schmiegen. Ein Biologe wäre trunken von dem hier vorzufindenden, erstklassigen Genpool und müsste sich wie in einer optimierten Genfabrik vorkommen. Im Vorhinein schwirrte natürlich schon eine gewisse Erwartung an den Event in den Köpfen umher, denn keine Überraschung ist es, dass in der Welt der Mode Heimische, meistens nicht über fehlende Schönheitsattribute zu klagen haben. Die Hand schwebt reglos über dem seltsam nutzlos vorkommenden Notizbuch, angesichts solch vorherrschender Anmut.

    Jede neu entgegenkommende Person erscheint sympathischer als jene zuvor und die eigenen Kleider fühlen sich an wie Lumpen. Noch nie war die eigene Sterblichkeit deutlicher zu verspüren als in jenem, klaren Moment, umgeben von absoluter Perfektion.

    Un-Dress – eine Studentische Initiative

    Die Studentische Initiative Un-Dress wurde von oikos, einer gemeinnützigen Organisation, welche sich für Nachhaltigkeit in verschiedensten Gebieten einsetzt, ins Leben gerufen und bietet eine Plattform für die zukunftsorientierte Weiterentwicklung von nachhaltiger Mode an. Die Nachfrage nach dem eintägigen Event war im Vorhinein bereits sehr gross und die Tickets schnell ausverkauft. Ganz in Manier des letztjährigen HSG-Balls (prisma berichtete in den HSG-Short News) wurden noch am Vortag auf Sharing is Caring Erkundigungen eingeholt, ob es noch Tickets für die Veranstaltung zu verkaufen gebe. Informationen über die auf dem Schwarzmarkt angebotenen Preise liegen prisma zu diesem Zeitpunkt leider nicht vor.

    In der kreativen und architektonisch zu begeisternd wissenden Atmosphäre der Lokremise bietet der Event verschiedenste Workshops an, mit dem Ziel Interessierten einen Einblick in die Problemstellung verantwortungsbewussten Kleiderkaufs und der fairen Herstellung von Textilien und Modeaccessoires entlang der gesamten Supply-Chain zu bieten. Diese werden von unterschiedlichen Expertinnen und Experten aus verschiedensten Disziplinen geführt. Den Workshops am frühen Nachmittag und damit verbundenen Vorträgen von verschiedensten Modeexperten, folgt eine öffentliche Designerausstellung, welche es den Gästen ermöglicht, auch Kleidungsstücke und sonstige Accessoires direkt vor Ort zu erwerben. Ausgewählte Teile werden exklusiv im Globus St. Gallen – einem Partner des Events – zum Kauf angeboten.

    Die Expo verführt zum Verweilen

    Auch die Designer, welche von Un-Dress eingeladen wurden, können bereits von weitem erspäht werden. Sie zeichnen sich allesamt durch eine unaussprechliche Grazie aus und einen Stil, der seinesgleichen sucht. Wir sprechen mit der Designerin Sonja Fritschi von «Fashion by Sonja Fritschi», die schon zum zweiten Mal am von Un-Dress organisierten Event teilnimmt. Sie erzählt uns, dass dieser im letzten Jahr doppelt so gross gewesen sei und im Hotel Einstein auf zwei Stöcken stattfand. Inwiefern sich der heutige Event denn vom letztjährigen unterscheide, fragen wir sie. «Es ist die Atmosphäre, das Licht und vor allem das schöne Wetter. Es passt alles einfach super zusammen.» Wir merken an, dass die Wirksamkeit der Location sicherlich auch bei den Besuchern spürbar sei. «Auf jeden Fall! Die Begeisterung ist auch im späteren Verkauf im Globus wahrnehmbar.» Das hänge ganz klar vom vorherrschenden Ambiente ab.

    Gleichsam begeistert von der Stimmung in der Lokremise ist Sandra Haldi von «Atelier S&R», die von Phillip Hachen – Mitglied des Un-Dress Teams – persönlich zum Event eingeladen wurde und den Weg von Zürich auf sich genommen hat. «Als Online Design Shop sind wir vor allem an Messen aktiv. Wir sind zum ersten Mal hier und ganz begeistert.» Das Schweizer Designlabel stellt eigene Produkte her und zeichnet sich ebenfalls – wie alle anderen anwesenden Labels – durch ökologisch nachhaltige Arbeitsprozesse aus.

