Dr. Kaunzeller gibt Auskunft

Dieses Mal zum Thema: Der Luxus in Zeiten der Krise

Werter Herr Doktor Kaunzeller,

als noch recht unerfahrener HSG-Student sah ich mich kürzlich mit einem schwerwiegenden inneren Konflikt konfrontiert. Nein, es handelte sich nicht um das allgegenwärtige Dilemma zwischen Unternehmertum und Karriere im Grosskonzern; es ging vielmehr um die zielgerichtete Gestaltung meiner extracurriculären Aktivitäten, zu denen ich auch meine Passion für Partys zähle.

Folgendes ereignete sich zu Semesterbeginn: Obwohl es Mittwoch war, entschloss ich mich kurzerhand, der Einladung in die Seeger Bar zu folgen und bei der dort stattfindenden «Luxury Party» vorbeizuschauen – ein wenig Exklusivität hat schliesslich noch keinem CV geschadet. Ich gebe zu: Ich genoss den Abend. Doch bereits am nächsten Morgen schossen mir erste Zweifel durch den vom Kater malträtierten Kopf. Darf man unter so einem Motto feiern? Und das in Zeiten, in denen der Bonus meines Vaters spürbar geringer ausgefallen war und ich bereits meinen geleasten BMW gegen einen gebrauchten Opel Corsa (Baujahr ’99) eintauschen musste. Selbst nach reiflicher Überlegung fand ich keinen Ausweg aus dieser moralischen Zwickmühle. Was kann ich tun?

Flehentlich, Ihr Beat W. Lächerli

Lieber Beat,

das von dir geschilderte Problem ist keineswegs trivial, sondern dürfte auch einige deiner Lern- und Leidensgenossen betreffen. Erst einmal begrüsse ich dein gesellschaftliches Engagement abseits des Campus. Ein entscheidendes Element eines jeden erfolgreichen Wirtschaftsstudiums ist das informelle Networking im Rahmen abendlicher Events.

In Zeiten verarmender Oligarchen, in denen Begriffe wie «Systemrelevanz» und «Abwrackprämie» zu ungeahnten Höhenflügen im allgemeinen Sprachgebrauch ansetzen, lässt sich jedoch nicht bestimmen, welchen Stellenwert die Note Luxus bei den Personalverantwortlichen überhaupt noch geniesst. Sind heute nicht vielmehr Soft Skills wie Demut und Genügsamkeit gefragt? Dein neuer Wagen scheint mir da ein erster Schritt in die richtige Richtung. Denn wie schon der alte Sprücheklopfer Lessing wusste: «Alle grossen Männer sind bescheiden.» Fürs Partyleben gilt also die Devise: Dosenbier statt Dom Pérignon! Damit punktet man selbst in Krisenzeiten in jedem Bewerbungsgespräch.

Hochachtungsvoll, dein Dr. Hans-Ruedi Kaunzeller


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