    Durch die ganze Veranstaltung spielt Nachhaltigkeit die grösste Rolle. Es wurden im Vorhinein zwölf Kriterien der Nachhaltigkeit definiert. Diese umfassen unter anderem «Recycling, Natürliche Rohstoffe, Sozialverträglichkeit, ökologische Materialverarbeitung usw.». Jedes Label kann sich je nach Engagement diese verdienen. So wurde zum Beispiel «Sanikai – Ethical Vegan Clothing» mit neun von zwölf erfüllten Kriterien belohnt.

    Ein Label, welches ebenfalls durch eine interessante, nachhaltige Idee zu begeistern weiss, ist «Vieri». Es zeichnet sich durch eine ausschliessliche Verarbeitung von ethisch nachhaltig erwirtschaftetem Gold aus und einer engen Zusammenarbeit mit den Minenarbeitern, denen der Juwelier ein Gesicht und eine Stimme gibt. «Respect the beautiful» ist das Motto des Juweliers und fasst ebenso den ganzen Event auf eine schöne Art und Weise zusammen.

    Die Fashionshow als fulminanter Abschluss

    Langsam bewegt sich die plötzlich angeschwollene Menschenmenge in Richtung Eingang in den für die Fashionshow vorbereitenden Saal. Mit einer kleinen Verspätung beginnt das Spektakel moderiert von Sven Epiney, der uns mit seinem sympathischen Berner-Dialekt begrüsst. Jeder Schweizer kennt Epiney von unzähligen – fast zu vielen – Sendungen im Schweizer Fernsehen. Sämtliche Models sind HSG-Studenten, mit einigen wenigen Ausnahmen. Mit den stylishen Outfits und der chilligen Musik von DJ «Herr Vogel» stimmt das Gesamtpaket. Nacheinander präsentieren alle Labels ihre Kollektion ausgestattet mit verschiedensten Accessoires wie Brillen von «VIU», Ledertaschen von «Atelier S&R» und Schmuck von «Vieri».

    Eines der Highlights der Show bildet die Breakdance Gruppe «Lastremix» aus Neuchâtel dar, die ihre akrobatischen Moves unter tosendem Applaus präsentieren. Auch sie haben sich passend zum Abend unter dem Thema der Nachhaltigkeit mit alten Trainern gekleidet und scheinen einem Old-School Hip-Hop Musik Video entsprungen.

    Am Schluss der Show bittet Epiney das Un-Dress Vorstandsteam auf die Bühne, welche für ihre tadellose Arbeit mit einem herzlichen Applaus belohnt werden. Ganz nervös bedankt sich Marie Droll bei den zahlreichen Sponsoren, den Helfern und den Designern, ohne die der ganze Tag nicht möglich gewesen wäre. Sven Epiney verabschiedet sich mit dem Schlusssatz, dass «Nachhaltigkeit eben doch eine Rolle spielt», was uns der von Un-Dress organisierte Event ohne jeden Zweifel gezeigt hat.

    Bilder Simone Brunner

  • Mit der Axt auf der Suche nach Freiheit – Studententheater St. Gallen

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    Das Studententheater feierte am vergangenen Montag die Premiere des Stücks Graf Öderland. Dabei konnten die Schauspieler durch ihre leidenschaftlichen Darstellungen überzeugen und zwingen uns, die Definition eines Laientheaters zu überdenken – ein Rückblick.

    Ein gewissenhafter, gewöhnlicher Bankangestellter erschlägt scheinbar grundlos einen Hausmeister mit einer Axt. Damit beginnt die Handlung von Max Frischs Graf Öderland und das Studententheater St. Gallen zieht uns in eine düstere, blutige Welt axtschwingender Wahnsinniger, geführt durch die Gestalt eines ominösen nach Freiheit suchenden Grafen, der gar keiner ist. Der Staatsanwalt Martin sieht keine Möglichkeit einen Mörder anzuklagen. Der Mord geschah ohne jegliches Motiv. Er wurde jedoch aus einem ganz bestimmten Grund begangen, den der Staatsanwalt nur zu gut kennt. Aus Ekel vor der Eintönigkeit und Alltäglichkeit des Lebens, die sich ohne eine Möglichkeit zur Flucht tagaus, tagein wiederholt.

    «In dieser Welt der Papiere, in diesem Dschungel von Grenzen und Gesetzen, in diesem Irrenhaus der Ordnung» kann er nicht weiter sein. Er lässt somit sein bisheriges, bürgerliches Leben zurück, zieht in den Wald und wird die aus einer Legende entsprungene Gestalt des Graf Öderland. Er tötet, gewinnt Gefolgschaft und wird zum Anführer einer Rebellion, die das Zeichen der Axt trägt, welche auch seine bevorzugte Waffe darstellt. Der Staat wankt und der Graf sieht sich vor die Frage gestellt, ob er die Macht ergreifen soll.

    Eine Achterbahn der Gefühle

    «Erwache!», ruft Martin am Ende des Stücks verzweifelt und auch das Publikum erwacht aus einer Trance, aus einer etwas mehr als einer Stunde andauernden Mischung von Eindrücken, durchsetzt von Gefühlen der Nachdenklichkeit, Schockierung, Begeisterung und Belustigung. Kurz gesagt: alles, was es zur Unterhaltung braucht. Dabei konnte das Studententheater durch ihre leidenschaftlichen Darstellungen überzeugen. Es scheint, dass die Bezeichnung «Laientheater» dem Studententheater zunehmend Unrecht tut. Vor allem die solide besetzten Hauptrollen begeistern durch ihre schauspielerischen Fähigkeiten.

    Dem Studententheater gelingt es für einen kurzen Augenblick den Zuschauer in die Welt des Grafen Öderland zu entführen. Das Bühnenbild ist dabei ziemlich schlicht gehalten und unterstreicht so die Aussichtslosigkeit, den allgemeinen Terror und die Schrecklichkeit der Morde. Auch gewisse Schwierigkeiten – so sprang in einer bestimmten Szene das Radio auch nach mehreren Versuchen nicht an – konnten auf gelungene Art und Weise überspielt und durch eine lustige Improvisation seitens der Darsteller vertuscht werden. Dieses bedingungslose Engagement erklärt auch den jubelnden Beifall, der den Schauspielern am Schluss entgegenbrandete.

    Jenen, die sich die Aufführung noch nicht angesehen haben, bietet sich heute Abend und am Mittwoch, dem 3. Dezember, um 20:00 Uhr in der Grabenhalle nochmals die Chance dies nachzuholen.

    Das Öderländische im gewöhnlichen Mann

    Nie war das Theaterstück von Max Frisch aktueller als in der heutigen Zeit, welche dominiert wird vom Terrorismus des Islamischen Staats und in welcher eine zunehmende Erstarkung rechtsextremistischer Bewegungen zu beobachten ist. In Max Frischs Theaterstück wird der Ausbruch vom Staatsanwalt aufgrund romantischer Gefühle, aufgrund der Suche nach der persönlichen Freiheit lediglich zu einer Täuschung, einem Schein, der nicht ist. Diese Suche hat keinerlei ideologische Botschaft inne und geschieht lediglich unter dem plakativen Symbol der Axt. Sie soll den Verlust jeglicher moralischer und ethischer Grundregeln rechtfertigen für den Kampf nach der Freiheit.

    Dabei ist es doch schrecklich mitanzusehen, wie sich ein gewöhnlicher Bürger, ein Jedermann in die furchtbare Gestalt eines Wahnsinnigen verwandelt, der sich mit seinem Gefolge auf einen selbsternannten Kriegszug begiebt. Das Öderländische in einem gewöhnlichen Mann ist es, was wirklich einen schalen Geschmack im Maul hinterlässt, gepaart mit den sinnlosen Morden. Doch spenden angesichts dieses Terrors die Worte des Innenministers im Stück von Max Frisch einen gewissen Trost, nämlich, dass «wer um frei zu sein, die Macht stürzt, am Ende das Gegenteil von Freiheit erhält.»

    Bilder: Livia Eichenberger

  • SVP Party: Tanzbein schwingen – Wähler gewinnen

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    Vor rund einem Monat berichteten wir über das polarisierende “Welcome to SVP”-Musikvideo. Am Samstagabend fand nun ausgerechnet in der Villa Wahnsinn, dem Club neben der AFG Arena St. Gallen, die offizielle “Welcome to SVP-Party” statt. prisma packte die Gelegenheit beim Schopf und besuchte die Feier jener Partei, die in der Vergangenheit eher durch Provokation als Party auffiel.

    Bilder: Paul Schaub
     

    «Seid ihr alle hier?!», ruft DJ Black Sheep den Feiernden zu. Die Menge rastet aus und Helene Fischer mit ihrem Song «Atemlos» ertönt aus den Boxen. Beim Plattenaufleger handelt es sich um niemand geringeren als Toni Brunner selber, den Parteipräsidenten der SVP, wobei Plattenaufleger wahrscheinlich ein bisschen weit hergeholt ist. «Wo-muss-ich-hier-auf-play-drücken» wäre wohl die treffendere Bezeichnung. Es herrscht ausgelassene Stimmung im Club. Die SVP zeigt sich von einer ganz anderen Seite.

    Die junge Generation als ungenutztes Wählerpotential

    Es war eine ganz und gar amüsante Party, mit welcher man sich Samstagabend in der Villa Wahnsinn konfrontiert sah. Der Eintritt war ab 16 Jahren und gratis für jedermann. Man konnte allerlei bekannte Gesichter der SVP antreffen. So nicht nur den Parteipräsidenten selber, sondern auch Christoph Mörgeli, Thomas Matter, Lukas Reimann, Thomas Aeschi und viele andere aus der Parteielite mischten sich unter die Gäste und waren für alle greifbar.

    Letzteren zu sehen war doch eine Überraschung. Es ist schliesslich ein etwas weiterer Weg vom Kanton Zug bis nach St. Gallen. Ebenfalls befindet sich hier so gar nicht die für Herrn Aeschi relevante Wählerschaft. «Ich bin der Einladung der SVP St. Gallen gefolgt«, berichtet er auf Ansprache. Er habe aufgrund seines Studiums an der HSG einen engen Bezug zu St. Gallen, sei zu seiner Studienzeit aber eher in Lokalen in der Altstadt verkehrt und habe sich deshalb gedacht, etwas Abwechslung würde sicher nicht schaden. Dementsprechend sei er vor allem als Privatperson hier und nicht in seiner politischen Funktion. Auf die Frage, was denn das Ziel des Abends und vor allem des Welcome-to-SVP Videos sei, antwortet er: «Ein grosses Problem heutzutage ist, dass viele junge Menschen nicht wählen gehen. Es gibt verschiedenste Wahlwerbekanäle, welche genutzt werden und der Film sei nur einer davon. Dieser habe jedoch genau zum Ziel die Jungen anzusprechen und sie zum Wählen zu motivieren. Am 18.10 wird sich zeigen, wie erfolgreich wir damit und unseren anderen Werbemassnahmen waren.«

    Eine neue Dimension des Wahlkampfes

    «Der nächste Song ist für Hansueli Vogt und Thomas Matter, welche grosse DJ Ötzi Fans sind«, ruft Toni Brunner ins Mikrofon und lässt als nächstes «Ein Stern« laufen. Die beiden Angesprochenen laufen vors DJ-Pult, klatschen gemeinsam nicht ganz im Takt zu dem Après-Ski Klassiker und feuern voller Begeisterung ihren Parteipräsidenten an. Handelt es sich hierbei um eine neue Dimension des Wahlkampfes? Als wir Toni Brunner nach seinem Auftritt fragen, ob er in seiner neuen Funktion als Discjockey nervös gewesen sei, antwortet er auf humorvolle Art und Weise: «Nein, gar nicht. Wissen Sie, ich gehe dieser Tätigkeit in regelmässigen Abständen nach, nämlich alle acht Jahre mal wieder.»

    In der Menge lassen sich erstaunlich viele junge Gesichter ausmachen. Das Ziel des Abends scheint somit teilweise in Erfüllung gegangen zu sein. Über den ganzen Event ist eine stetig zunehmende Besucherzahl zu beobachten, die aber überschaubare Ausmasse beibehält. Ivan Louis, im 5. Semester des Masters in Law and Economics und seit Juli 2015 St. Galler Kantonsrat für die SVP äussert sich überrascht über die grosse Anzahl an Gästen. Er hätte nicht mit so vielen Personen gerechnet, viele andere wahrscheinlich auch nicht.

    Schliesslich setzt der Höhepunkt des Abends ein, zumindest für die SVP-Anhänger. Das Welcome-to-SVP Musik-Video läuft an und wird auf einen grossen Bildschirm übertragen. Während die Klänge des Songs den Raum füllen, zeigt ein Gang zur Bar, wie weit die SVP in ihrem humoristischen Selbstverständnis bereit war zu gehen. Ein aufgehängtes Papier preist K.O.-Tropfen Shots für rund 5 Franken an. Wie kann man nur solch horrende Preise verlangen? Da ist auf jeden Fall die Grenze zwischen Spass und bitterem Ernst zu ziehen. Natürlich soll dies eine Anspielung auf die Zuger Sexaffäre von Markus Hürlimann sein, genau wie sie im Video selber schon aufgetaucht ist.

    Die SVP-Familie

    DJ Tommy alias Thomas Matter hat ebenfalls einen Auftritt am DJ-Pult. Ich persönlich hätte ja gerne noch DJ Zmörgeli zugejubelt, welcher sich leider jedoch nicht die Ehre gab und so gebe ich mich mit Thomas Matter zufrieden. Dieser lässt «We are Family» laufen. Der Song gerät sogleich in einen Loop und so geniessen die Zuschauer für die ersten drei bis vier Minuten seines Auftritts die sich wiederholenden ersten fünf Sekunden des Liedes. Trotz Loop bei «We are Family“» ist festzuhalten, dass sich die SVP, wie sich an diesem Abend gezeigt hat, dennoch als eine grosse Familie sieht. Auch wenn es die Familie ist, an welcher andere Familien oftmals Anstoss nehmen. Welche Erfahrungen und Eindrücke sind von der SVP-Party mitzunehmen? Nun ja, es gibt zweifellos gewisse Vorurteile, welche es nach diesem Erlebnis zu überdenken gilt. Physisch mitzunehmen gab es eine CD mit dem Welcome-to-SVP Song und ein Kondom mit der Aufschrift «Für mehr Sicherheit!».

  • Podiumsdiskussion: Fünf Elefanten und ein Moderator

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    Der Wahlkampf tobt und die Parteien schenken sich nichts. Vimentis lud zur Elefantenrunde in der Aula ein.

    Gestern Abend, Donnerstag, lud Vimentis zur grossen Elefantenrunde mit fünf Vertretern der Parteien SP, CVP, BDP, FDP und SVP ein. Grosser Andrang herrschte vor der Aula der Universität St. Gallen und schon nach kurzer Zeit war kein freier Platz mehr zu finden, dies bei einem totalen Fassungsvermögen von insgesamt 700 Personen. Vor Beginn mussten aufgrund der vollen Aula sogar diverse Leute wieder weggeschickt werden. Diese liessen sich jedoch nicht so einfach vertreiben, sondern folgten von aussen durch die geöffneten Fenster gebannt der Podiumsdiskussion. Es sei logisch, wenn Elefanten kämen, dass man diese sehen wolle, begrüsst Urs Wiedmer, ehemaliger «Arena»-Moderator und jetziger Bundeshauskorrespondent bei SRF, die zahlreich erschienenen Studierenden und weiteren Zuschauer.

    Während einer kurzen Vorstellungsrunde, in der platitudenhaft die Positionen der einzelnen Parteifunktionäre dargelegt wurden, eröffneten Martin Landolt, Nationalrat und Parteipräsident der BDP, und Christophe Darbellay, Nationalrat und Parteipräsident der CVP, dem Publikum ihre gemeinsamen Jagderlebnisse. Dabei sei es auch einmal vorgekommen, dass sich die beiden Politiker ein Doppelbett teilen mussten, erzählt Christophe Darbellay lachend.

    Das erste Thema, welchem sich die Volksvertreter widmeten, war das momentan aktuellste – Migration. Toni Brunner, Nationalrat und Parteipräsident der SVP, meint, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht unschuldig an der momentanen Situation sei. Mit ihren ausgestreckten Armen habe sie die Flüchtlinge geradezu aufgefordert nach Europa zu kommen und deshalb seien wir momentan auch mit diesem Chaos im Asylwesen konfrontiert. Es werden alle aufgenommen und es werde nicht mehr zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Flüchtlingen unterschieden. «Das Dublin-Abkommen ist gescheitert.» Nationalrätin und Vizepräsidentin der SP, Barbara Gysi, entgegnet darauf, dass in der Welt Krieg herrsche und wir aus ethischen, wie auch aus moralischen Gründen dazu verpflichtet seien Hilfe zu leisten. «Es ist keine europäische Ministerin, die ihre Arme ausstreckt und sagt kommt hier her, sondern es ist die Not in einem vom Krieg gebeutelten Nahen Osten.» Abschliessend äusserte sich Martin Landolt folgendermassen zur Thematik: Die Migranten seien auch nur Menschen, welche auf der Suche nach einem neuen Leben seien und man dürfe den Ausdruck «Wirtschaftsflüchtling» nicht zum Schimpfwort machen.

    “Wirtschaftsstandort Schweiz»

    Christian Wasserfallen, Nationalrat und Vizepräsident der FDP, räumte ein, dass der starke Franken in der Export-Industrie im Moment das grösste Problem sei. In der Schweiz hätten 97.5 Prozent der Unternehmen 50 oder weniger Angestellte und vor allem diese international tätigen KMUs seien von der Aufwertung des Franken betroffen. «Wir müssen dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen in der Schweiz gut bleiben», sagt Christoph Darbellay. Vor allem der bilaterale Weg sei zu verankern. Wenn man die Zuwanderung senken wolle, ohne dass die Wirtschaft darunter leide, müsse man mehr inländische Arbeitskräfte generieren, so Martin Landolt. «Hierbei gibt es vor allem ein zentrales Potential – die Frauen.»

    Das letzte, von den Zuschauern gewählte, Thema war Bildung. In vielen Branchen habe man heutzutage einen Lehrstellenüberschuss, jedoch müsse man «die Gleichartigkeit aber Andersartigkeit der Berufslehre und des Studiums aufrecht erhalten», so Christian Wasserfallen. Toni Brunner fuhr fort, dass das duale Bildungssystem in der Schweiz schon richtig sei. Schlussendlich kam er auch auf die Maturitätsquote zu sprechen und unterstrich, dass man die Maturitätsquoten nicht auf «Teufel komm raus» erhöhen müsse.

    Nach rund 90 Minuten waren die Zuschauer an der Reihe. Eine Zuschauerfrage, an Christian Wasserfallen gerichtet, stach besonders heraus. «Wie sollte der Bundesrat in Anbetracht der aktuellen Prognosen in der nächsten Legislaturperiode zusammengesetzt werden?» Die Antwort darauf, kurz und bündig: «Der Bundesrat wird die Zusammensetzung haben, zwei, zwei, zwei und eins. Die drei wählerstärksten Parteien werden je zwei Sitze bekommen und die viertstärkste Partei einen.»

  • Selbstinszenierung der etwas anderen Art

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    Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat ihren eigenen Song. „Welcome to SVP“ heisst das ungewohnte Wahlkampf-Lied und schafft es die Gemüter zu spalten.

    Eine idyllische Landschaft, sanfte Klaviermusik und Vogelgezwitscher, so beginnt das neue offizielle Video der SVP. Inszeniert wurde das Ganze von Nationalrat Thomas Matter alias DJ Tommy. Das Bild zeigt die Villa in Herrliberg von niemand geringerem als dem inoffiziellen Oberhaupt des Parteiclans Christoph Blocher. Man könnte die Szenerie zunächst als Beginn einer verfilmten Biografie abtun. Falls man sich davon nicht abschrecken lässt und sich dazu durchringt weiterzuschauen, dann wird es sich lohnen. Die SVP weiss immer wieder mit ihren diversen Aktionen zu überraschen, aber den weiteren Verlauf des Videos hätte niemand vorhersehen können. Gemächlich schneidet Alt-Bundesrat Blocher mit einer Nagelschere seinen Rasen. Das ist zweifelsohne das richtige Werkzeug, um Gartenpflege zu betreiben. Er schreitet zum imposanten, hauseigenen Pool und dreht ein altes Radio auf. Daraufhin ertönen ganz und gar unerwartete poppige Klänge, die man so gar nicht mit der Person Blocher in Verbindung bringen würde. Mit einem anmutigen Kopfsprung befördert er sich ins kühle Nass. Im Rest des Videos werden weitere Polit-Stars der Führungsriege der SVP gezeigt, die sich in ungewohnt selbstironischer Weise präsentieren.

     Ein angeschlagenes Image wird aufpoliert

    Das Video geht weiter und die Kamera zeigt zweimal die Weltwoche. Dies sollte bereits ein Hinweis darauf sein, wer sich als nächstes die Ehre gibt und im Film erscheint. Es ist Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche, mit heruntergelassener Hose. Wortwörtlich, denn er befindet sich auf einer öffentlichen Toilette, bei der die einzelnen Kabinen anscheinend keine Türen mehr besitzen. Das muss unangenehm gewesen sein sich in solch einer Pose filmen zu lassen, fast so unangenehm, wie die Rüge des Presserats bezüglich des Artikels in der Weltwoche mit dem Titel: „Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz“. „Die Kombination von Text und Bild diskriminiere die Roma und entstelle Informationen“, so die Argumentation des Presserats 2012. Als nächstes sieht man Natalie Rickli, welche mit einer Schüssel voll Chips gebannt Roger Schawinski und Roger de Weck auf SRF bei einer Debatte zuschaut. Auch Christoph Mörgeli hat einen Auftritt und staubt ein Schulskelett ab. Nach dem Facebook Post des Zürcher-SVP-Nationalrats Ende August, welches ein Bild von Flüchtlingen mit dem Kommentar „Die Fachkräfte kommen“ zeigte, überrascht es nicht, dass alle Möglichkeiten, das eigene Image aufzupolieren, ausgeschöpft werden. Auf einem Militärvelo sieht man ausserdem den aktuellen Chef des VBS und Bundesrat Ueli Maurer, der anstatt einer Klingel einen Gripen an den Lenker geschraubt hat.

     Die SVP-Agenten

    Der Refrain gestaltet sich ebenfalls etwas befremdlich, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um eine Regierungspartei handelt. Junge Damen tanzen zu den Elektro-Beats, während die Politiker mit Sonnenbrillen und verschränkten Armen alla „Secret Service“ dastehen und keinen Muskel bewegen. Toni Brunner, Parteipräsident, macht ein Picknick mit seiner Kuh. Dazu lässt sich nicht viel mehr sagen. Auch an Action sollte es anscheinend nicht fehlen und so springt Adrian Amstutz mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug und landet gekonnt im Freibad. Thomas Aeschi leert in einem Zug einen Zuger Kirsch runter, der mit K.o.-Tropfen versetzt ist, und verliert daraufhin das Bewusstsein. Dies soll wohl eine Anspielung auf den Sex-Skandal in seiner Kantonalsektion sein, in welchen Markus Hürlimann verwickelt war.

     Mutig aber inhaltslos

    Humorvoll oder nicht. Innovativ oder unangebracht. Darüber lässt sich streiten. Geschmäcker scheiden sich bekanntlich. Zumindest hat das Video auf Youtube bereits über 150’000 Aufrufe und 1’371 positive Bewertungen versus 1’868 negative (Stand 13.09). Das verfolgte Ziel der SVP, nämlich Aufmerksamkeit, Provokation und Polarisierung hat sie mit diesem Video und viel Selbstironie auf jeden Fall erreicht. Silvia Bär, stellvertretende Generalsekretärin der SVP schildert auf Anfrage des prisma die Entstehung des Videos folgendermassen:

    „Thomas Matter hat an einem schönen Sommerabend im Juni zum privaten Grillfest bei sich zu Hause geladen. Als grosser Musikliebhaber spielte er ein paar seiner Lieblingssongs auf seiner Musikanlage. Toni Brunner macht sich ein Spass daraus und fordert Thomas Matter auf, für die SVP einen Song als „DJ Tommy“ zu machen. Dieser willigt ein – daraus resultiert nun Welcome To SVP.“

    Sie fährt fort, dass man eigentlich nur nach Klischees gesucht habe und sich selbst ein bisschen „habe hoch nehmen“ wollen. Gleichzeitig sei aber natürlich der Inhalt des Songs (Text) sehr wichtig und beinhalte eine klare Botschaft. Die Frage, wieso man aber gerade die SVP an den Nationalratswahlen vom 18.10.2015 wählen sollte, kann das Wahlkampf-Video jedoch nicht beantworten. Bei aktuellen Thematiken, wie der Flüchtlingspolitik, der aktuellen Wirtschaftslage und der Aufhebung des Euro-Franken Mindestwechselkurses, scheint ein inhaltsleerer Spot zumindest ziemlich gewagt zu sein.